21. Februar 2015
von Steffi
1 Kommentar

Die Karneval in Mindelo

Kann der Karneval in Mindelo mit dem in Rio, Salvador oder Köln mithalten?
Aber ja doch!

Von der Struktur her erinnert er eher an Köln, optisch an Rio. Und da muss ich gleich mit einem Vorurteil aufräumen.
Das Bild vom tropischen Karneval ist dieses:

Karneval in Mindelo

Doch in Wahrheit ist der Karneval hier zum größten Teil eine Sache der Kinder und ihrer eher beleibten Mütter und Großmütter. Die Realität sieht meist so aus:

Karneval (79)sk

Oder so:

Karneval (65)

Doch eines ist sicher: Karneval in Mindelo ist weiblich! Abgesehen von einigen wenigen Musikern, Trommlern und Tänzern oder kleinen Jungs sind die Zugteilnehmer Feminin. Und das schließt gar machen Mann mit ein!

Karneval in Mindelo

Karneval beginnt mit den Mandingas, das sind jene schwarzen Männer, die mich schon am ersten Abend so beeindruckt haben. Ihnen etwas Feminines anzudichten wäre jetzt allerdings völlig falsch! Meist sind es Männer, angemalt mit schwarzer Farbe, die angeblich aus Öl, Kohle und dem Zink aus alten Batterien gemischt ist…
Sie ziehen an den Sonntagen vor Karneval trommelnd und tanzend durch den Ort. Die Menschen sollen mittanzen, Spaß haben, das ist ihr Ziel.
Und ahnungslose Touristinnen beeindrucken.

Mandinga

Mandinga

Karnevalssonntag geht auch in Mindelo der „Schull- und Veedelszug“. Die Kindergärten, Schulen, Lehrer und Kirchengemeinden ziehen am Nachmittag bis in den frühen Abend durch die Stadt.

Mindelo Karneval (3)

“Schull- und Veedelszug”

Montag kurz vor zehn Uhr abends wird Samba getanzt: Etwa fünf Sambagruppen ziehen unten am Meer los, hinauf in die Stadt. Sie sind ja hübsch anzuschauen, doch die Polizei baut sich demonstrativ breitbeinig vor uns auf, ein finster dreinsehender Kerl jede 10 Meter. Mann, was soll das? In Kölle würdet ihr gebützt! Da gäbe es beijos, Küsschen, für euch und eure Mützen hätte ein lecker Mädche auf! Aber bei eurem Schlagstöcken ist es kein Wunder, dass die Zuschauer lange Gesichter machen und stocksteif stehend zusehen!

Samba Tropical

Samba Tropical

Was soll das bei der großen Parade geben?

Gottseidank, da ist alles anders und ganz so, wie es uns gefällt! Glitzernd und fedrig beflügelt, knatschgelb, giftiggrün, königlichlila, prinzessinnenpink und spärlich bekleidet tanzen die Frauen an uns vorbei – in Schuhen, bei denen ich mir beim Hinschauen die Haxen brich! Vier Gruppen gibt es, die um eine Auszeichnung wetteifern, jede mit eigenem Lied und Band, eigener Choreografie und eigener Königin in luftiger Höh‘ auf großem Wagen: Nicht nur die Deko, auch sie selbst wird mit dem Bagger da hinauf gehoben. Die Gruppen sind wieder unterteilt, sie bestehen aus vielleicht einem gutem Dutzend Abteilungen. Jede wird angeführt von einer Sambatänzerin, dann kommt eine tanzende Gruppe, oft Kinder, die von den Eltern sehr abgeschirmt werden. Ein Wagen folgt, ein paar Trommler und Tänzer ebenso.

Auch die Menschen am Wegesrand sind oft verkleidet, tanzen mit. Heute ist die Polizei nachsichtig, ordnet nur die Aufstellung der Gruppen.

Nach zwei Gruppen ist der Akku unserer Kamera leer, der Chip voll mit 350 Fotos – so vielversprechend die nächste Gruppe aussieht, wir sind auch alle!

