3. Mai 2015
von Steffi
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Mission accomplished

„Wenn Steffi eine graue Wand beschreibt, wachsen plötzlich Blumen auf ihr“, sagt Monika, meine brasilianisch-deutsche Freundin. Tomy meint: „Wenn ich eine graue Wand beschreibe dann so: ‚Da ist eine graue Wand, wenn du Blumen willst, rauch ‚nen Joint! ‘ “

Also gut: Es ist schwarz hinter uns. Es ist unglaublich, wie dunkel es am helllichten Tag sein kann! Die Wolkenwand reicht bis zur Erde, bis zur Wasseroberfläche, nur am Rand hängen die Wolken höher und sind doch zum Greifen nah. Hier kommt etwas Licht durch, genug, um die Dunkelheit in ihrer Bedrohung wahrzunehmen. Smaragdgrün schillert das Wasser, jenes Grün, das nichts Gutes verheißt, zumindest nicht am Meer. Und doch ist es wunderschön.

Zum Greifen nah

Zum Greifen nah

Blumen? Schaff ich grad nicht. Aber da ist ein faszinierende Spiel von Licht und Schatten…

Und plötzlich ist alles nur mehr grau!

Es schüttet!

Das war vor ein paar Tagen, mittlerweile ist es einheitlich grau, es regnet immer mal wieder. Das Wetter ist nicht motivierend, wir hängen vor Itaparica rum, duschen im Regen, ich schreibe an meiner Familiengeschichte. Nachts fegt der Wind durch die Achternkajüte, ich muss mich zudecken, und zwar richtig. Dafür quillt mir tagsüber auch nicht der Schweiß aus allen Poren!

Tomy putzt den Flugrost von der Reling und allen Metallteilen, er schrubbt den Wasserpass, er schleift die Tür zum Mülleimer, damit sie wieder ohne Klemmen und Fingerbrechen aufgeht, flickt die Gastlandflagge, überprüft den Motor ohne Auffälliges zu finden, auch den Sicherungskasten: Das grüne Positionslicht vorne geht schon seit La Palma nicht mehr. Doch jetzt hat er den Fehler gefunden, ein altes, korridiertes Kabel im Ankerkasten!

Abends fahren wir an Land, auf einen Caipi oder ein Bier und um ein wenig zu quatschen. Mal mit Anja und Thomas, die ihr Schiff aus dem Wasser holen müssen und an der Arbeitsweise der Baianos verzweifeln. Oder mit Jochen, der immer einen flotten Spruch auf den Lippen hat und uns mit Anekdoten von stinkenden Tausendfüßlern und schleimigen Heuschrecken, die vor Afrika über sein Schiff herfielen, unterhält. Tom muss passen, er liegt mit Magen-Darm in seiner Koje. Heute kam wieder ein deutsches Schiff, Skipper, mit seiner Familie, Frau und zwei Kindern an. Und jetzt ratet mal, wie der heißt!

Genau –

Thomas!

Der fünfte.

Wir füttern die Hunde. Ja, Hunde! Der dünnen Hündin geht es recht gut, sie lebt wieder bei ihrem Rudel rund um das Marinabüro. Sie kommt uns immer glücklich wedelnd begrüßen, ihre Kollegen im Schlepptau. Es sind alles sehr süße und liebevolle Hunde, immer hungrig, Straßenhunde eben, obwohl sie alle recht gut aussehen. Sie werden anständig, ja liebevoll von den Menschen hier behandelt, von den Restaurants und Seglern gefüttert, wobei ich fürchte es wird knapp mit der Nahrung jetzt im Winter, wo weniger Gäste kommen.

Mittlerweile folgen sie uns alle bis zum Dinghi, wir müssen uns richtig davonstehlen…

Bloß keine schlafenden Hunde wecken...

Bloß keine schlafenden Hunde wecken…

Vor ein paar Tagen segelten wir zum Wasserfall im Kanal von Itaparica. Das war zumindest die offizielle Version. Insgeheim aber suchten wir die Insel.

DIE Insel.

Damals, als wir hier wohnten, war eine unserer Zwillinge mit dem Sohn eines reichen Mannes befreundet. Und dieser besaß eine Insel neben Itaparica, auf der unsere Mädels gar manches schöne Wochenende verbrachten. Und die galt es zu finden, aus rein nostalgischen Gründen.

Und das war nun wirklich nicht schwer!

Der Wasserfall? Nicht der Rede wert, zumindest nicht bei Flut. Bei Ebbe kann ich mir vorstellen, dass die Sandbänke davor zu einen kleinem Spaziergang einladen. Also morgens hin, wenn mittags da Ebbe ist, und nachmittags zurück. Die Fahrt dorthin ist immerhin recht hübsch.

Tororo Waterfall Itaparica

Der Wasserfall (Ja wo is er denn?)

Und wenn der Regen aufhört, zaubert er mit der Sonne einen bunten Bogen aus dem Schiff…

Regenbogen

Regenbogen

2. Mai 2015
von Steffi
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Was du in Salvador und Bahia nicht versäumen solltest

Bahia

Bahia ist nicht Brasilien, doch es ist das Brasilien, das ich kenne. Und das ich liebe.

Bahia, das sind traumhafte Villen, schwarz mit Schimmel überzogene Häuser und notdürftige Bretterbuden. Es sind bunte alte Kolonialbauten, oft äußerlich schön renoviert, oft mit blätternder Farbe und dem Stockfleckenschwarz. Die Salzgischt, die die Wellen und der Wind ins Land wehen lassen noch weit im Landesinneren alles korrodieren – selbst Kunststoff.

Bahia, das ist das Pelourinho, die Sete de Setembro, Cachoeira, Santo Amaro, Morro de São Paulo, Itariri und Imbassai. Bahia ist Itapuã, Barra, Itaparica und Trancoso. Bahia ist die Chapada Diamantina, Ilhéus, der fruchtbare Recôncavo und das trockene Sertão.

