19. November 2015
von Steffi
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Im Rampenlicht

Wir liegen im Rampenlicht. Sind irgendwo im Fernsehen. Als romantische Untermalung für eine TV-Show. Welche, das bekommen wir nicht heraus, obwohl wir zwei Tage lang beobachten, wie am Dach des Terminal Nautico ein Zelt, Scheinwerfer und jede Menge Technik aufgebaut werden. In der Marina stehen riesige Übertragungswagen. Montagabend sind nicht nur unser Schiff, nein, auch der Elevador Lacerda, der Mercado Modelo und das Marinegebäude bunt angestrahlt. Wir befürchten Schlimmes, kennen wir doch die Vorliebe der Brasilianer für laute Musik bis in die frühen Morgenstunden…

Doch nein, wir bekommen fast nichts mit. Nur ein paar Lieder, gesungen mit der Stimme Daniela Mercurys. Durchs Fernglas gegen Scheinwerferlicht beobachtet – sie könnte es sein. Als sie auch noch einen ihrer größten Hits „ O Amor de Julieta e Romeo“ singt, sind wir sicher – sie ist es.

Und was nutzt uns das? Nichts!

Im Rampenlicht standen am Morgen auch die festlich gekleideten Mães dos Santos, die Candomble Priesterinnen, die offensichtlich zu einer Zeremonie hinaus aufs Meer fuhren – natürlich nicht nur mit Trommeln zur Kommunikation mit der geistigen Welt ausgerüstet: Das Selfie für Facebook und die materielle Welt darf nicht fehlen…

Selfie

Selfie

Mittags sind wir bei unseren Freunden Mollie und Nelson zum Essen eingeladen und verbinden die Fahrt nach Rio Vermelho mit einem kurzen Bummel durch Shopping Barra: Dort ist Weihnachten ausgebrochen! Die rot-weiß gekleidete schwarze Weihnachtselfe lächelt bezaubernd ins Blitzlicht der Kamera – es muss ja auch todlangweilig sein, den ganzen Tag nur rumzustehen!

Die Weihnachtselfe

Die Weihnachtselfe

Licht ins Dunkel von Tomys und Dorotheas Gebiss bringt am Nachmittag Mollies Zahnarzt: Die beiden hatten sich in Itaparica innerhalb von fünf Minuten an einem zarten Filet Mignon ein Provisorium und eine Goldkrone ausgebissen. Dorotheas Provisorium bereitet keine Probleme, aber Tomy hatte eine dicke Backe: Die Krone hatte den Zahn mit in den Abgrund gerissen! Nun ja, jetzt ist alles erst mal vorläufig repariert, in ein paar Wochen sind wir ja wieder zu Hause!

Der Yachtclub

Der Yachtclub

Um in den Iate Clube zu kommen, braucht man zwar kein Schiff, nur ein dickes Konto oder eine Einladung. Zu der verhalf uns eine weitere gute Freundin hier. Man kann dort wohl auch als Ausländer mit dem Schiff an einer Boje hängen, ich weiß aber keine Preise oder Konditionen. Jedenfalls liegt der Yachtclub sehr schön neben dem Britischen Friedhof, auf dem zwei Seeleute der Beagle begraben liegen. Ja, Darwin war auch in Salvador – bevor er Licht ins Dunkel der Entstehung der Arten brachte.

Am britischen Friefhof

Am britischen Friedhof

Dunkel ist es hier ja schon um sechs Uhr, kurze Zeit später sind wir für den „Segen am Dienstag“, dem Terça do Benção, im historischen Viertel Pelourinho. Gerade rechtzeitig für eben diesen Segen in der goldenen Kirche São Francisco: Der Pfarrer und sein Gehilfe bespritzen mit spitzbübischer Freude die Gläubigen. Genüsslich und herzlich lachend taucht er die „Schöpfkelle“ tief in den silbernen Eimer mit dem Weihwasser… Wir bekommen auch unseren Teil der Dusche ab, auch wenn ich zweifle, dass dies zu unserer Erleuchtung beiträgt. Noch dazu wo meine Brille jetzt klitschnass ist!

