19. März 2015
von Steffi
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Atlantic Crossing Final Tag 22

Land in Sicht!

Oder zu mindestens zwei helle Lichter, vielleicht Leuchttürme? Aber so hoch oben?
Wir wundern uns und lachen schließlich hell auf: Es sind zwei Sterne, die über Salvador aufgehen!

Und doch können wir bald einzelne Lichter unterscheiden…

Mit Motor, in der Geschwindigkeit wären wir um drei Uhr früh da – im Dunklem.
Da kommt Wind auf – Tomy zieht die Segel erst unwillig hoch, doch ich kann ihn überreden: Segeln heißt, dass Sissi steuert, und der Wachhabende nicht das Steuer festhalten muss.
So haben wir eine letzte ruhige Nacht, auch wenn wir alle drei Stunden halsen müssen.

Im Morgengrauen taucht die Skyline von Salvador auf: Rio Vermelho, Ondina, Barra…

Die Flut ist gegen uns, also runden wir die Banco San Antonio vor Barra südlich, dann laufen wir in die Bucht ein, vorbei am ältesten Leuchtturm auf amerikanischen Boden, vorbei an den exklusiven Hochhäusern an der Sete de Septembro, vorbei an den Favelas, die unterhalb liegen.

Und dann um die Kaimauer, vorbei am Forte – ein Schiff der Brasilianischen Marine fährt mit Blaulicht raus, hupt und winkt freundlich, ebenso der Schoner Kapitän und der der Fähre nach Motto de Sao Paulo. Ein Marineiro winkt uns an den Steg, reicht uns die Mooring-Leinen (die etwas seit 514 Jahren, also seit der Entdeckung der Allerheiligenbucht, dort liegen).

Wir sind fest – und der Bem-te-vi schmettert uns sein Willkommen entgegen: „Schön-dich-zu-sehen, bem-te-vi. bem-te-vi!“

Hier, im Centro Nautico, beobachteten wir vor 14 Jahren die Ankunft der Mini-Transat, hier nahm Tomys Hirngespinst, die Welt zu umsegeln, erste Formen an. In den folgenden Jahren war diese seine Idee DAS Symbol für den Verlust von allem, was mir wertvoll und heilig war – also eine Bedrohung meiner Existenz. Und jetzt sind wir gemeinsam hier – glaubt mir, um die Welt ist nicht weiter als der Weg von der Angst, alles zu verlieren, was frau wichtig, in die Gewissheit, dass ihr nichts genommen werden kann, weil alles, weil die Liebe, die Quelle des Seins, in ihr ist. Und diese Quelle kann nichts mir nehmen – sie ist.

Wir sind ganz schön glücklich und stolz!

Nach dem Duschen – Süßwasser!!!, melden wir uns in der Marina an und machen uns auf dem Weg zur Policia Federal. Nach einigem Fragen und freundlicher Hilfe, finden wir sie in einer Baracke im Hafen. Die Dame weiß auch ohne große Erklärungen, warum es geht, und flugs sind unsere Pässe gestempelt und wir halten den ersten Zettel mit diversen Angaben zu unserer Einreise in der Hand.
Dann gehen wir zur Receita Federal, die im Gebäude des Ministrio da Fazenda untergebracht ist. Die Sachbearbeiterin dort ist speziell: Sie bewegt sich huldvolll und die Hüften seltsam schwingend im Zeitlupentempo – soll das sexy sein?
Also wenn die im Bett auch so langsam ist…

Wir füllen die Zollerklärung am Computer aus, nur das Schiff, der Rest ist uns zu mühselig. Die Schönheit druckt einen weiteren Zettel aus, der muss vom Chef eine Etage höher unterschrieben werden. Wir warten im Vorzimmer.
„Tomy, da kommt ein Schatten langsam wie ein Faultier die Treppe heruntergeschlichen, ich glaub, das ist sie!“
Sie schleicht an uns vorbei, ohne uns eines Blickes zu würdigen. Sie legt die Hand an die Klinke der Bürotür…
Ah, langsam dreht sie sich zu uns um, königlich winkend bittet sie uns ins Büro. Eine weitere Unterschrift, und wir haben einen Zettel mehr.
Mit dem gehen wir zur Capitania, werden freundlichst aufgenommen und bald halten wir den dritten, letzten Zettel in der Hand:

Wir und Yemanja sind legal in Brasilien!