Bahia, das sind Menschen, die ihr Leben in die Hand nehmen, oft genug von jener Hand im Mund leben, Menschen, die strebsam arbeiten, einen bescheidenen und gelegentlich einen großen Wohlstand erreichen. Und viele mehr, die nicht wissen, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollen und herumlungern oder zu viel Bier und Cachaça, Zuckerrohrschnaps, trinken. Sie sind politisch interessiert, sie arbeiten alle an einer besseren Zukunft, sie lieben ihr Land, die Natur und sind bereit, sie zu schützen. Und doch gibt es Korruption und kontraproduktive Gesetzte, die Traumstrände sind nach dem Wochenende oft genug von Müll übersät.

Bahia, das sind die weißgekleidetes Baianas, das ist Acarajé, Moqueca de Camarão, Caldo de Súruru, gegrillter Käse am Strand und gegrilltes Fleisch aller Arten, obwohl keines so gut ist wie Picanha.

Itaparic 0415 A (3) Bahia, das ist Senhor do Bonfim, Candomblé mit den Orixas, die Igreja Universal de Deus und jede Menge anderer Pfingstkirchen. Bahia ist Glauben, ist Spiritualität und Magie, hier geschehen Dinge, die anderswo ein Wunder wären.

Hinweise auf Jesus oder Deus finden sich an den ungewöhnlichsten Stellen

Hinweise auf Jesus oder Deus finden sich an den ungewöhnlichsten Stellen

Bahia ist der Ruf des Bem-te-vi, endlose Strände, Kokospalmen, der Mata Atlantica. Es ist Mangobäume, Bananensträucher und überqellende Natur.

Bahia ist Caribé und Jorge Amado, wer Bahia verstehen will, muss ihn lesen, seine Donna Flor oder Gabriela, muss Caribés Zeichnungen und Werke betrachten.

Bahia ist ein Fest, ist Lavagems, Festa de Yemanjá, Karneval und Ensaios. Es ist Timbalada, Olodum, Ivete Sangalo und vieel andere populäre Musiker. Es ist Tanz, Samba, Capoeira und Forrô, Musik und der tiefe Klang der Surdos, die im Takt meines Herzens schlagen.

Bahia ist Mitgefühl, Leid und Alegria – Lebensfreude pur. Trotzdem und genau deshalb. Es ist ein Schatz, der gehoben werden will, doch die, die es könnten, graben auf einer Seite und schütten die andere zu…

Am ehestens begreift frau Bahia in der Zeit zwischen dem siebtem September, dem Nationalfeiertag und Karneval. Während der restlichen Zeit ist es schwieriger, aber vielleicht in mancher Hinsicht tiefer. Eines muss ich zugeben: Die Umgebung der Marinas machen es dem Neuankömmling nicht leicht! Wer Brasilien lieben will, muss sich umsehen, muss nach Bonfim, zu den Stränden, ins Landesinnere…

Sehenswert in Salvador

Cidade Baixa – Comércio und Mercado Modelo

Direkt gegenüber der Marina Náutico liegt der Mercado Modelo, mittlerweile ein Markt an dem allerlei Souvenirs angeboten werden, durchaus einen Besuch wert. Im Untergeschoss gibt es immer noch eine Verbindung zum Meer, dort wurden früher die Sklaven angeliefert und verkauft. Leider ist dieser Teil heute gesperrt.

An der Meer zugewandten Seite des Mercado Modelos wird oft Capoeira, der Kampftanz der Sklaven, aufgeführt. Wer zusieht und vor allem wer fotografiert solle auch etwas spenden: Die Jungs und Mädels haben kein anderes Einkommen! Auf dem Platz kann man auch gut sitzen, ein Bier trinken und Acarajé, in Dendé-Öl gebackene und mit getrockneten Garnelen und Salat gefüllte Bohnen“knödel“, essen.

Baiana

Baiana

Von der Marina aus rechts gelegen ist die Kirche Conçeicão da Praia, von der aus Mitte Januar die Prozession nach Senhor do Bonfim loszieht. Aber auch am 8. Dezember wird dort gefeiert. Außer an den Festtagen gilt die Gegend als gefährlich, weil von Favelas umgeben. Gegenüber der Kirche ist die Marinebasis, etwas weiter nach rechts geht es zur Marina Bahia mit ihren exklusiven Restaurants und Bars. Es ist nicht weit, aber es soll nicht ratsam sein, zu Fuß zu gehen, es geht durch eine unsichere Gegend.

Links vom Mercado Modelo erstreckt sich das Comércio, das alte Handels und Geschäftszentrum. Ein Bummel durch die Straßen lohnt sich, auch wenn oder gerade weil die alten historischen Gebäude mehr als nur vom Zerfall bedroht sind. Auch die Menschen, die dort arbeiten und ihren Handwerk nachgehen sind beeindruckend. Nur werktags und tagsüber erkunden, es gilt sonst als gefährlich.

Im Comércio ist auch das Museu de Rítmo gelegen, ein kulturelles Zentrum, von Carlinhos Brown ins Leben gerufen. Dort gibt es immer wieder Konzerte und Ensaios (Proben)

Irgendwo in dem Gassengewirr gibt es eine Zahnradbahn hinauf ins Pelourinho, wir fahren meist mit ihr hinauf und mit dem Aufzug hinunter.

Hinter dem Mercado Modelo führt der Aufzug Lacerda in die Oberstadt, ins Pelourinho.

PelourinhoCidade Alta

Die Altstadt von Salvador beginnt am Aufzug mit dem durchaus sehenswerten Gouverneurspalast. Links geht es dann ins eigentliche Pelourinho (Pelo), mit seinen bunten Häusern im Kolonialstil und vor allem seinen Kirchen: Die Baslica, Sé – Sitz genannt, den Sitz des Bischofs; die São Francisco, die goldene Kirche. Sie ist innen komplett vergoldet, Barock vom Feinsten oder Scheußlichsten, je nach Standpunkt. Es lohnt sich, die Skulpturen genauer zu studieren: Sie wurden von Sklaven gefertigt, die den Gottesdienst der Herren nicht besuchen durften. Sie hatten ihren eigenen, freizügigen Weg, sich an den Herren zu rächen. In São Francisco und in der Kirche links daneben gibt es im Kreuzgang schöne Azujelos, in der daneben zeigen sie praktisch einzige Darstellung von Lissabon vor dem Erdbeben. Auch sehenswert ist die Kirche Nossa Senhora de Rosario dos Pretos, gebaut von der Bruderschaft der Schwarzen, damit sie ihrem Glauben leben konnten. Dienstags um 18:00 ist afrikanische Messe, danach tobt der Bär im Peloourinho, vorallem im Sommer.