Die goldene Kirche

Die goldene Kirche

Danach ziehen wir fröhlich mit den Trommelgruppen durchs Pelourinho! Im grünen Licht der medizinischen Fakultät…

D Kleine Kamera (43)

14. November 2015
von Steffi
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Liest du den Beitrag auch, wenn es nichts Besonderes zu berichten gibt?

Meine „älteste“ Freundin ist zu Besuch. Ich kenne sie quasi seit dem Tag meiner Geburt, denn schon unsere Eltern waren miteinander befreundet. Und mein Großvater hat mit ihrem Vater Schnaps gebrannt – legal! Da gäbe es wirklich viele Geschichten zu erzählen, nur mit Segeln haben die nichts zu tun.

Da sie zum ersten Mal in Brasilien ist, tun wir das, was wir mit allen Gästen hier tun: Wir schleppen sie ins Pelourinho, an den Strand nach Vilas und Imbassai und fahren mit ihr quer durch die Bucht. Dabei geschieht nichts aufregend Neues, das ich euch erzählen könnte, nur so ein paar Kuriositäten am Rande:

Im Pelourinho wird das Essen mit dem Korb von oben nach unten transportiert.

Lastenaufzug

Lastenaufzug

Auch in Bom Jesus wird der Karneval am 11.11. eröffnet.

Karnevalseröffnung in Bom Jesus

Karnevalseröffnung in Bom Jesus

Durch die Bucht fliegt ein grellroter, großer Vogel – natürlich zu schnell, um zu fotografieren. Ich kann hier nur den Sonnenuntergang als Ersatz bieten.

Sonnenuntergang statt roter Vogel

Sonnenuntergang statt roter Vogel

Saveiros, die Lastenkähne in der Allerheiligenbucht, sind faszinierend und schön.

D 9 Bom Jesus (11)

Ein paar scheue Delphine schwimmen im Rio Paraguaçu. Auch sie lassen sich nicht fotografieren.

Die Delphine müsst ihr euch denken

Die Delphine müsst ihr euch denken

Jemand reitet zum Einkaufen.

Es steht ein Pferd vor der Tür

Es steht ein Pferd vor der Tür

Cachoeira ist und bleibt hübsch.

Cachoeira

Cachoeira

Imbassai auch.

Imbassai

Imbassai

Die „Traurige Frau“ ist ebenfalls in Imbassai.

D 3 Imbassai (2)

Die schönste Aussicht auf Bonfim hat man am Strand von Ribeira.

Bonfim

Bonfim

Kinder und Wasser geht immer.

Kinder und Wasser geht immer

Kinder und Wasser geht immer

Kirchen haben nur einen Turm.

D 9 Bom Jesus (25)

Und sind von innen oft sehr schön

Kirchendecke in Santo Amaro

Kirchendecke in Santo Amaro

Das Kabelgewirr ist manchmal verwirrend.

D 2 Cachoeira (46)

Es gibt noch öffentliche Telefonzellen, die “Ohren”.

Orelhao

Orelhao

Schöne Rücken können entzücken.

D 5 Praia do Flamengo (23)

Na, hat sich das Lesen gelohnt?

1. November 2015
von Steffi
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Wo Feen, Kühe und Geschichten wohnen

„Itamarati?“

Ungläubig blickt der Busfahrer, der unsere Fahrscheine kontrolliert, Tomy an. Was will dieser Gringo in diesem Nest inmitten der ehemaligen Kakaofazendas im Hinterland von Ilheus?