Mit dem Beitrag nehme ich an der Blogparade Karneval als Reisegrund teil

15. Februar 2015
von Steffi
Keine Kommentare

Seglerleben auf Sao Vincente

Wisst ihr, was ich am Langfahrt-Segeln mag?

Die anderen Segler. Und die, die sie begleiten.

Die Offenheit, mit der wir einander begegnen, das Vertrauen, das wir einander entgegenbringen, die Selbstverständlichkeit, mit der wir einander helfen. Alle geben, alle nehmen. So stelle ich mir Leben im Paradies vor!

Ja, vieles ist oberflächlich – und doch hatten wir unterwegs schon Gespräche, die tiefer gingen, als ich sie mir mit jemanden, den ich gut kenne, vorstellen kann – bis unter die Knochenhaut!

Im Grunde kenne ich das von unseren Auslandsaufenthalten: Wir Frauen im International Women’S Club St. Petersburg oder in der American Society of Bahia wussten immer, dass wir ohne einander nicht in der Fremde überleben können: So war immer jede willkommen, half jede jeder, ob sie sie kannte oder nicht, mochte oder nicht: Der Tag oder die Nacht, in der frau selbst jemanden brauchte, war nie fern!

Vier Crews und Milan und Ilse, die Trans-Ocean Stützpunktleiter hier in Mindelo, sind es, die mich diesmal begeistern:

Thomas oder Tom von der Cariad lernte ich über Facebook und die Gruppe Langfahrtsegeln kennen: Ich postete dort etwas und er antwortete, dass er uns gegenüber in La Palma liegt. Hier in Mindelo war er es, der uns nach langer Überfahrt in Empfang nahm. Bei ihm an Bord ist Charlotta, eine junge Schwedin, die in einem seegängigen Ruderboot von Teneriffa in die Karibik wollte. Sie wurde so seekrank, dass sie nach 14 Tagen abgeborgen werden musste. Thomas segelte 150 Meilen gegen den Wind zurück und brachte sie sicher nach Mindelo.

Anja und Thomas von der Robusta kannten wir von deren Blog, den wir hie und da verfolgten. Die beiden Schweizer sorgen mit ihrem trockenen Humor und einmaligen Akzent immer wieder für Erheiterung.

Thomas und Anja

Thomas und Anja

Das junge Pärchen Jaqueline und Mischa von der Sailor Moon kommt aus Österreich, Mischa aus meinem Nachbarort. Sie sind wunderbar unschuldig und unbedarft – Trimmen? Wozu? Ist doch schön so auf dem Meer zu schwimmen und ein wenig Halma zu spielen!

Milan und Ilse von der Fleumel sind die Seele der Gruppe, der Kitt, diejenigen, die alles dafür tun, dass die Segler sich in Mindelo und den Kap Verden wohl fühlen: Milan liebt die Kap Verden, diese Inseln, seine Ilse und seine Kinder. Er setzt sich auf seiner Website, beim Trans-Ocean und persönlich vor Ort immer wieder und mit viel Herzblut für uns Segler und die Kap Verden ein.

Heute treffen wir uns alle im Fishing Club. Es ist Karnevalssonntag, der Fahrer des zweiten Autos sagt ab. Milan organisiert ein anderes, ohne Fahrer.

„Wer fährt?“ Er hält den Schlüssel in die Luft.

Tomy. Er neigt zwar dazu, zu schnell zu fahren, doch nie ohne Papiere. Heute macht er bei beidem eine Ausnahme.

