Morgens um halb neun rufe ich in der Capitainerie in PortoPollo an, telefonisch, um nach einem Liegeplatz zu fragen. Natürlich meldet sich keiner, scheint ja in Korsika üblich zu sein, weder ans Telefon noch ans Funkgerät zu gehen, und schon gar nicht Mails zu beantworten. Wenn man überhaupt eine Chance hat, jemanden in der Vorsaison zu erreichen, dann auf keinen Fall vor 8, nicht zwischen 12 und zwei und nicht nach 17 Uhr. Kommst du später, weißt du nicht wohin. Wir als Zweiercrew tun uns dann auch mit Moorings schwer.
Das scheint allerdings ein Generationsproblem zu sein. In all den Häfen, in denen junge Hafenkapitäne das Sagen haben, Ile Rousse, Girolata, und erst recht in Porto Pollo ist das anders:
Kurze Zeit später klingelt mein Telefon: Der Hafenkapitän ruft in tadellosem Englisch zurück! Ja, er hat Platz, aber wenn wir vor drei kommen sollen wir uns erst mal provisorisch am Quersteg festmachen. Da ausnahmsweise Wind ist und wir gut und flott segeln können, kommen wir tatsächlich zu früh an. Wir legen uns an den Quersteg, an dem übrigens die erste Abpumpanlage für Schwarz- und Grauwasser steht, die mir seit Monnickendam begegnet ist! Der Capitain kommt pünktlich zu uns, hilft uns mit den Moorings. Nichts steht einer Wanderung im Weg! Wir wollen hinauf zu den Aussichtspunkten und dem größeren Ort, zum Etang, dem Teich, und zum Tigerfleisch.
Yemanja am Servicesteg von PortoPollo
Tigerfleisch? So übersetzt Navily den Tipp eines Seglers: Es wäre sehr gut und man bekommt es in der Metzgerei beim Etang.
Aussicht auf das Muringfeld in Porto Pollo
Hinter dem Supermarkt beginnt links der Aufstieg. Über natürliche Steintreppen geht es nach oben. Immer wieder überraschen schöne Ausblicke auf PortoPollo und die Bucht dahinter. Auch der Ort Serra … verblüfft: Ein korsisches Straßendorf mit neuem, gepflastertem Gehweg und einzelnen Steinhäusern oder Villen. Auch die Kirche ist schön renoviert, gegenüber wächst eine üppige orangerote Bougainvillea.
Dorfplatz in Sierra, hoch über PortoPollo
An der Kirche weist ein Schild rechts zurück nach PortoPollo. Doch den nächsten Abzweig hinunter übersehen wir erst mal: Es ist ein grasüberwucherter schmaler Trampelpfad zwischen zwei Steinmauern. Es scheinen ihn mehr Wildschweine als Menschen zu benutzen, denn im kniehohem Gras ist er immer wieder ist aufgewühlt.
Und dann eine Weide! Mit hunderten grasenden Tigern!
Ja, ja, es sind Rinder, gestreifte Rinder. Wenn du Tigerrind googelst, kommst du auf eine deutsche Rinderrasse. Wenn du Vache Tigre googelst, kommst du auf die Seite der Farm. Die gibt es sogar auf englisch: Die Tigerrinder gehen auf eine nordafrikanische Rasse zurück, die sich über jahrhunderte perfekt den korsischen Gegebenheiten angepasst hat. Sicher erscheint mir: Zu Lebzeiten sind es glückliche Kühe, mit viel Weideland und mit Kälbern.
Vache Tigre, ein getigertes Rind, eine alte korsische Rasse?
An den See führt uns der Weg allerdings nicht, er kommt seitlich davon an der Straße aus. Wir müssten links an ihr entlang, um an die Hofmetzgerei zu kommen. Doch erstens tun unsere Beine weh und zweitens könnte ich dieses edle Fleisch nicht so zubereiten, wie es ihm gebührt. Außerdem ist das Geheimnis um das Tigerfleisch gelüftet, wir gehen zurück zum Schiff nach PortoPollo und genießen den Abend vegetarisch mit Tomatensalat, Käse und Rotwein
Blick auf Porto Pollo
Der Etang, um den herum riesige Weiden liegen