Von der Rosario dos Pretos geht es den Hügel hinunter und auf der anderen Seite wieder hinauf ins Carmo, auch dort Kirchen, Restaurants mit Blick über die Bucht, einfach erkunden!

Im Carmo

Im Carmo

Im Pelo gibt es abends fast immer irgendwo eine Bar mit Musik, eine Veranstaltung, eine Probe einer Trommelgruppe, vor allem aber im Sommer. Im Winter, im Juli und August ist nicht sehr viel los. Es ist auf seltsame Art touristisch und doch so einheimisch: Die weiße Oberschicht geht dort nicht hin, doch die Schwarzen leben immer noch dort.

Unbedingt sehenswert ist auch die medizinische Fakultät, das rosa Gebäude neben der Sé und in ihr das Braslinaisch-Afrikanische Museum mit den Darstellungen der Orixás von Caribé: Diese Holzpaneele strahlen eine erhabene Schönheit und Eleganz aus.

Campo Grande – Sete de Setembro – Barra

Sowohl von unten, gegenüber der Marina Bahia als auch vom Pelourino gelangt man mit dem Auto/Taxi/Bus zum Campo Grande, den großem Platz mit seinem Fort und der Oper. Einer der Karnevalsumzüge geht um dem Campo Grande. Von ihm aus führt die Straße Sete de Setembro nach Barra. An der Landseite findet frau immer noch einige alte Villen im Kolonialstil, so das Goetheinstitut, an der Seeseite dominieren Hochhäuser mit exklusiven Apartments: Pro Stock ein Apartment, oft mit eigenem Pool, oder auch mit Aufzug zum Meer, dort Pool und Restaurant. Der Yachtclub von Bahia ist in einem dieser Häuser.

Die Sete de Setembro führt bis Barra, mit dem Leuchtturm San Antonio, dem ältesten Leuchtturm auf amerikanischen Boden, einem exklusiven Einkaufszentrum, schicken Restaurants und wieder teuren Apartments, sowie Hotels, schönem Strand und Strandpromenade. Von hier aus, führt die Straße entlang des Meeres, die Orla, bis hinaus nach Praia Do Flamengo, kurz vor dem Flughafen. Ihr folgen wir gleich, erst nochmal zurück zum Comercio und nach

Ribeira – Senhor do Bonfim – Forte Monte Serrat – Boa Viagem

Vom Aufzug oder dem Comércio kann man wieder mit dem Auto oder Taxi nach Ribeira, dem einst noblen Vorort, fahren. Ganz vorne an der Landzunge sind einige Marinas, auch die Marina Pier Salvador, wo das Schiff für einige Zeit gelassen werden kann. Von dort kann frau mit dem Bus ins Zentrum fahren, ich habe nur für diese Rundfahrt jetzt ein Auto gewählt. In Ribeira gibt es die beste Eisdiele Südamerikas, sagen die Baianos. Von dort geht es zurück nach Senhor do Bonfim, der Wallfahrtskirche des Herrn des Guten Endes. Ihm werden heilende Kräfte zugesprochen, die Votivgaben und Dankesbriefe sind in der Votivkammer ausgestellt. Wer nicht dort war, war nicht in Salvador, sie gehört zu dieser Stadt wie der Dom zu Kölle. Oder zu Wien, je nachdem welcher Dom. Von dort stammen die bunten Bändchen, die frau sich mit drei Knoten und drei Wünschen ums Handgelenk bindet. Wenn das Band abfällt, sind die Wünsche erfüllt. Oder nicht mehr wichtig. Und natürlich werden diese Bänder um alles gebunden, an das sich etwas binden lässt: das Gitter, vor den Toren der Kirche, an Rückspiegel im Auto, an Hundehalsbänder…

Senhor do Bonfim

Senhor do Bonfim

Votivgaben in Bonfim

Votivgaben in Bonfim

Rechts von der Kirche erstreckt sich der Blick über eine endlose Favela.

Von Bonfim aus links über den Berg geht es zum Fort Monte Serrat, von dem aus frau einen schönen blick auf Salvador hat und auch auf den Strand von Boa Viagem, wo die Feste am heißesten sind. Wieder nur für die farbige Bevölkerung. Reich und Schön feiert lieber in teuren Clubs. Und ja das heißt, dass farbig immer noch eher am Rand der Gesellschaft stehend bedeutet.

Forte Monte Serrat

Forte Monte Serrat

Parallel zum Strand geht nach Boa Viagem, jener Kirche von der aus die Schiffsprozession am Neujahrstag losgeht – die Statue des Nosso Senhor dos Navigantes wird in einer venezianischen Gondel durch die Bucht gefahren.

Entlang der Orla: Barra – Rio Vermelho – Placaford – Itapuã

Zurück nach Barra und zur Orla, was Rand oder Ufer bedeutet. Barra liegt an der Spitze. Weiter an der Orla liegt der Stadtteil Rio Vermelho, das kulturelle Zentrum der Mittelschicht, mit Bars, Musik und Restaurants. Am Largo do Santana und am Largo de Mariquita in Rio Vermelho soll es das beste Acarajé der Stadt geben. Abends ist da immer etwas los. In Rio Vermelho ist auch die beste Churrascaria der Stadt, das Fogo de Chão. Außerdem ist dort das Haus von Jorge Amado, jetzt ein Museum.

In Rio Vermelho liegt neben einer kleinen Kirche am Strand auch der Tempel der Jemanjá. Dort findet am 2. Februar das Fest der Jemanjá statt. (Es gibt viele Schreibweisen).