Itamarati

Itamarati

Nun, so genau weiß ich das auch nicht. Es könnte allerdings sein, dass er seine Frau – also mich – glücklich sehen will, und ich will eben unbedingt auf die Fazenda meiner Freundin Monika. Aber so stimmt das jetzt auch wieder nicht denn erstens ist er auch neugierig aufs Landleben und zweitens gehört die Fazenda nicht Monika, sondern ihrem… sagen wir: zukünftigen Mann Ricardo.

Die Häuschen der Fazenda

Die Häuschen der Fazenda

58 Real pro Person kostet die Reise in einem modernen, klimatisierten Bus über die BR 101, die Salvador mit Rio verbindet. Eine ganz normale Landstraße ist das, auf der Lastwägen die Container von Hamburg Süd, Vieh und Bananen befördern, Autos und Motorräder fahren. Wir fahren an Weiden, Bananen- und Orangenplantagen und schließlich an Regenwald vorbei. Ganz schön hügelig ist es hier! Vor keinem der fünf oder sechs Ortschaften die unterwegs groß genug sind, damit der Bus anhält, verrät uns ein Schild, wo wir sind. Itamarati, Ibirapitanga, Ibirataia, Ubaitaba oder Ubatã? Auch wenn diese Ort nicht alle auf der Strecke liegen, so doch um die Fazenda herum. Manche Orte haben einen beschrifteten Rodoviária, einen Busbahnhof, in anderen bleibt der Bus einfach an der Tankstelle stehen. Wir wissen nur, dass wir gegen vier Uhr, nach sechs Stunden Fahrt, aussteigen müssen.

Tomatinho

Tomatinho

Monika kommt uns schon fröhlich entgegengelaufen. Ich lernte sie vor fünfzehn Jahren kennen, als wir nach Salvador zogen und etwas Unterstützung brauchten. Ricardo ist noch in der Bäckerei, wir holen ihn ab und steigen ins Auto. Es ist rot, ein Fiat, Tomatinho, kleine Tomate, mit Namen. Die Fenster sind offen, vielleicht weil sie nicht zugehen, vielleicht, weil sich die Türen nur von innen öffnen lassen, vielleicht einfach nur weil es warm ist. Die Fahrertür springt unterwegs immer wieder auf, Ricardo reißt sie energisch zu. Wenn er aussteigen will, lässt sich die Türe nicht von innen öffnen. Das Auto klapprig zu nennen, wäre völlig untertrieben. Doch hat es genau die richtige Straßenlage für die holprigen und steilen Lehmpisten, die zur und durch die Fazenda führen. Ein Jeep wäre natürlich ideal, aber solange, bis die Fazenda wieder Geld einbringt, erfüllt es seinen Zweck.

Die Piste zur Fazenda

Die Piste zur Fazenda

Auf der Fahrt erfahren wir, dass das, was wir für Reste des Regenwaldes hielten, zum großen Teil Kakaowald ist: Der Kakaostrauch wächst im Schatten der mächtigen Bäume, manchmal auch im Schatten von Bananen. Ricardos Familie gehörte zu den legendären Kakaobaronen rund um Ilheus. Er und seine Brüder reisten nach Europa, der eine oder andere studierte, doch dann kam der Hexenbesen genannte Virus und zerstörte die Einkommensquelle. Auch konnte Kakao jetzt in Indonesien und Malaysia preiswerter hergestellt werden. Der Rest des Familienvermögens ging an das schwarze Schaf der Familie. Die Fazenda verfiel, wie so viele andere. Ricardo wurde Polizeichef, später Fremdenführer. Was immer schwieriger wurde.