Erst geht es hinauf auf dem Monte Gordo, von dem aus wir den Blick über die Bucht von Mindelo und Baia das Gatas schweifen lassen. Dort haben die Wohlhabenden ihre Ferien- und Wochenendhäuser. Man kann dort ruhig und sicher vor den Wellen baden. An der Ostseite der Insel liegt ein fruchtbares Tal in einem trockenen Flussbett: Der Tau, der sich oben am Berg aus den Wolken absetzt, rieselt langsam in die Tiefe, trifft auf Wasserundurchlässige Schichten. Windmühlen pumpen es aus den Brunnen in hochmoderne Tröpfchenbewässerung. Die war uns schon auf Santo Antao aufgefallen. Thomas, der neue Trans-Ocean Stützpunkleiter auf Mindelo, hat sie auf den Kap Verden eingeführt, er berät mittlerweile die Regierung in Sachen Bewässerung.

Uns freut es, dass es hier noch glückliche Schweine gibt!

Wir rumpeln weiter über das Kopfsteinpflaster – der wahre Grund, warum Tomy langsam fährt – vorbei am Friedhof, am Golfplatz nach Sao Pedro im Süden. Trotz gutem Hotel dort ist der Strand praktisch menschenleer, nur ein paar Surfer flitzen über das ruhige Wasser. Das junge Volk geht schwimmen, ich bin einfach nur froh, dass mir gerade nicht kalt ist.

Tom ist jetzt richtig ausgehungert, seit dem Morgen scheucht er uns immer wieder mit dem Hinweis auf seinen knurrenden Magen weiter. Wir gehen zu Sto Andre, dem alten Schweden gegenüber dem Hotel. Ihm gehört das beste Restaurant auf Sao Vincente. Doch Qualität allein ist es nicht, das diesen Ort auszeichnet, nein das sind die drei S: Sorge, Service und Spaß!

Andre, der Inhaber sorgt für seine Leute, beteiligt sie am Umsatz. Somit sind die Mädels freundlich, flott und gut drauf, sie lachen und scherzen mit uns, setzen uns Karnevalshüte auf, alle haben Spaß! Zum Schluss gibt es für Tom endlich die langersehnte Eisbombe: Milcheis mit Ingwer, Kroquant und Papayamarmelde. Oder so ähnlich! Selbst ich hätte dafür schwach werden können – und ich mag kein Eis (Solltet ihr den Blog schon länger folgen, werdet ihr ahnen warum: Es ist zu kalt!)

Carnival

Carnival

Die Reste des sonntäglichen Festes landet in großen silbernen Schüsseln vor den Mäulern der Strandhunde…

Wir schnuppern noch ein wenig Karneval, bewundern einen tollen Sonnenuntergang, dann fallen wir müde ins Bett – Danke Milan, danke euch allen, für den schönen Tag!

Sunset over Mindelo

Sunset over Mindelo

PS: Karneval kommt extra!

Vel do Paul

13. Februar 2015
von Steffi
Keine Kommentare

Kostbares Nass

Es regnet!

Der Regen ist den Menschen willkommen, blieb er doch 2014 ganz aus. An Wandern ist nicht zu denken, wir bitten Jorge, uns nach O Curral zu fahren, damit wir wenigstens etwas sehen. Im Grunde ist mir das ganz recht, denn trotz meiner nächtlichen geistigen Lichtduschen, um wieder gesund zu werden, bin ich etwas schlapp.

Wenn es regnet, kommen die Berge in Bewegung: Immer wieder muss Jorge Steinen, ja ganzen Felsen ausweichen, die nachts auf die Straße fielen. Ich rede mir halt ein, dass die nur nachts fallen – Autofahren ist um einiges gefährlicher als Segeln!

Tree growing in the street

Tree growing in the street

Die Küstenstraße, kunstvoll gepflastert, windet sich um die Berge, immer wieder gehen rechts in den Fels gehauene Trampelpfade hinauf in die Berge. Da oben wohnen Menschen, gibt es Dörfer, erzählt Jorge, doch mit dem Auto sind sie nicht erreichbar, nur diese Wege führen dort hinauf.

Vila das Pombas liegt am Ende des Paúl-Tales, in einer schönen weiten Bucht. Karibisch soll es hier sein – wenn es nicht regnet. Von hier führt der Weg hinauf nach Cova de Paúl. Trotz Wolken, Nebel und Regen sind die Berge wieder beeindruckend, schroffe Spitzen, senkrechte Wände, hoch oben thronen sattgrüne Agaven, alles, was halbwegs flach ist, ist mit Zuckerrohr bewachsen – hier wird daraus noch Sprit für durstige Kehlen destilliert.

