13. Oktober 2015
von Steffi
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Einmal München – Antalya, bitte

Das Buch „Gewittersegeln“ hatte mir so gut gefallen, dass diesmal ich Susanne Guidera vom Verlag Millemari. fragte, ob ich eine Rezension von „Einmal München – Antalya, bitte“ von Thomas Käsbohrer schreiben sollte. Wieder dauerte es etwas länger, bis ich endlich die Muße dazu fand.

Autor und Buch

Nachdem Thomas Käsbohrer seinen Job verloren hat, erfüllt er sich seinen Traum und segelt ein halbes Jahr lang einhand auf den alten Handelsrouten des Mittelmeeres von Slowenien in die Türkei.

Meine Erwartung

Wer ein Buch kauft, erwartet sich etwas vom Lesen: Unterhaltung zum Beispiel, einen Wissenszuwachs oder auch eine veränderte, hilfreichere Perspektive beim Blick aufs eigene Leben. Ich wusste, dass der Autor, seinen Job verloren hatte und nun die Gelegenheit nutze, um sich seinen Traum zu erfüllen. Meine Erwartung war daher, neben Land, Leuten und Segelabenteuern auch an seinem inneren Wachstum oder der – vermuteten – Veränderung seines Blickes auf sein Leben teilnehmen zu können. Ich hoffte auf Reflexion angesichts der Natur und des Erlebten. Letztere Erwartung wurde im ersten Kapitel durchaus noch verstärkt, dann enttäuscht, und das machte es mir anfangs schwer, mich in das Buch einzulesen. Auch ging mir zu Beginn die gefühlte 100fache Wiederholung des groß geschriebenen Schiffsnamens LEVJE ziemlich auf den Wecker.

Ich glaube, hätte ich nicht ein Versprechen gegeben, so hätte ich das Buch nach wenigen Seiten weggelegt. So aber las ich weiter.

Und wurde belohnt: Inhalt

Zuerst lag das an Venedig, dann an den Menschen. Da meine Freundin in Venedig wohnt, konnten wir letztes Jahr vor dem Start unserer eigenen Reise, fast eine ganze Woche in dieser Stadt verbringen. So nahm Thomas Käsbohrer mich mit in meine Erinnerungen, an Plätze, die der Durchschnittstourist nicht kennt, in die wir uns dennoch verliebten. Und genau das macht auch den größten Zauber des Buches aus: Die Orte, von denen er erzählt, sind selten die, in die alle Welt reist. Doch oft sind sie Zeugen von vergangener Größe, von den Dauniern, den Vogelmenschen zum Beispiel, von denen wir fast nichts wissen, von den Venezianern und den Römern. Immer wieder nimmt Thomas Käsbohrer den Leser mit in die Geschichte – er ist vom Fach. Er schafft es, vergessenen Orten Erinnerung einzuhauchen.

Millemari.

Foto:. Millemari.

Und er lässt Geschichte leben, indem er Geschichten erzählt, vor allen Dingen von den Menschen am Meer, von einem Leben, das oft hart, aber nie sinnlos ist. Immer ruhig, gegenwärtig. Er beherrscht die Kunst, langsam zu reisen und zu erzählen. Er schafft es, die Zeit still stehen zu lassen, die gegenwärtige Größe einzufangen, wenn er von Slobo mit der Poliermaschine, der Ausbildung der Gondolieri, dem einsamen Seemann, der in aller Ruhe ein Holzboot repariert, von Fischern und Verkäufern, von segelnden Katzen, Mönchen in Griechenland, einer hoffnungsschwangeren jungen Türkin und vielen anderen Menschen schreibt.

Eines ist dieses Buch jedoch nicht: Ein Buch vom Segeln. Sicher, vier, fünf Kapitel sind auch dem Segeln gewidmet, doch wer ein typisches Segelbuch erwartet wird eher enttäuscht sein.

Zu guter Letzt erzählt er doch noch ein wenig von sich, von seiner Angst und von dem was diese Auszeit mit ihm gemacht hat. Davon, welche Chancen eine lange Segelreise, eröffnet: Das Wichtigste zu finden – was das für ihn ist, müsst ihr schon selbst herausfinden!

Millemari.

Foto: Millemari.