Kakaofrucht

Kakaofrucht

Monika wurde in Deutschland geboren und kam mit ihren Eltern nach Brasilien, als sie zwölf Jahre alt war. Sie wuchs in Rio auf, und folgte mit 18 das erste Mal der Liebe und bekam ihr erstes Kind. Von da an leitete sie ihr Herz, wobei sie vielleicht manchmal höchst unvernünftig handelte, doch nie verlor sie den Verstand soweit, dass sie ihre finanzielle Unabhängigkeit aufgegeben hätte. Sie arbeitete bei großen deutschen und internationalen Konzernen und im Tourismus, hatte gute Jobs, ohne Ausbildung, nur mit guten Sprachkenntnissen, Selbstvertrauen und Köpfchen. Drei Kinder von drei Vätern hat sie, und viele Geschichten von der Liebe, ihrer Süße und ihrer Bitterkeit, von Betrug, Leidenschaft und Rache.

Immer wieder schlägt sie die Hände lachend vor dem Gesicht zusammen und schüttelt den Kopf: „Soll ich das wirklich alles aufschreiben?“ fragt sie?

„Die Geschichten der Moni Sol“ sinniere ich laut und denke an Isabelle Allendes Geschichten der Eva Luna.

Eine Raupe - schön aber gefährlich wie eine Qualle

Eine Raupe – schön aber gefährlich wie eine Qualle

Nun ja, Monika verlor den Job, und da kam die Idee von Ricardos Bruder, die Fazenda wieder zu revitalisieren gerade recht. Urucum, einen natürlichen Farbstoff für die Kosmetik- und Nahrungsmittelindustrie, bauen sie jetzt an. Es dauert eine Weile, vier, fünf Jahre bis die Pflanzen, auf deutsch Anottastruach oder Lippenstiftbaum genannt, genug abwerfen, um die Investitionen wieder ein zu bringen. Soweit sind sie noch nicht.

Auch mussten erst die vernachlässigten Häuser der ehemaligen Arbeiter wieder hergerichtet werden. Monika putzte und strich die alten Wände und die Fensterläden bunt, ließ die Dachziegel säubern, legte einen Garten an, hängte bunte Tücher als Vorhänge auf, verzierte den Eingang und alte Möbel mit Wandmalereien und Mosaik.

Monikas Häuschen

Monikas Häuschen

Täglich geht sie durch die Pflanzungen, macht Fotos und dokumentiert das Wachstum der Ururcum-Sträucher. Unterwegs findet sie Hölzer und Steine, aus denen sie hübsche Feenhäuser bastelt. Oder Windspiele und Traumfänger.

Ein Feenhäuschen

Ein Feenhäuschen

Ihr Traum ist ein Häuschen mit Veranda oben auf dem Berg, dort wo man das Tal und die Fazenda überblickt. Und vielleicht ein paar Häuschen vermieten, Führungen durch die Plantagen anbieten, für Menschen die das einfache Leben in der Natur mögen. Oder Fische in den Teichen und Wasserbüffel in den Sümpfen züchten.

Monikas Traum

Monikas Traum

Einfach ist das Leben hier. Immer noch. Es gibt Strom – meistens, Fernsehen und Internet, auch Wasser. Das Trinkwasser kommt aus der Quelle. Die Dusche ist aus gemauerten Stein, alt und bröselig, das Wasser kalt. Die Toilette wird mit Wasser aus dem Eimer gespült, wenn es regnet werden Töpfe auf dem Fußboden im Haus verteilt. Die Fenster haben kein Glas, ist auch nicht nötig, ist ja warm. Wir schlafen gut auf einer harten Pritsche, mich stört das nicht, Rückenschmerzen bekomme ich nur in zu weichen Betten. Es gibt ja auch Betten mit dicken Matratzen, aber da müssten wir getrennt schlafen und das mag ich gar nicht.

Unser Bett

Unser Bett

Das Gästehaus

Das Gästehaus

Geweckt werden wir vom Krähen des Hahnes und den Vögeln, die jetzt im Frühling besonders eifrig schnattern.

Unser Wecker

Unser Wecker

Es sind keine Singvögel wie bei uns, trotzdem ist das schön. Tagsüber flattern die Kolibris die Blumen küssend um uns herum, nachts die Fledermäuse über unser Bett.