Was soll ich sagen? Ich liebe diese tropischen Berge! Sie berühren etwas in mir, es ist als gehörte ich in diese Landschaft.

Jorge lässt uns in O Curral austeigen, wir bitten ihn unten auf uns zu warten. Wir wandern die Straße hinunter, vorbei an üppiger tropischer Vegetation: Bananen, Mangos, Papaya, Kokospalmen und Brotfruchtbäume säumen das Ufer des kleinen Flusses. Er ist kunstvoll durch kleine Steindämme reguliert: Das Wasser fließt in der Hauptrinne in der Mitte schnell zu Tal, von dort wird es immer wieder in kleine Becken voller mir unbekannter Nutzpflanzen abgeleitet. Immer wieder stehen kleine, weißgetünchte und mit Zuckerrohrstroh gedeckte Hütten an seinen Ufern, ja selbst mitten drin, wieder umsichtig in den Lauf des Flusses gebaut. Darin leben tatsächlich noch Menschen, ja ganze Familien!

Und obwohl die Menschen am Bach wohnen ist Wasser kostbar: Regenwasser wird mit der Schaufel gesammelt, aufbewahrt für jene Wochen, an denen der Regen ausbleibt und die Bohnen auf den Feldern vertrocknen.

Collecting the rain water

Collecting the rain water

Heute feiern die Kinder Karneval, sie haben Schulfrei. Trommelnd stehen sie am Straßenrand, manche richtig verkleidet, andere mit bemalten Papiermasken. Die Trommeln haben sie selbst gebaut, aus 5-l-Konservendosen – es reicht, um damit Krach zu machen. Die Jungs necken die Mädchen, versuchen ihnen Angst zu machen… Kinder halt!

Kid's carival

Kid’s carival

Das Leben hier ist sicher hart, ohne die Annehmlichkeiten modernen Lebens und doch auch wieder nicht: Die Männer können sicher zupacken, wenn es sein muss, und doch haben wir hier keinen gesehen, der sich überarbeitet, auch nicht die, die Arbeit haben: Ihre Aufgabe besteht größtenteils darin irgendwo herumzulungern, rund um den Dorffernseher zu sitzen, Kicker oder Oril zu spielen, während die Frauen wenigstens noch die Kinder herumschleppen.

Daran, den Müll wegzuräumen, Ordnung zu machen, ihre Umgebung zu pflegen, denkt hier keiner. Ich will darüber nicht urteilen, ich wundere mich nur immer wieder, dass das die Menschen nicht stört, also rein optisch, von Umweltschutz rede ich schon gar nicht. Das gilt übrigens durchaus auch in Deutschland, auch da fällt nur wenigen ein, den Müll, den andere vor ihrer Tür fallen ließen aufzuheben… Sinn für Schönheit ist ja durchaus vorhanden: Sobald das Geld reicht werden die Häuser bunt angemalt, mit farblich abgesetzten Türen und Simsen. Gar manches Haus ist ein wahres Juwel!

So grau die Orte im Moment aussehen, die düsteren Rohbauten bedeuten doch, dass gebaut wird, dass Hoffnung auf ein angenehmeres Leben besteht: Eines Tages werden sie bunt sein, werden die Wege, die zu ihnen führen, gepflastert sein.

Ich wünsch es den wunderbaren, freundlichen Menschen von Santo Antão!

Official parade in Ponta do Sol: Note the police in front and at the end!

Official parade in Ponta do Sol: Note the police in front!

[ready_google_map id=’4′]

12. Februar 2015
von Steffi
2 Kommentare

Atemlos in Santo Antao

Die Berge? Die Steigung? Die Lebensbedingungen? Was raubt mir den Atem?