Tempel der Iemanja

Tempel der Iemanja

Weiter geht es die Orla entlang, ziemlich lange, bis an einem der schönsten Stände Salvadors, Placaford, oder Plakafordschi, wie die Baianos sagen. Ich liebe diesen Blick! Der Stadtteil heißt so, weil dort einst ein großes Werbeplakat für Ford hing.

Kurz hinter Placaford, schon weit draußen, liegt Itapuã mit seinem berühmten Leuchtturm. Einst ein Fischerdorf, haben heute viele Wohlhabende ihr Wochenendhaus dort. Und wieder gibt es am „Dorfplatz“, dem Largo de Cira gutes Acarajé!

An den Stränden sind fast immer Surfer oder Kiter zu beobachten.

Spätestens jetzt führt die Straße hinauf zur Paralella, jener Straße die zu den Stränden außerhalb Salvadors führen.

Sehenswert in der Umgebung

Praia do Forte – Imbassai

Praia do Forte kann frau sich schenken, es sei denn in der Schildkrötenlaichzeit im Sommer (Dezember). Dann lohnt sich ein Besuch des Naturschutzzentrums, vielleicht mit Expedition zum Strand, wo die Schildkröten laichen. Ansonsten ist Praia do Forte heute ein Touristenzentrum, sehr hübsch, könnte aber überall auf der Welt sein!

Imbassai ist – noch – relativ ursprünglich. Wir kennen es noch mit Lehmpiste zum Strand, heute ist der Weg gepflastert. Das Besondere ist, dass frau einen kleinen Fluss durchwaten muss (naja, es gibt eine Brücke), um an den Strand zu kommen. Dort sitzen die Menschen dann im Fluss und lassen sich ihr Bier schmecken. Oder sie blicken von der Düne ins Meer – es ist ein Traum!

Zwischen Fluss und Meer

Zwischen Fluss und Meer

Eine ganz andere Richtung ist

Santo Amaro – Cachoeira – São Felix

In Santo Amaro steht die Wiege Brasiliens. Hier wurden die Herren reich durch Ausbeutung der Sklaven und durch Zuckerrohr. SA war einst Hauptstadt Brasiliens, es ist die Heimatstadt eines der größten Musikers des Landes: Caetano Veloso. Hier auf den Zuckerrohrfeldern wurde der Samba erfunden: Mit Ketten konnten die Sklaven nur in kleinen Schritten tanzen. Hier wurde auch Capoeira geübt, jener Kampftanz, mit dem die Skalven sich fit hielten – und bereit zuzuschlagen.

Santo Amaro liegt im Recôncavo, dem fruchtbaren Hinterland Salvadors. Der Markt dort ist einer der schönsten und eindrucksvollsten, die ich kenne. Und sicher, auch wenn es nicht so aussieht!

Die Fahrt nach Cachoeira und São Felix führt durch eine sehr schöne Landschaft – Ich weiß wirklich nicht, ob ich die Strände oder das Land mehr liebe!

Cachoeira und Sao Felix sind Zwillingstädte, links und rechts des Rio Paraguaçu gelegen. Über den Fluss führt eine Brücke, die vor etwa 100 Jahren über den Nil hätte führen sollen, doch irgendwie landete sie hier und wurde vergessen. Sie zu überqueren, zu Fuß oder mit dem Auto ist eines der letzten Abenteuer der Menschheit – viel gefährlicher als über den Atlantik zu schippern!

Cachoeira

Cachoeira

Beide Städte wurden reich durch Zuckerrohr und Tabak. Die alten Kolonialbauten sind wunderschön, seit Jahren sollen sie renoviert werden, sehr viel merkt frau nicht davon – die Zeit ist immer noch stehengeblieben, immer noch bringen Bauern mit Eselsfuhren ihre Waren zum Markt.

In São Felix war Dannemann zu Hause. Wenn ihr euch das Logo vorstellt, so stehen die Häuser hinter dem Kopf immer noch, mit blühenden Flamboyants davor. Dannemann produziert hier nicht mehr, es ist ein Kulturzentrum, mit Konzerten und Ausstellungen. Trotzdem kann man den Mädels immer noch beim Rollen der Zigarren zusehen. Montags ist zu, glaube ich, es gibt auch eine lange Mittagspause.

Nach São Felix und Cachoeira kommt frau auch mit dem Segelboot, wenn es nicht allzu viel Tiefgang hat bzw. der Skipper etwas abenteuerlustig ist – der Fluss ist nicht vermessen, versandet und hie und da felsig.

Baia dos Todos os Santos – Rio Paraguaçu

Auf Itaparica haben viele wohlhabende Salvadorianer ihr Wochenendhaus, auch sind die Marina und der Ankeplatz davor ein beliebtes Ausflugsziel. Der Ort hat eine hübsche keine Altstadt und recht gute Verpflegungsmöglichkeiten. Mehr unter Baia dos Todos os Santos und Marinas Salvador (PDF)

Maragojipe, kennen wir leider nicht, doch wurde sie uns immer wieder empfohlen. Wir waren mit dem Auto weiter den Fluss hinunter, in einem der Dörfer, Coqueiros, wo die Männer Lehm aus dem Fluss holen und die Frauen Schalen töpfern und brennen – alles sehr einfach! Ist allerdings eine Weile her, doch ich kann mir vorstellen, dass die Zeit dort stehengeblieben ist! Also unbedingt den Fluss hinauf, soweit ihr halt kommt!

In der Baía dos Todos os Santos liegen viele Inseln mit schönen Stränden vor denen frau ankern kann. Einfach ausprobieren!

Über die Bucht findet ihr mehr im Blog, im Widget auf der Seite und demnächst als PDF

Außerhalb der Bucht, etwas südlich von Itaparica liegt die

Ilha de Tinharé/Morro de São Paulo

Die immer noch fast autofreie Insel ist das beliebteste Kurzurlaubsziel der Mittel- bis Oberschicht. Sie bietet alles, was das Herz begehrt: Strandparty für die jungen (Rucksack)touristen, aber auch traumhafte, kilometerlange einsame Strände und wunderschöne Pousadas. Ja, es ist touristisch und doch so brasilianisch! Manchmal kommen morgens die Affen und klauen die Bananen von den Frühstückstellern…

Ilha de Tinhare

Ilha de Tinhare, Photo Melanie Feider

Und der Bem-te-vi ruft ununterbrochen: Schön dich zu sehen!