Beija-Flor, Küss-die-Blume oder Kolibri

Beija-Flor, Küss-die-Blume oder Kolibri

Hie und da muss man einen dicken Frosch aus dem Badezimmer kehren.

Wer mag ihn küssen?

Wer mag ihn küssen?

Gegenüber weiden die Kühe, manchmal traben Pferde vorbei. Fazenda Ita (31)Abends geht der Vollmond über dem Hügel vor der Küche auf. Der Sternenhimmel ist ehrfurchtserregend. Die Grillen zirpen schrill und kreischend, die kleine schwarze Katze verkriecht sich in Monikas Schoß. Millie, die Pittbullmischlingsdame, folgt ihr auf Schritt und Tritt.

Pretinha, die kleine Schwarze

Pretinha, die kleine Schwarze

Millie

Millie

Ich bringe Monika nähen bei, sie kocht fürstlich für uns. Und unterhält uns mit ihren Geschichten…

Uns gefällt es hier!

Und Monika, die schicke, blonde Carioca auf Stöckelschuhen, ist in ihren Gummistiefeln auch angekommen. Sie hat die Liebe endlich gefunden.

Fazenda Ita (8)

Hast du Lust aufs Landleben in Bahia? Melde dich bei mir unter Kontakt und ich schicke dir Monikas Email-Adresse. Sie wird übrigens demnächst eine gute Matratze für das Bett im Gästehaus kaufen!

 

29. Oktober 2015
von Steffi
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Als wir den Segelverstand an Land ließen

Ihr kennt doch sicher den wichtigsten Ausrüstungsgegenstand an Bord?

Genau: Der Verstand, in seglerischen Kreisen auch gerne Seemannschaft genannt.

Ich weiß nicht genau wie es passiert ist, vielleicht einfach durch Ungeduld, jedenfalls haben wir ihn oder sie vor dem letzten Segeltörn nach Camamu irgendwo an Land vergessen. Also liebe Hafenkinokommentierer: Hiermit werfe ich uns euch zum Fraß vor!

Erster Bissen: Am Achterliek unseres Vorsegels war bei unserer Abfahrt die Naht an einer kleinen Stelle aufgegangen. Wir hätten sie ja wenigstens kleben können.

Zweiter Bissen: Die Tankstelle im Centro Nautico hatte keinen Diesel, also fuhren wir mit etwas mehr als halbem Tank los.

Dritter Bissen: Natürlich auch ohne gefüllte Reservekanister.

Vierter Bissen: Wir hätten auch in Camamu unsere Kanister auffüllen können. Hätten!

Fünter Bissen: In Unwissenheit hatten wir normales Gasolina Commun für unseren Außenbordmotor verwendet, damit läuft er aber nicht lange. Er braucht Gasolina Aditativa.

Sechster Bissen: Tomy dachte, nein rechnete, Ostwind aus 100°passt, um nach Nordosten zu kommen. Nur, so hoch am Wind läuft YEMANJA nicht.

Siebenter Bissen: Ich hätte beinahe einen Wal überfahren…

Es sprach allerdings auch einiges für uns: Wir hatten noch Bargeld, was nicht selbstverständlich ist, da die Banken streiken und die Bankomaten nicht regelmäßig nachgefüllt werden. Wir hatten Nahrung und Wasser und die alte Genua. Außerdem schnurrt der Motor wieder gut. Auch die Wellen waren meist moderat. Wir hatten einen Track zum Ankerplatz in Morro de São Paulo. Und letztendlich hätten wir immer noch umdrehen und alle Probleme in der Bucht von Camamau lösen können.

Und wie meine mittlere Tochter so schön sagt: „Mama, wenn du in Schwierigkeiten kommst, dann findest du sicher etwas, wozu es gut ist, du findest eine Perle!