Geld haben wir auch schon, jetzt ein kühles Bier und Acaraje!

Jetzt sind wir wirklich da!

Ich bitte meine Tochter, unserer ehemaligen Raumpflegerin von unserer Ankunft zu berichten, ich weiß, dass sie in der Nähe arbeitet. Zehn Minuten später steht sie am Steg, umarmt uns glücklich! Que saudade! Endlich sind wir wieder da!

Eine Stunde später kommen Patrick und Leentje mit der Silmaril, wir fallen uns um den Hals, trinken ein Begrüßungsbier, stoßen mit Sekt an, wechseln zu Bier – ach, ist das schön, wieder mit Freunden zu sein!

Meine Engel beklagen sich, weil ich immer noch kein Internet habe, doch so einfach ist es nicht: Free Wifi gibt es nicht in den Imbissbuden rundherum, das der Marina ist (und bleibt) kaputt, ein Internetcafe wäre vielleicht im Pelourinho, in der Altstadt, doch wir brauchen Wasser – die Tanks sind doch kaputt. Ich habe Sehnsucht, aber Einreise und Wasser sind wichtig!

Während Tomy den Fehler sucht, kommt Tom mit der Cariad, wenig später Anja, Thomas und Georg auf der Robusta. Es gibt einen kalten Begrüßungstrunk, Umarmungen, Lachen, Erklärungen – und wenn ihr das lest, auch endlich Internet, zumindest zeitweise.

16. März 2015
von Steffi
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Atlantic Crossing Tag 21

Das Wasser kocht und brodelt, es sprudelt, blubbert und spritzt.

Delfine, Delfine, Delfine – soweit das Auge reicht! Es muessen Hunderte sein!

Es ist großes Kino, großes Sportfest: Synchron-Schwimmen in Fuenfer oder Sechser Formation, Synchronspringen, Einzelspruenge, mit doppelter Drehung, Weitsprung, Hochsprung, Rueckwaerts im Wasser stehen, Bauchflatscher, Rückenflatscher, Ditschen – Yemanja hat ihre verspielteste Delegation zu unserer Begruessung vorbei geschickt!

Koennten das nur meine Engel sehen, Lian, Melle, Laura und Melisa!

Der Papagei auf meiner Schulter erhebt sich sanft in die Luefte, mein Wahnsinn schwindet: Ich weiss jetzt, warum ich den Atlantik in einem kleinem Segelboot ueberquere: Diese Stunde mit den Delfinen war es wert!

Dann noch das Meeresleuchten und die Sterne. Die Sonnenaufgaenge und -untergaenge. Ja, doch, es ist ver-rueckt, was wir tun, aber wir sind in eine lebensfrohe Richtung gerrueckt!

Nachts sind wir gut 100 Meilen von Salvador entfernt – hell leuchtet das verstreute Licht am Horizont! Spaetestens jetzt ist mir klar, was Lichtverschmutzung ist! Dabei ist Salvador nicht mal eine besonders beleuchtete Stadt, ein paar Strassenlaternen, ein paar beleuchtete Haeuser, Leuchtreklame fehlt fast voellig. Oder hat sich das so geaendert?

Der Wind frischte nachts wieder etwas auf, wir konnten segeln, ab dem Morgen muessen wir kreuzen. Schliesslich machen wir noch einen Knoten pro Stunde in Richtung Ziel – Motor an. Nur hat der ein sowieso ein Problem mit der Kuehlung, das warme Wasser hier mag er gar nicht. Also braucht er immer wieder eine Verschnaufpause – in der wir ohne alles schneller unterem Ziel entgegentreiben als mit Kreuzen! Verrueckt!
Land sehen wir noch keines, obwohl wir nur mehr dreissig Meilen davon entfernt sind, dafuer ist die Kueste zu flach. Rund siebzig Meilen haben wir noch bis ans Ziel, jetzt um 16:40 UTC, 17:30 in Koeln und Wien.