Multimedia

Das Buch ist in der PDF-Version lesetechnisch gut durchdacht, und optisch ansprechend gestaltet. Wie das erste Buch, das ich aus dem Verlag Millemari. las, beeindruckt es durch seine Fotos und „Verlinkungen“:

Fotos und Text halten sich die Waage, so ist es gleichzeitig ein Fotobuch und ein Lesebuch. Die Fotos, oft über eine halbe oder ganze Seite, zeigen das Meer, oft die Menschen oder Orte der Erzählungen. Historisches ist auch dabei. Sie haschen nicht nach Applaus, sie erzählen unaufdringlich ihre eigene Geschichte: Die vom unendlichen Blau des Meeres, von seinen Küsten, der Arbeit der Menschen am Meer, vom Glauben und vom Seinlassen.

Wieder sind es diese Fotos, die ich gerne in Print gesehen hätte, auch wenn sie m Bildschirm schöner leuchten mögen. Da bin ich einfach altmodisch!

Von den Videos sind die URLs angegeben, und da bin ich jetzt im Zwiespalt: Diesen Artikel endlich veröffentlichen oder warten, bis ich wieder so gutes Internet habe und mir die Filme ansehen kann? Ich warte: Die Videos sind eine abwechslungsreiche Ergänzung, nicht zu lang. Vermissen würde ich persönlich sie allerdings nicht.

Der Wermutstropfen

Leider wird der Lesefluss durch eine irritierende Interpunktion (z.B. Doppelpunkt vor dass), mir fremder Schreibweise von Fremdwörtern (z.B. Quvarner für Kvarner), Hinweisen auf Fotos oder Videos, wechselnde Zeiten sowie Nichtvorstellen von gelegentlichen Mitreisenden (wenn sie das denn waren) unterbrochen. Auch die Themen – Segeln, Menschen, Orte, Dinge, Geschichte, Reflexion – sind nicht homogen. Mir kommt vor, Herr Käsbohrer hat seine liebsten Blogartikel einfach zu einem Buch zusammengestellt. Leider macht ein guter Blog nicht zwangsläufig ein gutes Buch: Ohne Überarbeitung wird das einfach nicht rund.

Auch wenn Sonne und Mond rund sind, lieben wir doch auch das zackige Funkeln der Sterne!

Fazit

Gerade jetzt, da ich das Buch abschließend durchblättere, erliege ich diesem Funkeln: Was auch immer mich beim Lesen störte: Ich mag Thomas Käsbohrers Erzählungen vom Leben am Meer. Es wohnt ihnen eine stille Liebe zum Leben inne. Und das macht dieses Buch so lesenswert.

Ausgaben:

Cover Millemari.

Cover: Millemari.

Einmal München – Antalya, bitte.
Von der Kunst, langsam zu reisen
322 Seiten, eBook in allen Formaten 9,99 €
322 Seiten Buch, 24,99 €
978-3-946014-27-0
Verlag Millemari. www.millemari.de (Werbung)

Wer „Meer“ haben will: In seinem Blog www.marepiu.blogspot.de gibt Thomas Käsbohrer der vergangenen und gegenwärtigen Geschichte im Mittelmeer Gesichter. Werbung für sein Buch und den dazugehörigen Film macht er auch.

12. Oktober 2015
von Steffi
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Wie wir fast das Schiff abfackeln

Erst hole ich mir einen Sonnenbrand, weil ich beim Kranen des Schiffes zu lange in der Sonne stehe, dann schmiere ich mir Chili auf den kleinen Finger und kann die halbe Nacht nicht schlafen. Und weil es immer dreimal brennt, fackeln wir auch noch fast das Schiff ab.

Das Gute daran ist, dass wir somit die „Aller guten Dinge sind drei“ hinter uns haben: Der Motor müsste jetzt wieder gekühlt bleiben.

Gut ist auch, dass wir an Bord waren und Tomy gerade Werkzeug wegräumen wollte. Welches er fallen ließ.

Mit einem „Verdammt“ stürmte er hinaus, um den Stecker aus der Steckdose zu ziehen: Eine der Batterien kochte. Die ist also hin. Kaputt.

Also brauchen wir vier neue. Die erstens nicht vorrätig, zweitens nicht billig sind. Was unsere Pläne etwas durcheinander bringt. Aber gut, wenigstens ist das Weihnachtsgeschenk für Tomy schon mal erledigt…

Wir wollten ja auch noch gar nicht weiter, denn Leentje feierte ihren 50. Geburtstag. Wir begannen den Abend bei der Jam Session im Solar d’Uniao, gleich neben der Bahia Marina gelegen: Sonnenuntergang mit Blick auf die Bucht und gute Musik! Kann es uns besser gehen? Nach dem Abendessen im DAS in der Bahia Marina waren wir auch noch rundum lecker satt (und ein wenig betrunken)! Danke, Leenje und Patrick, für den schönen Abend!