Wir verließen den Ankerplatz vor Saphinho um 5:30, da dachten wir noch, wir könnten Salvador spät abends erreichen. Nun ja. Der Wind blies uns auf die Nase, wir kreuzten ein wenig, dann riss die Naht endgültig auf und der Streifen der Einfassung verhedderte sich am Radarreflektor. Gut, wir bekamen ihn leicht lose, doch damit war es aus mit Kreuzen. Mit Motor und leichter Unterstützung durch das Großsegel konnten wir so hoch an den Wind, dass wir nach Morro de São Paulo abdrehen konnten. Denn an einen Segelwechsel auf See war nicht zu denken – da wären Stagreiter besser! Hamm ma aber nicht. Und genug Diesel um nach Salvador zu kommen, auch nicht.

Irgendwann auf halben Weg blieb mir das Herz kurz stehen: Eine Bootslänge vor mir tauchte ein Wal auf! Der hat sich wohl so erschrocken wie ich, denn weg war er. Etwas später kam uns nochmal einer entgegen, schraubte sich 50 m seitlich von uns aus dem Wasser und platsch weg war er! Dass sich diese Schiffsbeobachter auch nicht an die Empfehlung halten und sich Booten auf weniger als 150 m nähern!

Um neun Uhr abends waren wir dann in Morro, an dem rolligen Ankerplatz. Doch Wind und Welle beruhigten sich, so konnten wir am nächsten Morgen um halb sieben die Genua wechseln. Danach versuchten wir ein Taxiboot anzuhalten, das war aber sinnlos. Also ruderte Tomy mich und die Reservekanister gegen Wind und Welle an den Pier. Ich nahm das Lancha Rapida, das schnelle Taxiboot, nach Atacadouro auf dem Festland. Dort sollte es eine Tankstelle geben…

Atacadouro war dann wirklich eine harte Attacke auf mein Weltbild – und gleichzeitig meine Perle, mein Abenteuer: Diese Tankstelle muss frau erlebt haben!

Über diesen hohlen Steg muss sie gehen...

Über diesen hohlen Steg muss sie gehen…

Tankstelle in Atacadoura

Tankstelle am Ende des Holzpiers unterm Sonnenschirm in Atacadoura mit Lancha traditional

Nichts als ein wackeliger, hölzerner Pier auf dem vorne eine Tanksäule hoch über dem Wasser thront.

In der kompletten Pampa. Na gut, da war noch eine Anlegestelle für die Boote, die die Touristen an Land bringen, ein Kiosk, ein Sonnenhutverkäufer und eine kaputte Tanksäule für Autos. Und Sand. Jede Menge Sand.

Die Tankstelle an Land

Die Tankstelle an Land

Der Tankwart füllte meine Kanister, brachte sie auf das Lancha traditional, das langsame Boot mit dem ich entlang an traumhaften Stränden zurückfuhr.

Atacadoura (1) Atacadoura (17)

Ich fragte den Kapitän, ob er mich am Schiff rauslassen kann: Er manövrierte sein Lancha an YEMANJA, hievte die Kanister rüber, ich sprang – ich glaube die Landratten an Bord, die ängstlich und unsicher auf das große Lancha gestiegen waren, hatten danach alle einen Schock!

Somit waren wir wieder gut gerüstet für die nächsten 35 Meilen gegen den Wind. Nach 13 Stunden, 57 Meilen und einiges an Perlen und Erfahrungen reicher waren wir um Mitternacht wieder in Salvador!

 

Seid ihr satt geworden? Lasst es uns in den Kommentaren wissen! Danke!

 

 

22. Oktober 2015
von Steffi
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Camamu – Heimatgefühle

Camamu – vom Wasser aus gesehen muss ich mir nur die Palmen wegdenken, dann könnte ich mir einbilden, es wäre eine Stadt in der Wachau, so wie Dürnstein, eine barocke Kirche oben am Berg, kleine Häuschen unten am Wasser, sanfte Berge dahinter. Einer sieht fast aus, wie der Anninger, Badens Hausberg.