Sollte in den naechsten 24 Stunden zu schaffen sein! Cariad und Robusta sollten morgen kommen und Sailor Moon wir wohl heute in Cabedelo/Jacare angekommen sein: Jaqueline kaempfte die ganze Zeit mit Uebelkeit und Erbrechen, Mischa segelte praktisch Einhand – noch eine Woche war zu viel fuer die beiden. Wir werden sie sehr vermissen!

(Hier geht es zum Delfin-Video)

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15. März 2015
von Steffi
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Atlantic Crossing Tag 20

“Sag Schatz, wieso haben wir eigentlich nicht…?”
“Steffi, ich weiß es nicht!”

Wieso tut frau nicht, was ihr die Intuition einfluestert? Es liegt sicher nicht daran, dass ich die Stimme der Angst nicht von der Stimme der Intuition unterscheiden kann – dass kann ich naemlich mittlerweile sehr gut! Die Stimme der Angst geht immer mit dem Gefuehl von Angst, Sorge oder Beklemmung einher und setzt eine Gedankenspirale in Gang. Nicht, dass das schlecht waere: Sie zwingt mich darueber nachzudenken, wie ich das “Was-waere-wenn” verhindern kann oder was ich  im Falle eines Falles tun kann, um das Problem zu loesen.

Die Intuition  ist einfach ein neutraler Gedanke, der ploetzlich aufblitzt. Ich nehme ihn wahr, er ist einfach da, aber ich fuehle nichts dabei. Und ich glaube, genau deshalb reagiere ich auch nicht.

Wir hatten gestern Abend wenig Strom. Mangels Wind war der Windgenerator nicht gelaufen, die Batteriespannung war relativ niedrig. Bevor Tomy sich hinlegte, meinte er noch: “Ich dreh schon mal das Kuehlwasser vom Motor auf, dann kannst du ihn sofort anmachen, wenn du Strom brauchst.”

Und da war der Gedanke: “Mach ihn jetzt an, nicht dass es dann nicht geht!” Aber nein.

Tomy hatte doch noch vor unserem Ablegen in Mindelo mit unzweifelhafter Autoritaet gegenueber Tom geaeussert, dass er Motor- und Brauchbatterie per Schalter getrennt hat, damit er jederzeit genug Strom hat, um den Motor anzuwerfen.

Na, und jetzt ratet mal!

Um 22:32 flimmerte der Bildschirm des Plotters, fiepste und weg war er. Schnell, den Motor an.

Der knurrte nur leise, das war’s.

Beide Batteriebaenke waren hoffnungslos leer.

Also drehten wir alle Geraete, Plotter, Control Panel, VHF, AIS und Navilichter aus, nur das Toplicht blieb an und fuhren mit dem Hand-GPS weiter. Zwölf Stunden dauerte es, bis Windgenerator und Solarpaneel die Batterien soweit geladen hatten, dass der Motor wieder ansprang. Und jetzt schnurrt er, denn Wind ist keiner, um die vier oder fuenf Knoten, – Ankunft morgen nicht machbar, wird wohl Dienstag werden. Aber nur wenn noch Wind kommt, denn noch schaffen wir es nicht nur mit Motor. Soviel Diesel haben wir nicht.

So meine lieben Leser, jetzt duerft ihr den Kopf schuetteln, duerft es besser wissen und uns Dummkoepfe schimpfen – ihr habt Recht! Wir wuerden das umgekehrt auch tun.

Aber eines ist sicher – Tomy braucht mich nicht mehr zu schimpfen, wenn ich mal wieder vergessen habe, den Hebel der Toilette umzulegen…

14. März 2015
von Steffi
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Atlantic Crossing Tag 19

Eine Schule Delphine kommt vorbei um uns zu begruessen, just als wir die nordoestliche Ecke von Brasilien erreichen. Von da segeln wir etwa 150 Meilen vor der Küste diese entlang nach Suedwest. Flott geht es dahin!
Wir erreichen die  Höhe von Recife.

Maceio

Aracaju

Und da ist der Wind weg, die Segelschlagerei und das Dahinduempeln gehen wieder los!