Nach Morro de São Paulo kann frau fliegen, oder mit der Fähre von Salvador (gleich neben dem Centro Nautico) oder von Valença aus fahren. Nach Valença geht ein Bus.

Mit dem Bus vom Busbahnhof Rodoviaria aus kommt frau auch in die

Chapada Diamantina

Diese einzigartige Landschaft liegt etwa fünf bis sechs Stunden Fahrzeit ins Landesinnere. Die Fahrt führt durchs trockene Sertão und vermittelt einen gewissen Eindruck von der Härte des Lebens Im Landesinneren. In der Chapada Diamantina gibt es wunderschöne und verwunschene Flüsse mit kleinen Badebecken, große blühende Tibouchinasträucher, Wasserfälle, Tafelberge, eine endemische Flora, Höhlen und die alte Diamantengräberstadt Lençois. Für Naturliebhaber und Wanderer ist die Chapada Diamantina sicher ein beeindruckender Ausflug! Vier, fünf Tage Zeit ohne Anfahrt sollte frau sich dafür nehmen, auch nicht nur in Lençois bleiben.

Wunderschön sind auch die anderen Gold und Diamantengräberstädte in

Minas Gerais

Ouro Preto – Diamantina – Congonhas – Tiradentes

Dorthin, in den Bundestaat Minas Gerais, gelangt frau wohl nur mit dem Flugzeug und Mietauto, einer Tour (von Rio aus) oder viel Abenteuergeist! Hier ist alles ein wenig gepflegter als in Bahia.

Ouro Preto und Diamantina sind gut erhaltene und gepflegte Gold- und Diamantengräberstädte. Der Kolonialstil der Häuser ist ähnlich, aber viel feiner, verzierter als in Salvador. Die Kirchen wirken bayrisch mit ihren barocken Gemälden und gleichzeitig wirkt auch alles ein wenig venezianisch – eine entzückende oder entsetzliche Mischung, je nach Geschmack.

Rund um die Kirche von Congonhas hat ein brasilianischer Bildhauer, Aleijadinho, außergewöhnliche und detailreiche Skulpturen der Apostel aus Stein gehauen. Und das obwohl er an einer Krankheit litt, die seinen Körper zersetzte: Er ließ sich die Werkzeuge an die Arme binden.

Tiradentes, benannt nach einem Zahnarzt, oder Zahnzieher – Tirar Dentes, der für Brasiliens Unabhängigkeit gekämpft hat, ist ein idyllisches Dorf, überquellend mit Blüten, reichen, gut erhaltenen Kolonialbauten, Kirchen und Fazendas inmitten einer üppig grünen tropischen Berglandschaft. Es ist der schönste Ort in Brasilien!

Von Minas Gerais gelangt frau mit dem Auto oder dem Bus nach

Petropolis – Rio de Janeiro

Natürlich kann frau auch nach Rio fliegen oder segeln!

Rio hat seinen eigenen Charme, allerdings blieb er uns bisher verborgen. Sicher ist Rio eine der schönsten Städte der Welt – also ansehen!

Uns hat Petropolis, die Sommerresidenz des brasilianischen Kaisers im Hinterland von Rio sehr gefallen. Die Straße dorthin führt durch eine Landschaft voller Zuckerhüte, sehr beeindruckend! Was den Charme von Petropolis sonst noch ausmacht? Ich weiß es nicht mehr, aber es hat was! Ich möcht‘ gerne nochmal hin.

Außerdem

sehenswert in Brasilien ist das Pantanal und der Regenwald rund um den Amazonas, beides kennen wir nicht. Doch der schönste und kraftvollste Platz dieser Erde liegt zwischen Brasilien und Argentinien:

Die Cataratas do Iguaçu

Das sind die Elemente Wasser und Land mit einem Hauch Luft und Feuer in einer atemberaubenden Kombination! Auf der brasilianischen Seite liegt ein altes Hotel nahe den Wasserfällen, vielleicht mittlerweile noch eines, auf der argentinischen Seite führen Stege durch die Wasserfälle. Beide Seiten sind bemüht, die Eingriffe in die Natur so gering wie möglich zu halten, so dass seine Schönheit und Kraft erhalten bleibt.

Ich liebe beide Seiten: Die Stege an kleinen und großen Wasserfällen vorbei ebenso, wie den Blick den frau von der brasilianischen Seite darauf hat. Es lohnt sich, im alten – teuren – Hotel im Park auf der brasilianischen Seite abzusteigen: Bei Sonnenaufgang hat frau die Wasserfälle für sich alleine – diese Regenbögen werde ich nie vergessen!

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Links neben dem Centro Nautico gehen die Busse nach fast überallhin ab, nach Bonfim und Ribeira gegenüber dem Aufzug

Es gibt ein ganz gutes Überlandbusnetz, der Busbahnhof heißt Rodoviaria.

Vom Pelo in der Nähe des Gouverneurspalastes gehen Busse zum Flughafen ab.

Sicherheit

Ist ein leidiges Thema in Salvador und Brasilien. Doch mit ein wenig Achtsamkeit und Hausverstand lassen sich die meisten Gefahrenquellen ausschließen:

  • Ab einer Stunde nach Einbruch der Dunkelheit geht kein Mensch zu Fuß, außer vom Auto/Taxi ins Lokal. Also immer mit dem Taxi fahren. Das heißt übrigens nicht, dass es nicht Plätze gibt, wo frau abends draußen sitzen kann, im Pelourinho, in Rio Vermelho oder Itapuan zum Beispiel.
  • Am besten immer bei den Einheimischen erkundigen, ob ein Strand, eine Straße oder eine Gegend sicher sind.
  • Nie mehr mitnehmen, als das, was frau notfalls bereit ist, zu verlieren. Kein Schmuck, keine auffälligen Kameras, Handys oder Tabletts, nur so viel Geld wie nötig.
  • Immer die Umgebung im Auge behalten
  • Wir haben natürlich keine Chance in Salvador als einheimisch durchzugehen, trotzdem lohnt es, sich wie die Einheimischen zu verhalten: Wie tragen die Frauen die Handtaschen, wo haben Männer das Geld, wie kleiden sich die Menschen, wie verhalten sie sich, etc. Mit etwas Geschick geht ihr dann als Paulistas oder Gauchos, also Leute aus Sao Paulo oder dem Süden Brasiliens durch. Das ist schon hilfreich!