Vale a pena! Der Blick war die Reise und das frühe Aufstehen wert!

Camamu Stadt (8)

Oder doch ein Hauch von Rovinj?

Pünktlich um 6:30 holten João und sein Bruder, die beiden Albinos von der Moquecaria in Saphinho, uns am Schiff ab. In ihrem Lastenkahn ging es quer durch die Bucht nach Camamu. Den Weg muss man kennen, denn die Bucht ist flach, wenn auch vorbildlich mit Seezeichen bestückt: Ein Palmwedel links, einer recht im Wasser, fertig ist das Fahrwasser. Auch die Einfahrt in den Kanal nach Camamu würden wir in den Mangroven nie finden – allerdings muss man morgens früh nur den anderen Schiffen folgen. Das aber genau: Die Einfahrt ist seit ein paar hundert Jahren mit Steinen bestückt, um die Stadt vor Überfällen zu schützen. So heißt es Slalom fahren.

João zwängte seinen Lastenkahn in eine kleine Lücke am Pier und lief los, um einzukaufen. Denn vom Land aus ist Camamu vor allem eines: Ein geschäftiger Umschlagplatz für Waren aller Art. Hierher werden Mensch und Waren mit dem LKW gebracht und per Schiff in der Bucht verteilt. Hier kommen die Touristen an, die nach Barra Grande wollen, hier gibt es Fische, Caranguejos – Krebse, Möbel, Fernseher, Kleidung, Motoren, Apotheken und Drogerien, Fleisch, Obst und Gemüse, Eis, Spielzeug und Haushaltswaren. Mit einem Wort alles, nur keine Nagelbürsten.

Und keinen Stoff und keine Nähmaschinen, aber gut, damit muss frau halt leben. Also mit schlammigen Fingernägeln und ohne Stoff.

Wir gingen erst hinauf ins historische Zentrum, das von See mehr verspricht, als es ist. Doch die Kirche überraschte innen durch leichtes blau-weiß. Von dort ging es über den Aussichtspunkt wieder hinunter ins Geschäftsviertel. Wir schlenderten durch den Fisch- und Kunsthandwerksmarkt, kauften Saft im Supermarkt, machten ein paar Fotos – viel zu viele – und spazierten wieder zurück zum Pier.

Neben Bier, Wasser, Fischen, Gemüse und Wein luden wir noch einen vierflammigen Gasherd und ein paar Blöcke Eis. Jetzt weiß ich, warum diese Kähne so tief sind!

Am Rückweg fuhren wir an der Ilha Grande vorbei, bei Flut geht das. Hübsch ist es hier!

Camamu Stadt (27)

Abends fuhren wir noch mal rüber nach Saphinho, die Bar war zu, doch das Internet lief. Und dann kam doch noch einer der Brüder vorbei, brachte uns Bier und öffnete den Laden für uns. Wir bekamen sogar etwas zu essen: Kibe und Coxinhas, braucht der Mensch mehr?

Gerne würden wir bleiben und mehr erkunden, die Werft links vor Camamu, Barra Grande, Taipu na Fora… Außerdem gefällt uns diese Mischung aus einsamer Tropeninsel und etwas Infrastruktur sehr. Doch wir haben noch andere tolle Pläne und müssen zurück nach Salvador.

Quatsch, wir müssen gar nix – wir wollen, weil… werdet ihr schon lesen!

INFO Camamu

Von Saphinho aus gehen morgens früh zwei oder drei Lanchas nach Camamu. Einfach in den Restaurants fragen. Ohne Portugiesisch geht allerdings nichts. Man kann auch von Maraú aus zeitig in der Früh mit dem Bus fahren, allerdings versäumt man dann das Schönste: Den Blick auf Camamau vom Wasser aus. Demnächst noch mehr als PDF!

Woran erinnert dich Camamu? Bitte schreibe darüber einen Kommentar! Danke!