Solar (3)

Da am Montag der Tag des Kindes und somit Feiertag ist, wollten wir am Sonntag nicht nach Itaparica – es wird voll und laut sein. Wir erkundeten lieber die Graffitis beim Ferry Terminal, die im Frühling anlässlich des Stadtjubiläums entstanden.

 

9. Oktober 2015
von Steffi
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Auf dem Trockenen

Ein wenig unwillig quälen wir uns um sechs Uhr morgens aus dem Bett. Vor allem Tomy protestiert: „Um sieben arbeitet da doch noch keiner!“

Doch er irrte.

Schon Anfang September hatten wir mit Carlos, DEM Mann für alle Fälle in der Bahia Marina, völlig problemlos per Email einen Termin für Wartungsarbeiten an Yemanja ausgemacht.

Allerdings hatte die Mariana an unserem Wunschdatum keinen Krantermin mehr frei. Den haben wir dann schnell persönlich organisiert, nur Carlos war nun nicht aufzutreiben. Ihn fanden dann Leentje und Patrick. Wir, also Yemanja und Silmaril, sollten um sieben Uhr morgens in der Marina sein, damit ein Taucher schon mal die Muscheln abkratzen konnten, um acht könnten wir dann raus und Carlos hätte pro Schiff drei Leute abgestellt. So weit so gut – für baianische Verhältnisse wirklich gut gelaufen.

Tatsächlich war auch der Taucher um sieben Uhr morgens schon einsatzbereit. Carlos war ebenfalls da, hatte alles im Griff. Fast. Denn wie sich später herausstellte, war ihm doch nicht ganz klar, dass zwei Schiffe kommen würden. Um es kurz zu machen: Drei Mann pro Schiff waren es dann doch nicht.

Silmaril hing als erste in den Gurten, die sorgfältig von dem Taucher platziert wurden. Ebenso sorgfältig wurde sie auf dem Trockengerüst abgesetzt. Yemanja wurde gegen elf Uhr genauso sorgsam aus dem Wasser gehoben und auf Stützen abgesetzt. Da schabte schon ein Arbeiter die Muschelreste von Silmaril.

Unser Schiff sah recht gut aus. Die Schraube war gut gängig und praktisch ohne Bewuchs, die Opferanode in gutem Zustand, nur der Kiel ein wenig rostig, da sollen wir noch eine Opferanode dranmachen. Die heißen so, weil sie sich quasi für das Schiff aufopfern: Wenn man zwei verschiedene Metalle in Salzwasser tut, fließt Strom. Damit hätten wir im Chemieunterricht eine Glühbirne leuchten lassen. Sagt Tomy. Ich kann mich nicht erinnern. Jedenfalls wird das schwächere Metall zerstört und damit das weder die Schraube noch der Kiel ist, opfern sich die Anoden.

Gespräch unter Experten

Gespräch unter Experten

Nachdem Tomy die Schraube geschliffen, poliert und geschmiert hatte, legten Carlos Leute am frühen Nachmittag los, befreiten Yemanja von jeglichen Muschelresten und schliffen das Unterwasserschiff.

Eine Weile noch beobachtete ich die Arbeiten auf der Werft: Ununterbrochen werden Schiffe millimetergenau mit einem Traktor hin und her geschoben, gelenkt mit einer Stange an der Achse. Daneben wird ein Schiff blau gesprüht, im Wind, ohne Mundschutz. Es stinkt nach Farbe, Diesel und Epoxy. Auch Palmen werden hin und hergeschoben, wer weiß wohin. Die Gärtner stellen eine Leiter aufs Gerüst, lehnen es an die Palme und gut is‘ es. Wir kennen das, trotzdem fuhren wir kopfschüttelnd zu unseren Freunden, wo wir schliefen. Denn das Gelände wird nachts von Hunden bewacht. Die sind bestimmt nicht so zutraulich wie Nega!

Am nächsten Morgen war Tomy schon um 8 Uhr in der Marina, während ich flottes Internet bei Freunden genoss… Als ich um halb drei kam, glänzte unser Schiff obenrum schon cremeweiß poliert und untenrum zur Hälfte gestrichen.