Unserer Erfahrung nach sind 100% der Baianos liebevolle, lebensfrohe, äußerst hilfsbereite, vertrauenswürdige, ehrliche und gläubige Menschen. Was nicht heißt, dass nicht der eine oder andere durch innere oder äußere Not, sei es durch Armut, Ohnmacht, Drogen, Wut oder Angst sich nicht dementsprechend verhält.

Diesen Artikel als PDF zum Ausdrucken ohne Fotos findest du hier: Brasilien – Bahia

 

 

26. April 2015
von Steffi
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Tia – Ilha dos Frades

„Tia“ – Tante, nennt mich Lucas, so wie wir als Kind früher die Freundinnen der Mutter Tante gerufen haben, auch wenn sie nicht zur Verwandtschaft gehörten. Lucas ist das Kind, mittlerweile ein junger Mann, das wir hier füttern, zumindest geistig, denn wir unterstützten ein wenig seine Schulbildung und sorgten dafür, dass er in einer sicheren Umgebung aufwächst.

Lucas und Joselito

Lucas und Joselito

„A Senhora“ oder „Donna Stefanie“ nannte mich Dalva, seine Mutter respektvoll, damals als sie meine Wohnstatt für mich sauber hielt. Mittlerweile sind wir längst bei „Stefanie“ angelangt, Steffi kann sie nicht aussprechen. Zwischen uns liegen Welten, in Hautfarbe, Kultur, Bildung, sozialen Status und Einkommen und dennoch gelingt es uns irgendwie, die Balance zwischen Geben und Nehmen zu halten und einander auf Augenhöhe zu begegnen. Aber vielleicht ist das auch nur die Illusion einer, mit der es das Leben gut meint.

Dalva und ich

Dalva und ich

Kennengelernt habe ich Dalva, als sie mit einem Putzkommando im Auftrag von Tomys Arbeitgeber unser Haus beim Bezug einer Grundreinigung unterzog. Sie sah alles, scheuchte ihre Kollegen herum, gab ihnen Anweisungen und war selbst am fleißigsten dabei. Spätestens als sie die Kollegen die Leiter hochklettern und die salzigen Wände abwaschen ließ, war mit klar: Die und keine andere sollte zweimal in der Woche bei uns für Sauberkeit sorgen.

Und sie räumte das Zimmer der pubertierenden Zwillinge auf – muss ich wirklich Details erwähnen? Sie putzte die Fenster, wischte den Staub, wusch das Geschirr, schrubbte die Bäder, vier an der Zahl, denn in Brasilien gehört zu jedem Schlafzimmer eines, bügelte die Wäsche, überzog die Betten, sprach mit mir Portugiesisch und als sie mittags damit fertig war, begann sie Plastiktüten fein säuberlich zu falten.

Zumindest beim ersten Mal, denn ich schickte sie nach getaner Arbeit nach Hause zu ihrem kleinen Sohn, ihrem ganzen Stolz, ihrer Hoffnung. Manchmal musste sie ihn mitbringen. Immer kam er adrett und sauber gekleidet, zog sich dann um, damit er im Garten spielen konnte, während sie seine Lunchbox mit frischen Früchten in den Kühlschrank stellte.

Lucas war – und ist – wiff, hatte immer gute Noten, war Klassenbester. Und Dalva war klug genug, kein zweites Kind zu bekommen, so gern sie ein kleines Mädchen gehabt hätte: Sie wusste genau, dass sie nur einem Kind eine halbwegs solide Bildung finanzieren konnte, während zwei Kinder sie für immer in Armut halten würden. Und sie hatte einen Mann an ihrer Seite, der liebevoll, umsichtig und stark für seine kleine Familie sorgte.

Und manchmal halfen wir mit. Sie sind unsere brasilianische Familie.

Mittlerweile hat sich Dalva zur Buchhalterin hochgearbeitet. Mehr als Salario minimo bekommt sie allerdings nicht dafür – sie hat ja keine Ausbildung! Und – typisch frau – sie will da nicht weg, die Kollegen sind so nett!!!

Letztes Wochenende luden wir sie alle ein, mit uns zwei Tage lang in der Bucht zu segeln. Weder Dalva noch Lucas waren je in Itaparica oder auf einer der Inseln gewesen. Wir motorten in die kleine Bucht im Süden der Ilha dos Frades. Die Schoner Boote legten gerade Richtung Itaparica ab, der schöne Strand blieb uns allein überlassen. Leider war uns schnell klar, warum: Die Strandbars dort sind unverhältnismäßig teuer. Also tranken wir nur ein Bier, Dalva, Cássia, Lucas Freundin und ich stapften die Treppe zu der kleinen, weiß-blau gestrichenen Kirche hinauf. Dalva war entzückt: Diese Aussicht! Das türkisfarbene Meer, die grünen Bäume davor, im Hintergrund die Stadt – ja, es ist schön hier! Mich faszinierten allerdings die Geier am meisten, die fast zum Greifen nah über die Klippe und unsere Köpfe segelten. Wunderschöne Vögel sind das!

Lucas tauchte im Meer, Tomy bewachte unsere Klamotten und Joselito handelte den Preis für das Bier herunter, danach fuhren und schwammen wir zurück zum Schiff. Zwar hätte es noch einige einsame Strände zu erkunden gegeben, doch wir hatten Hunger. Dalva hatte köstliche Kibe, Feijao tropeiro und Molho de pimenta mitgebracht – arabisch-brasilianische Hackbällchen, Bohnen und scharfe Soße. Einfach köstlich!