Während wir frühstücken, hält ein Aluger vor der Tür, der Fahrer blickt uns freundlich lächelnd und fragend an. Was die Fahrt nach Cruzinha da Garça kosten würde, frage ich ihn.
3.500 Escudos, etwa 30 Euro. Das erscheint uns viel.
Von dort, erklärt er den Preis, kann er niemanden zurück nehmen.

Er hat vergessen, die Straße zu erwähnen!

SA1 Ribeira

Ribeira Grande

Von Ribeira Grande führt wieder eine gepflasterte Straße, hinauf in die Berge.Es sind diese Berge, die mich zum ersten Mal an diesem Tag, nach Luft schnappen lassen. Steil aufgerichtet, mit Zacken und Zinnen, lange Rücken, hinter jeder Biegung eine neue grandiose Aussicht auf ein Tal, Terrassen oder eine Siedlung – es ist eine der schönsten Berglandschaften, die ich je gesehen habe! Mir fehlen die Worte, sie zu beschreiben, auch Fotos können nur eingeschränkt einen Eindruck vermitteln.

Atemberaubend schön!

Im Flusstal schlagen Männer Kiesel klein, für Sand, um weiter bauen zu können. Daneben weiden die Kühe, suchen die Hühner nach Korn – was uns exotisch, ärmlich oder hart erscheint, ist hier vielleicht ein fettes Leben? Wir werden sehen…

Gravelmaking

Gravel making

SA1 4Irgendwann wird aus dem Pflasterweg doch tatsächlich eine asphaltierte Straße!

Die abrupt an einem breiteren Feldweg endet.

Doch die Fahrt geht weiter.

Der nächste Ort ist überraschend gepflegt, mit bunt bemalten Häusern, Blumen davor und einen gepflasterten Dorfplatz. Ist das Tal fruchtbar genug, für bescheidenen – extrem bescheidenen – Wohlstand? Ist es die Ecolodge am Ende des Dorfes? Wir wissen es nicht.

Cruzinha

Cruzinha

Hinter dem Ort wird der Weg abenteuerlicher, eng und steil gewunden geht es über Flusskiesel hinauf nach Cruzinha. Ich kann kaum glauben, dass Jorge Miguel, unser sympathischer Fahrer seinen kostbarsten Besitz, das Auto, diesen Strapazen aussetzt! Doch er setzt uns brav am Dorfende ab.

Wir folgen dem gepflasterten und wieder aufwändig mit Steinmäuerchen gesicherten Weg entlang der Küste. Er ist anfangs wenig spektakulär, doch durchaus konditionell anspruchsvoll. In den Schluchten unterwegs stehen Wasserbehälter, von dort wird das Regenwasser wieder hinauf gepumpt, wohin können wir nicht sehen. Nach zweieinhalb Stunden geht es bergauf in ein Dorf: Fünf Häuser, vielleicht gibt es noch ein paar in den Bergen dahinter, eine Grundschule mit Fußballplatz. Etwa 50 Menschen leben hier in diesem Ort, der nur über den Klippenpfad erreichbar ist. Die Stromleitung folgt eben diesem Pfad, auch der dicke Wasserschlauch. Es gibt ein paar Ziegen und einige Hühner. Drei Jungs sitzen mitten auf dem Weg, flicken Netze, zwei Männer lösen Bohnen aus.

Nix da Supermarkt!

Und doch gibt es in Forminguinhas zwei Bars, die auch Mahlzeiten anbieten. Wir entscheiden uns für ein Getränk in der Bar „Erleuchtung durch Andreas Köppke“. Die junge Frau winkt mich in ihre Küche, öffnet den Kühlschrank und lässt mich wählen: Cola für mich, Bier für Tomy, all das für 230 Escudos, grad mal zwei Euro. Ich glaube, sie spricht nur Kriolu, kein Portugiesich.

Enlightment through Andreas Köppke

Enlightment through Andreas Köppke

Uff. Auch das schnürt mir die Kehle zu.

Und macht mich unglaublich dankbar! Was geht es uns gut!