Yemanja glänzt wieder

Yemanja glänzt wieder

Fabio, ein junger Mechaniker hatte gewissenhaft das Kühlsystem des Motors untersucht, die Schläuche freigeblasen und den Wärmetauscher gesäubert. Gefunden hat er, was wir erwartet haben: nichts. Jedenfalls keinen Impellerflügel oder sonstiges, das den Wärmetauscher hätte blockieren können und für das Heißlaufen des Motors verantwortlich sein könnte. Rausnehmen konnte er ihn nicht, dafür muss der ganze Motor ausgebaut werden. Und das ist nicht so einfach.

Noch einen Tag später schwimmt Yemanja wieder im Wasser, glänzend poliert, sauber gestrichen und der Motor schnurrt auch und ist dicht. Ob jetzt alles cool bleibt, werden wir sehen. Carlos fotografiert ununterbrochen unser Schiff. Er hat feuchte Augen:

„Mein erstes Schiff hieß Yemanja. Es kostete den Gegenwert von rund 1000 Dollar. Vor fast vierzig Jahren! Ein halbes Jahr bin ich ununterbrochen getaucht, hab Langusten hochgeholt, dann gehörte sie mir.“ Wenige Jahre später holte er mit einem anderem Schiff 8 bis 20 Tonnen Fisch aus dem Meer. Er heiratete und begann ein neues Leben. Er kommt aus der Favela neben dem Solar d’Uniao, gleich neben der Marina. Heute lebt er in Rio Vermelho. Aus Carlinhos wurde mit der Zeit Carlos, und auch Carlão, so etwas wie Karl, der Große – Er gilt als der Beste der Werkstättenchefs auf der Werft in der Bahia Marina, jeder kennt ihn, jeder spricht anerkennend von ihm. Seine Kontaktadresse findet ihr unter den Tipps Marinas in Salvador, oder auch auf Noonsite.

Wir fuhren zurück in die preiswertere Marina Centro Nautico: Wir müssen einkaufen, werden am Wochenende Leentjes großen Geburtstag feiern und dann geht es nach Morro de São Paulo und Camamu.

7. Oktober 2015
von Steffi
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Nega – Haut und Knochen Teil II

Nega, so heißt die Hündin auf Itaparica, die vor einigen Monaten unser Mitleid erregte, weil sie säugte und nur mehr aus Haut und Knochen bestand. Ja, sie hat einen Namen! Sie hat einen Gefährten namens Viero, der genauso sanft wie sie seine Streicheleinheiten einfordert. Wie vor vier Monaten schmiegt sie beharrlich ihren Kopf in meine Hände, hebt ihre Pfote zum „High Five“ Gruß, um sie dann in meinem Schoß abzulegen, damit ich ja nicht vergesse, sie zu streicheln, zu kraulen, zu liebkosen. Von der Tango of Sweden, die auch wieder hier ist, erfahre ich ihren Namen und dass sie und die anderen Straßenhunde gefüttert werden. Ihr Fell sieht gut aus, alle ihre Wunden sind verheilt. Ich freu mich!

Nega 3

Nega mit ihrem liebevollen Wesen und sanften Augen ist so eine Bereicherung für diese Welt!

Ich habe in der Marina in Ribeira nicht nach der anderen säugenden Hündin gefragt, zu groß war meine Angst vor der Antwort. Wohin sind ihre Jungen verschwunden? Wohin sie selbst? Ich will es gar nicht wissen…

So verließen wir Ribeira vor gut 10 Tagen, fuhren nach Aratu, um Leentje und Patrick zu treffen. Drei Tage können Mitglieder eines anderen Segellclubs dort frei an einer Boje liegen. Ich musste einiges an Überzeugungsarbeit leisten – wohlgemerkt auf Portugiesisch – bis die Dame an der Rezeption bereit war, die Mitgliedschaft im TransOcean anzuerkennen! Aber es klappte!

Nach dieser schweren Arbeit zogen wir das Großsegel hoch und legten ab nach Itaparica. Was dann folgte, war Segeln vom Feinsten. Mit katastrophalem Trimm – den untersten Mastrutscher konnten wir auf Grund der Windstärke immer noch nicht einfädeln – rauschten wir mit bis zu sieben Knoten dahin. Der Wind kam von hinten oder von der Seite, 15 Knoten, keine Welle, Sonne. Und Tomy steuerte zufrieden, ich kann dem einfach nichts abgewinnen. Mir tut nach zehn Minuten hinterm Steuer alles weh, von den Füßen bis zum Rücken.