Da der Ankerplatz zu ungeschützt für die Nacht ist, segelten wir danach nach Itaparica, wo wir mit Tom von der Cariad und Kathie und Franco von der Caramor Pizza essen gingen. Kathie verfeinerte ihr Portugiesisch mit Joselitos Hilfe. Am nächsten Tag drehten Lucas und Cassia noch eine Runde mit dem Dinghi durch den Ankerplatz, dann ging es zurück nach Salvador.

Lucas mit Freundin

Lucas mit Freundin

Foi um passeo bom, mutio bom! War ein schöner Ausflug!

Kaum sind sie weg, sitze ich fassungslos am Niedergang: Niemals, nicht mal unter Androhung von Gewalt wäre ich fähig die Decken so makellos faltenfrei auf die Sitzpolster zu legen! Wie macht Dalva das? Sie muss magische Hände haben!

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23. April 2015
von Steffi
Keine Kommentare

Zweites Paradies am Höllenschlund

Krebse! Millionen Krebse!

Nur unter großem Gezetere zieht Tomy mir zu Liebe das Dinghi auf die Sandbank neben dem Mangrovensumpf. Ich habe meine Flip Flops längst ausgezogen, sie saugten sich im Schlamm fest, doch barfuß ist ein wunderbares Gefühl: Der feine Schlamm fühlt sich seifig-cremig wie Ghassoul an, jene marokkanische Pflege, mit der ich mich gerne wasche. Die Krebse stören mich nicht, obwohl sie sich spinnenartig bewegen, sie fliehen bei der kleinsten Erschütterung und verkriechen sich tief im Schlamm.

Millionen Krebse fliehen vor mir

Millionen Krebse fliehen vor mir

Tomy bleibt im Dinghi sitzen, während ich die Sandbank erkunde: in der Ferne laufen Kinder, in der anderen Richtung stapfen weiße, Reiher-artige Vögel im Schlamm. Über uns kreisen die schwarzen Geier und die Bem-te-vis begrüßen mich mit ihren meisenartigen Ruf. „Zizibe, Zizibe!“ rief mein Onkel Franz im Frühjahr die Meisen, jener, der sich um die neugeborenen Kätzchen kümmerte, und dem man nachsagte, dass er mit den Tieren reden konnte. Mag ich deshalb den Ruf des Bem-te-vi so gerne? Weil er mich in die Zauberwelt meiner Kindheit entführt?

Tropische Wattlandschaft

Tropische Wattlandschaft

Tomy sitzt immer noch im Dinghi, als ich wiederkomme, wenigstens ist er nicht mehr mürrisch.

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Später treffen wir uns mit Tom, Anja und Thomas am Dorfplatz auf ein Bier. Oder zwei. Oder…

Auf den Stromdrähten balancieren die Macacos, die kleinen Affen. Ein Junge wirft Knallkörper, doch nur wir erschrecken und sind von dem Krach genervt. Die Dorfpolizisten führen einen Schwerverbrecher in Handschellen ab, begleiten ihn schwerbewaffnet zur Fähre. Die Beweismittel, bunte Vögel im Käfig, tragen sie nebenher.

Gefangene Vögel

Gefangene Vögel

Wir drehen noch eine Runde durch den Ort, fotografieren die Marterln, die an jeder Ecke stehen. Autos gibt es hier keine, nur Mopeds, Fahrräder und kleine Baufahrzeuge. Der gesamte Ort wird neu gepflastert, das Ufer, soweit öffentlich, neu angelegt. Saveiros und Lastenkähne bringen die Pflastersteine, gerade so viele, wie an einem Tag verarbeitet werden können. Vieles ist einfach hier, und doch blüht das Leben. Die Menschen helfen einander, Nixon von der Bierbude, passt nicht nur auf unsere Dinghis auf, er hilft auch beim Entladen der Dachziegel. Alles wird per Boot gebracht: Getränke, Spülbecken, Waschmaschinen…

Nixons überdachte Bierkühltruhe ist ein großartiger Aussichtspunkt!

Daumen hoch für Nixon

Daumen hoch für Nixon

Anja, Thomas und Tom haben gut gegessen, obwohl keines der Restaurants im Ort offen hatte: Die Dame im Supermarkt hatte sie durch den halben Ort geschleppt und an jeder Tür gefragt, ob sie genug für die Drei hätten. Eine Familie hatte Huhn, Reis, Bohnen, Salat und Cola für 40 Real. Ich frage später in einer Bar nach Essen, doch nein, hier gibt es nur Flüssignahrung. In der Ecke wird zwar gegrillt, doch das sei privat.

Kurze Zeit später steht Privat lächelnd mit einem fliegenumschwärmten Teller voller Farofa, jener staubigen Beilage, die die Baianos so lieben, und einem gegrillten Fisch vor uns.

Anja staubt

Anja staubt Farofa

Wieder sind wir von diesen freundlichen, vom Tourismus noch völlig unverdorbenen Menschen eingeladen. Ja, es ist das zweite Paradies.

Heimfahrt

Heimfahrt

Die Hölle, das Feuer der Raffinerie, liegt gleich dahinter. Auch zu Hause sehe ich in der Ferne manchmal die Flamme, mit der Gase bei Bayer Leverkusen abgefackelt werden. Mehr als ein Schein hinter dem Berg ist es auch hier nicht. Und doch pulsierte es brüllend in der ersten Nacht, schwellte an und ab, ja, die Druckwelle war fast körperlich spürbar, zumindest dachten wir das. Vielleicht kommt das rhythmische Brüllern und Gewittern auch vom Laden der Schiffe, doch wir bringen es unwillkürlich mit dem Feuer zusammen. So muss es sich am Rande jenes Höllenschlundes anfühlen, in dem Frodo den Ring werfen muss…

Beides, Geräusch und Gefühl, sprechen eine Urangst an, gegen die es sich schwer wehren lässt. Wie schaffen es die Menschen hier, trotz dieses Stresses, so freundlich zu sein? Gleicht die Natur das aus?