Salvador… Im Moment denke ich, wenn ich einmal da bin, will ich gar nicht mehr weg! Sicher, wir waren zuletzt vor knapp drei Jahren da,  wer weiss, vielleicht hat es sich ja so geaenderrt, dass es uns nicht mehr dort gefaellt, dass es sich nicht mehr wie Zuhause anfuehlt. Was dann?

Erst mal freuen wir uns auf eine Dusche, eine Waschmaschine, Mangos und Maracujas, und die Baia dos Todos os Santos mit dem Schiff zu erkunden. Es gibt noch so vieles, das wir nicht kennen!

Auch sind wir beide mittlerweile voellig davon ueberzeugt, dass es durchaus erstrebenswert ist, mal den Atlantik in einem Segelschiff ueberquert zu haben – aber so wochenlang auf See, nein, das muessen wir so schnell nicht wieder haben. Seglerisch ist die Ueberfahrt keine grosse Leistung, da muessen wir Elke und Walter von der Sunrise zustimmen. Die Herausforderung ist koerperlich – frau braucht viel Sitzfleisch und ist doch staendig in Bewegung – und psychisch: Wenig Wind (oder alternativ auch zu viel Wind), Segelgeschlagen, nie ruhig liegen oder stehen, immer irgendwo festhalten, nur Wasser weit und breit, keine anderen Menschen, keine suesse Dusche, Hitze unter Deck, alles ist salzig und klebrig und stinkt!

Es reicht!

13. März 2015
von Steffi
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Atlantic Crossing Tag 17 und 18

Yemanja fliegt über das Wasser, sie ist nicht aufzuhalten. Nein, wir haben nicht das Schiff gewechselt, der Wind – Iansa – ist uns endlich hold: Er weht aus der richtigen Richtung, so dass wir raum oder am Wind segeln koennen. Auch weht er mit sanfter Kraft, mal 10 bis 15, mal 15 bis 20 Knoten. Unser bisher bestes Etmal betrug 156 Seemeilen, mehr als doppelt so viel wie unser schlechtestes. Und das mit Gross und Genua im ersten Reff. Die Segelschlagerei, das Beben des Riggs hat ein Ende, auch das Schaukeln ist vorbei, dennoch ist jede Handlung anstrengend: Ihr kennt doch diese schiefen Haeuser im Prater oder Phantasialand, die mit den schiefen Ebenen, durch die frau unter viel Gekicher im Dunkeln stolpert. Nun, in so einem wohnen wir gerade! Und es bewegt sich auch noch dabei!

Die vergangenen Tage waren ruhig, ohne  große Ereignisse. Außer vielleicht, dass parallel zur Kueste, ungefähr auf unserer Strecke, die Nord-Sued-Schifffahrtsroute entlang geht. Ein Frachter unter Luxemburger Flagge der Reederei Hamburg Sued, die Cap San Nicolas, kam genau auf uns zu. Tomy funkte ihn an und bekam auf Deutsch die freundliche Antwort, dass er uns ausweichen wird. Dennoch kam er uns auf eine halbe Meile nahe. Seitdem sind wir keinem weiteren Schiff mehr begegnet.

Cap San Niclas

Unsere Vorraete haben gut gereicht: Wir haben noch genug Erdaepfel und Suesskartoffel um noch einmal Bratkartoffeln mit Chorizo zu machen, dazu Tomatensalat aus den beiden letzten Paradeisern. Nur drei davon verschimmelten, die Bananen waren wohl zu gruen, die wurden nie reif, sonst hat alles gut gehalten. Mit den französischen Dosengemüse, das wirklich gut ist, und den Konserven von der Lady S haben wir immer lecker und abwechslungsreich gegessen.

Robusta und Cariad liegen etwa einen Tag hinter uns, Sailor Moon drei. Jaqueline ist es immer noch schlecht, Mischa muss alles alleine machen, so ueberlegen die beiden, ob sie Recife oder Cabedelo ansteuern. Wir hoffen, dass sie durchhalten und  mit uns die Baia dos Todos os Santos erkunden werden.

Merkt ihr’s? In Gedanken sind wir schon in Salvador – Montag wird es wohl soweit sein.