Jetzt im September ist in Itaparica wochentags einfach gar nichts los. Die Sommersaison hat noch nicht begonnen, der Ausklang derselben mit all den ausländischen Seglern ist vorüber. Wir sind fast alleine da: Die Brasilianer bereiten sich auf die Saison vor, Lady Free wartet in Aratu auf die Capitana. Silmaril kommt einen Tag später, weil sie noch auf ein Ersatzteil wartet, Tango of Sweden trudelt im Laufe des Tages ein. Sie hatten Freunde vom Flughafen abgeholt. Jochen, unser alter Segelfreund, ist in Santo Andre, seine Frau in Deutschland.

Abends treffen wir Leentje und Patrick im Aguas da Marina auf einen Caipirinha und ein Bier. Und wir treffen Nega und Viero, freuen uns vor allem, dass es Nega so gut geht. Als wir uns von den Hunden verabschieden, wirft sie sich auf den Rücken, damit ich ihr den Bauch kraule.

Hoppla, was ist das? Da ist eine lange, vernähte Wunde, ein Faden zwischen ihren Zitzen: Nega ist kastriert!

Meine Neugierde ist geweckt: Wer kastriert einen Straßenhund? Wer versorgte Negas Wunden?

Nega hüpft freudig um einen stämmigen Brasilianer mit Goldkette, Typ Zuhälter (sagen meine Vorurteile, um die Nega sich nicht schert). Er bringt ihr Kunststücke bei, wirft ihr Leckerbissen zu. Er beantwortet meine Fragen:

Fatima!

Nein, nicht die Marienerscheinung in Portugal, die Veterinärin. Zufällig steht sie vor ihrem Haus, als wir am nächsten Abend daran vorbeigehen. Ich frage sie, wer denn bezahle, wenn sie sich um Straßenhunde kümmert? Denn eines ist mir schon klar: Auch sie muss essen…

Was ich verstehe ist: „Die Hunde haben alle jemanden, der sich um sie kümmert. Tagsüber leben sie auf der Straße, abends sind sie in den Häusern.“

Auffallend ist, dass sich abends wirklich viel weniger Hunde auf der Straße rumtreiben, drei oder vier aber doch. Mein Herz und meine Hand strecken sich einem kleinen süßen, aber ängstlichen Hund entgegen. Er zieht sofort den Schwanz ein und läuft weg, es dauert eine Weile, dann lässt er sich doch von Leentje streicheln. Negas Augen schenken Liebe, seine flehen danach.

Ich kann nicht alle Straßenhunde retten!

Nun gut, die Hunde haben jemand, der sich um sie kümmert, jemand wird wird sich auch seiner erbarmen. Nur haben diese Jemands noch lange nicht immer das Geld für eine Kastration. Fatima sagt, sie passt ihre Preise den Verhältnissen der Kümmerer und Besitzer an: Wer mehr hat, zahlt mehr. Manche spenden auch…

Danke!

28. September 2015
von Steffi
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Morgens in Ribeira…

Still ist es des Nachts in Ribeira, so wie in der ganzen, tagsüber so lauten und geschäftigen Stadt. Es sind die Hähne auf der anderen Seite der kleinen Bucht von Itapagipe, die als Erste den neuen Tag erahnen und dies krähend kundtun. Etwas später, schon im Grau des Morgens, rattern die ersten bunten Wagons von den Außenbezirken in die Stadt. Später an diesem Tag werde ich mit einem dieser Züge hinaus nach Plataforma fahren. Doch jetzt sind laute Rufe zu hören: Ruderer ziehen eine erste Wellenspur durch das spiegelglatte Wasser. Bald gesellen sich die Motoren der Fischer zu den Geräuschen der erwachenden Stadt. Busse und Autos kommen hinzu, doch in Ribeira geht es recht beschaulich zu.