Wir lassen uns auf zwei weitere Nächte ein, und siehe da, diesmal ist die Hölle leise…

Petrochemie

Petrochemie

22. April 2015
von Steffi
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Ilha do Bom Jesus

Gemeinsam mit Tom machen wir uns von Itaparica aus auf den Weg in den Norden der Ilha dos Frades. Dort soll es einen schönen Ankerplatz in einer Lagune geben. Thomas und Anja von der Robusta wollen auch kommen.

Grün ist sie, die Insel der Jesuiten, voller Kokosnusspalmen, Atlantischen Regenwald, Mangroven und vorgelagerten Sandbänken. Im ihrem Norden liegt die Ilha do Bom Jesus, mit ihren bunten Häuschen, dahinter die Petrochemie. Noch bevor wir uns an ihr stören können, biegen wir nach rechts in die Lagune. Kleine Inseln liegen in ihr, mit Mangroven bewachsen, eine mit einem neuen Hotel, das aus irgendeinem Grund noch nicht geöffnet ist (Später stellt sich heraus, dass es eine private Residenz ist). Sieht alles nach wohlhabenden Menschen aus! Und doch ist da jede Menge Natur! Schön ist es hier!

Hotel zwischen Ilha des Frades und Ilha do Bom Jesus

Residenz zwischen Ilha des Frades und Ilha do Bom Jesus

Gegenüber von unserem Ankerplatz wird ein Saveiro entladen. Mit diesen alten, breiten Kähnen werden immer noch Lasten in der Bucht transportiert: Mit ihren riesigen Segeln an einem natürlich gewachsenen Stamm sind sie unglaublich schnell, durch ihren geringen Tiefgang kommen sie auch über die Sandbänke.
Es ist schon fast irreal: Mit dieser Art Boot fuhren wohl schon die Indios in der Bucht, lange bevor die Portugiesen kamen. Wenige Kilometer dahinter liegt die Raffinerie, wo modernster Treibstoff hergestellt wird…

Ein Saveiro wird entladen

Ein Saveiro wird entladen

Gemeinsam mit Tom machen wir uns auf, die Ilha do Bom Jesus zu erkunden. Einladend sah sie schon von weitem aus, doch erst mal finden wir keinen Platz zum Anlanden. Die große, neue Steganlange uns gegenüber führt auf ein verwahrlostes Privatgrundstück, aus dem kein Entkommen ist. Also fahren wir mit dem Dinghi durch die Mangroven um die Insel herum: Boote aller Arten, Einbäume, Fischerboote, Motorboote, kleine Schoner und Lanchas liegen vor fast jedem Haus. Viele Häuser stehen auf Stelzen im Wasser, mit privaten Stegen oder Bojen davor, doch überall sind Tore, Mauern und Türen, keine Öffnung für uns. Ein junger Mann auf einem kleinen Lancha winkt uns überschwänglich, grüßt mit Daumen hoch. Er freut sich offensichtlich, uns zu sehen und deutet uns an, dass wir um die Ecke fahren sollen. Auch dort ist eine Mauer, vor einer Gschtetten, Wiese mit Baustelle, da sollen wir das Dinghi lassen können?

Wo können wir landen?

Wo können wir landen?

Doch schon wird uns wieder gewunken, drei Männer vor einer überdachten Kühltruhe geben uns zu verstehen, dass wir hier festmachen können. Sie nehmen die Leine entgegen, zeigen uns den besten Platz zum Festmachen. Klar, dass wir dort ein Bier trinken!
Die zwei Gäste sind nicht mehr Herr ihrer Zunge, doch sie beteuern, dass dies hier das zweite Paradies ist, alles ehrliche Leute hier, wir bräuchten keine Sorge zu haben. Das strahlende, offene Lächeln des jungen Wirtes, der alles auch noch in verständlichem Portugiesisch wiederholt, tut sein Übriges.
Die Dorfkinder gesellen sich zu uns, blicken begehrlich zum Dinghi. Wir sehen es schon von ihnen okkupiert, doch die drei Männer versichern uns, dass sie darauf aufpassen werden.

Bezahlen lassen sie uns auch nicht. Wir wären selbstverständlich eingeladen.

Die Dorfstraße ist neu gepflastert. Am Platz spielen die Kinder Fußball. Wir werden neugierig beäugt. Vor den Häusern sitzen die Alten, so wie überall auf der Welt, und schauen, wer da vorbeigeht. Alle grüßen mit diesem hinreißenden baianischen Lächeln – als ob die Sonne aufginge! Wie ich es liebe!

Wo ist das Tor?

Wo ist das Tor?

Ein Wurf Welpen spielt im Staub, wir können gerne einen mitnehmen, sagen die Nachbarn. Diesen Augen widerstehen!

Aber nein, weder Tom noch wir können einen Hund an Bord brauchen!

Die nächste Überraschung wartet neben der Kirche: Dieser Ort hat eine Philharmonie! Und das seit über 100 Jahren! Mir bleibt der Mund offen stehen…

Die Philharmonie

Die Philharmonie

Derweil entdecken die Männer die Robusta: Sie kommt hart am Wind von Salvador herübergesegelt, motoren kann sie ja nicht, der Motor ist kaputt.

Um die Ecke spielen ein paar Männer lautstark Domino auf der Straße vor der Kneipe. Die Frauen sitzen am Tisch daneben, wieder grüßen alle freudestrahlend und mit dem Daumen nach oben. Carne do Sol hat der Wirt nicht, aber Carne Seca aus dem Sertão, mit Puree de Aipim. Auch gut! Flugs wird ein Tisch für uns freigemacht, kaltes Bier gebracht und bald auch schon eine Schüssel mit Essen und drei Teller. ‘Nen Stern würde ich dem Koch nicht dafür geben, doch es ist schmackhaft, spottbillig und wir fühlen uns willkommen und wohl. Derweil walken Frauen ihre abendliche Runde, Väter tragen ihre Kinder herum, Pärchen bummeln Hand in Hand vorbei – so gut wie alle lächeln uns an.

Wieder haben wir Wunderbares gefunden, ohne zu suchen – Serendipity!

Und alle drei vereint, Cariad, Robusta und Yemanja, sind wir auch wieder.

Danke!