Ein paar Wegbiegungen und Höhenmeter weiter liegt Corvo in einem fruchtbaren Tal, auch hier sind die Lebensbedingungen nicht anders. Zum Arzt, weil das Kind hustet oder Fieber hat? In die Schule? Die höhere Schule ist in Ribera Grande, wie ich von den heimkehrenden Schulkindern erfahre. Sie haben einen Zettel in der Hand, bitten die Wanderer um Geld, damit sie in die Schule gehen können, denn die kostet. Oder die Bücher. Oder auch für den Bus dahin, ab Fontainhas oder Ponta do Sol, bis dahin müssen sie laufen – über die Berge, vielleicht eine Stunde oder auch mehr! Vielleicht bringen sie auch Fisch dafür nach Hause, was soll’s mit vollem Bauch lernt es sich leichter. Ich hoffe nur, dass ihnen irgendwann jemand beibringt, den Müll nicht einfach die Klippen hinunter zu werfen…

 

Auch der Müll beengt meine Brust, macht mich traurig.

SA1 Müll

Hier kann es nicht um Leben, nur um Überleben gehen. Aber wer weiß, vielleicht ist das auch nur ein Vorurteil? Da gibt es diese Geschichte von dem armen Fischer, den ein reicher Mann einreden will, mehr Fisch zu fangen, damit er dann irgendwann in der Sonne liegen könne. „Das tue ich jetzt schon!“ sagt der Fischer…

Wirklich atemlos werde ich beim Anstieg über den Grat. Was die Schulkinder mühelos jeden Tag bewältigen, kostet mich einige Anstrengung: Seit November habe ich meine Kondition sträflich vernachlässigt, das spüre ich jetzt gewaltig! Doch stetig setze ich Fuß vor Fuß, ab Fontainhas, das wie ein buntes Adlernest am Fels klebt, geht es nur mehr bergab.

Fontainhas auf Santo Antao, Kap Verden - www.sy-yemanja.de

Fontainhas

Aus der Ferne sehen wir Gruften, oder einen Friedhof, zumindest halten wir die grauen Zellen dafür. Erst kurz davor hören wir das Grunzen: Schweineställe sind es, weit außerhalb der Ortschaft, damit der Gestank nicht ganz Ponta do Sol den Atem raubt!

Schweineställe

Schweineställe

Wir nehmen den Trampelpfad, der zu den Ställen führt. Ein richtiger Fußballplatz, ein paar Häuschen, die wie Favelas anmuten, ein paar Villen, ein paar kleine Reihenhütten, bunt und gepflegt, schon sind wir unten am Meer!

Eine Dusche! Abendessen! Bett – mir war kalt die letzte Nacht, ich fühle mich etwas grippig. Was wird das morgen werden?

[ready_google_map id=’4′]

Dieser Beitrag nimmt an der Blogweltreise von Auswandern für Anfänger teil

11. Februar 2015
von Steffi
Keine Kommentare

Wie wir versteigert werden

Wir quälen uns um halb sieben aus den Federn, um halb acht geht die Fähre nach Santo Antão, der Insel nebenan. Nun haben wir zwar ein eigenes Schiff, doch gibt es auf Santo Antão keine Anlegemöglichkeit, nur eine einzige Ankerbucht vor einem abgeschiedenen Dorf – von dort aus könnten wir die Insel kaum erkunden. Außer unserer Rückfahrt haben wir nichts gebucht: Wir sind jetzt echte Rucksacktouristen.

Sunrise over Santo Antao

Sunrise over Santo Antao

Kaum verlassen wir das moderne Terminal in Porto Novo, stehen wir in einer Versteigerungshalle: Auf der Tribüne stehen die Händler, unter auf der Bühne zieht die Ware vorbei: Touristen.

Auction

Auction

Wir.

Wir werden an den am wenigsten verlangenden Aluguer-Fahrer verschachert, zumindest für die Fahrt nach Ponta do Sol.

Und was für eine Fahrt!