Zug

Zug

Ich bin am Bahnhof von Calçada mit Mollie, meiner Freundin, und einigen ausländischen Frauen, die hier leben, verabredet. Vorbei an alten Fabriken, streunenden Pferden, Menschen, die unter schwarzen Plastiksäcken wohnen und kleinen Häuschen geht es um die kleine Bucht nach Plataforma. Eine Plattform für Kanonen fungierte unter anderem als Namensgeber. In dem Ortsteil stehen immer noch die Ruinen der ersten Textilfabrik Brasiliens sowie die „imperalen Palmen“, die weithin sichtbar am Eingang zu der kleinen Bucht stehen. Sie sollen 375 Jahre alt sein. Sie stammen alle von der einen Palme ab, die der portugiesische Kaiser einst im botanischen Garten in Rio pflanzte. So erzählt es uns die Dame von der Ortsgemeinschaft Plataforma. Imposant sind sie schon…

Es heißt, Brasiliens Unabhängigkeit wurde in Rio verkündet und in Bahia gewonnen. Es war hier in und um Plataforma, wo der der Widerstand gebrochen wurde. Es gibt immer noch einen Tunnel, der von Plataforma auf die ehemaligen Schlachtfelder führt, doch begehbar ist er nicht mehr. Dafür wird ein letzter Rest des Mata Atlantica, des atlantischen Regenwaldes, jetzt mit neuen Wegen erschlossen.

Auf der anderen Seite der Bucht befreit derweil ein Taucher, der eigentlich ein Schnorchler ist, unser Schiff von Seepocken. Um nichts in der Welt möchte ich diese Arbeit in dieser Brühe machen! Denn so beschaulich wie Ribeira ist auch der Wasseraustausch in der kleinen Bucht mit den Favelas rundherum…

Ribeira 4

Kanalisation gibt es dort ja eher keine.

Tomy putzt unsere Yemanja oben herum. Als ich nach Hause komme, glänzt sie wieder, der wirklich minimale grüne Schimmer an Deck ist verschwunden.

Ostwind kommt auf, wie jeden Tag ab mittags. Bis zum Abend erreicht er oft 20, 22 Knoten in Böen und heult durch die Wanten. Da soll ich wieder raus? Nach so langer Zeit an Land bin ich unsicher…

Am nächsten Morgen ziehen wir die Segel ein, schön ruhig und gelassen. Lachend fragen wir uns, wie wir es voriges Jahr geschafft haben, das Vorsegel verkehrt herum einzufädeln?

Dann ist es Zeit – wir müssen wieder raus. So sehr ich Riberia mag, so sehr es mich drängt, hier noch mehr zu erkunden, so sehr müssen wir raus, weiter, wieder segeln. Nach Arartu wollen wir, zu Patrick und Leentje.

Der Motor läuft nach 20 Minuten, gleich nach der Ausfahrt aus der kleinen Bucht heiß, wir setzen das Vorsegel. Mist, da müssen wir uns auch drum kümmern. Seufz, wir haben wohl beide auf ein Wunder gehofft! Immerhin haben wir ja schon einen Termin in der Bahia Marina, um Yemanja aus dem Wasser zu holen und das Unterwasserschiff zu streichen.

Nach zwei Stunden müssen wir ihn wieder anwerfen, bei der Einfahrt in die Bucht von Aratu bläst uns der Wind entgegen. Ich hülle den Motor geistig in einen Eisblock und lasse einen Gebirgsbach durch das Kühlsystem plätschern. Was soll ich euch sagen? Er läuft brav eine ganze Stunde lang. Kann natürlich auch daran gelegen haben, dass er auf etwas geringerer Drehzahl lief…

Das Festmachen an der Boje ist Hafenkino. Amüsiert denke ich an all die liebenswerten Segler in der Segler-Facebook Gruppe, deren Lieblingsbeschäftigung das – nein, nicht das eigenhändige Segeln, sondern das Bewerten der Segelkünste der anderen ist. Sie hätten ihre helle Freude gehabt!

Ich erwische die Leine an der Boje zwar sofort, versäume es aber, schnellstens die Leine durchzuziehen und kann sie nicht halten. Also hilft uns der junge Mann im Marinaboot. Elegant steht er auf einem Bein, lenkt lässig mit den Zehen des anderen Fußes das kleine Tuckerboot. Er zieht uns zur Boje, die Leine durch und bringt sie wieder zurück. Bei dem Wind, meint er, wäre es auch schwierig. Nun ja.

Aratu

Später bringt er uns an Land, wo wir mit Leentje und Patrick unser Abendessen einnehmen: Erstaunlich, wie sättigend ein, zwei, d- Caipirinhas sein können!