20 Kilometer Luftlinie sind es von Porto Novo bis Porta do Sol, auf der Straße vielleicht 40, gebraucht haben wir zwei Stunden, mit höchstens 35kmh!

Ein gepflasterter, gut befestigter Weg, gerade breit genug damit zwei schmale Autos aneinander vorbei können, windet sich hinauf in die kahlen, rotbraunen Berge. Grau verstaubte, niedrige Akazien drücken sich an den Wegesrand, darunter blühen gelbe Aloen. Wild zerfurcht sind die Schluchten. Je höher wir kommen, umso grüner und dichter werden die Akazien, bald gehen sie über in einen Eukalyptuswald. Erst dort oben stehen vereinzelt Häuser, die sich manchmal zu lockeren Ansammlungen gruppieren. Manche sind bunt angemalt, die meisten aber zementgrau und halbfertig. Bunt ist nur die Wäsche auf der Leine. Ziegen und Hühner laufen herum, auf mancher Weide stehen zwei Kühe. Esel warten angepflockt am Straßenrand auf ihren Einsatz.

Oben bleibt der Fahrer an der Cova de Paúl stehen: Unter uns liegt ein eingestürzter Krater mit Feldern und Weiden, dorthin wird uns eine der Wanderungen führen.

Der Weg, die Landschaft und die Straße bleiben spektakulär. Je weiter wir hinunter kommen, umso karger wird das Land, wieder türmen sich eindrucksvolle Bergrücken vor uns auf, durchzogen von tiefen Schluchten.

 

Es ist großartig! Marvailhoso! Wie gesegnet bin ich, dass ich dies sehen und erleben kann!

In Ponta do Sol lässt uns der Fahrer am Hafen aussteigen, wir zahlen knapp 9 Euro für die Fahrt. Im Hotel unserer Wahl ist kein Zimmer frei, obwohl wir eher den Eindruck haben, Madame passt unser Ansinnen gerade nicht in den Kram. Was den Tourismus angeht, ist Ponta do Sol fest in französischer Hand.

Daneben, im Por do Sol Arte fühlen wir uns sofort willkommen, die Dame lächelt freundlich, auch das Zimmer ist freundlich blau, einfach und sauber. Der Balkon liegt über der „Strandpromenade“, direkt vorm Meeresschwimmbecken. Von hier oben können wir gut das Treiben auf der Straße beobachten: In blaue Kittel gekleidete Mädchen, die fröhlich von der Schule nach Hause hüpfen; Männer beim Spiel; Hunde, in denen frau noch eine Rasse vermuten könnte, sie gehören durchaus zu bestimmten Familien ohne jedoch ins Haus zu dürfen; die Netze sortierende, fischende Dorfjugend; die heimkehrenden Fischerboote.

Near the harbour in Ponta do Sol

Near the harbour in Ponta do Sol

Wir beschließen, die Wanderung heute ausfallen zu lassen und zum Hafen zu gehen.

Gut so!

Welch‘ ein Spektakel ist die Heimkehr der Fischer!

coming home

coming home

Dem muss ich einen eigenen Artikel widmen, vermutlich im Sommer! Ich brauche Zeit, um all die Eindrücke zu verarbeiten, Berichte zu schreiben und zu posten und vor allem um die Fotos Blogtauglich zu machen.

Abends muss ich eine weiteres Vorurteil loslassen: Afrikanischstämmige Menschen haben nicht automatisch Rhythmus im Blut, sich elegant zu Musik zu bewegen, ist ihnen nicht in die Wiege gelegt: Am Fußballplatz der Grundschule wird für Karneval geprobt, die Trommeln toben. Die Vortänzerin schwingt ihren Hintern sehr eindrucksvoll, doch die farbigen Kinder bewegen sich so hölzern, wie es sonst nur Weiße können. Oder sie bleiben gleich stocksteif stehen.

Nur die Großmütter in der letzten Reihe haben sichtlich Spaß!

[ready_google_map id=’4′]