26. Februar 2016
von Steffi
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La Paz

Der Taxifahrer sieht uns zweifelnd an: Hier wollen wir austeigen? In dieser kleinen Gasse vor dem verrammelten Haus?

La Paz N (7)

Sieht nicht einladend aus, ist einfach und nett und gut gelegen!

Damit sind wir quitt. Führt der Weg vom Flughafen El Alto runter durch La Paz doch erst mal so kreuz und quer durch Nebenstraßen voller Löcher und Indio-Frauen in bunten Tüchern, dass mir kurz Zweifel kommen, ob wir nicht doch entführt werden. Doch plötzlich tut sich die Gasse auf, vor uns liegt La Paz in einem Talkessel, Serpentinen führen hinunter.

Uns stockt der Atem.

La Paz N (3)

Dieser Blick ist ein grandioser Traum mit ein wenig Alb darin.

Vor dem Haus ruft der Taxler die Telefonnummer auf unserer spanischen Wegbeschreibung an und schon winkt von oben ein Lockenschopf. „Ich komme“ ruft Ryck.

Wie?

Auch diesmal hatte ich über Airbnb gebucht, ich mochte Lage, Preis und Fotos des Angebots. Dass Ryck jahrelang in Köln, also quasi in der Nachbarschaft, gewohnt hat und fließend deutsch spricht, habe ich jetzt nicht erwartet.

Wir haben Hunger und machen uns auf den Weg in die Stadt. Von der Höhe merken wir erst mal nichts. Wir haben allerdings auch die hier erhältlichen Sorochi-Pills genommen. Beim Rückweg keuche ich dann doch etwas: Ich habe null Kondition und es geht ganz schön bergauf. Die Autos qualmen auch nicht schlecht!

Ich bin außer Atem, ja, ’s Herzerl klopft, aber oben angekommen ist alles wieder gut, ich merke nichts von der Höhe.

Tomy schon. Die erste Nacht kämpft er mit einem beklemmenden Gefühl, wie auf zu kleinem Raum eingesperrt sein. Doch die Tabletten helfen, den nächsten Tag ist er fit genug für eine ausgiebige Stadtbesichtigung:

Nein, La Paz ist nicht schön. Alte Minibusse blasen stinkende Abgase in die Luft, die Taxis nicht weniger. Beide zusammen beherrschen den Verkehr, die wenigen Privatautos sind japanischer Herkunft. An jeder Ecke sitzt eine Chola – eine Frau mit indianischen und spanischen Vorfahren – und verkauft etwas: Elektronik, Zeitungen, Hefte, Obst, Gemüse, Süßigkeiten, Bananenschips, Mützen… Alte Villen verkommen zwischen modernen Hochhäusern. Die Kaffeehäuser auf der Hauptstraße können es mit denen in Wien aufnehmen, die Restaurants mit denen in Berlin und die Schuhgeschäfte mit denen in Mailand. Die Kinder gehen in den englischen Kindergarten oder werden am Rücken in einem bunten Tuch getragen. Die Damen sind schick gekleidet wie in Paris oder sie tragen die Tracht der Cholas, weite Röcke, Schultertuch, Hütchen, Schühchen.

La Paz

La Paz ist eine Weltstadt mit indigenen Flair.

Höher als dort, wo bei uns allenfalls noch ein paar Bakterien im ewigen Eis gerade so nicht erfrieren, wachsen hier Palmen und Kiefern. In gepflegten Parks blühen Löwenmäulchen und Stiefmütterchen. Hinter den Hochhäusern wachsen schroffe Felswände empor. Die Brötchen schmecken wie daheim, das Bier wird nach deutschem Reinheitsgebot gebraut, es gibt frisches Obst und Gemüse in Hülle und Fülle. Die Schuhputzer haben fast immer etwas zu tun, auch die Autowäscher, und die Polizisten gehen freundlich lächelnd Streife.

Nachts ist es kühl, vielleicht fünf, vielleicht acht Grad, doch mittags heizt eine gnadenlos brennende Sonne die von ihr beschienenen Stellen auf 20 bis 25 Grad. Nur im Schatten bleibt es kühl. Diese Stadt auf über 3200m Höhe, weiß einfach nicht, ob sie alpin oder mediterran sein soll!

Wir machen einen Stadtrundgang. Erst laufen wir den „Prado“, die Prachtstraße mit den teuren Geschäften und schönen Kaffeehäusern, entlang bis zur Kirche San Franciso, in die sich der gute alte Franz bestimmt nicht verirrt: Viel zu viel Gold innen drinnen. Hübsch ist sie.

La Paz (4)

Dahinter soll der Hexenmarkt sein, aber nur mehr zwei Stände und das schicke Cafe das Brujas erinnert daran: Mit Souvenirs lässt sich offensichtlich mehr verdienen. Außer den typischen bunten Tüchern, Püppchen und Kram, gibt es auch ein paar Geschäfte, die bei uns durchaus tragbare Kleidung aus Alpaka verkauft.

Dann gehen wir hinauf in die Altstadt, in die Calle Jean Irgendwas, die unter Denkmalschutz steht. Immerhin gibt es ein überraschend liebevoll gestaltetes Museum für Musikinstrumente dort. Tomy wartet, ich sehe es mir an und spiele mit einem Flaschenxylophon und anderen Instrumenten. Danach gehe ich ins Folklore Museum und erwarte Trachten, doch Fehlanzeige. Die Masken in dem dunklen Raum sind beeindruckend, der Federschmuck hübsch, auch die Ausstellung über die verschiedenen Indigenen Gruppen wäre interessant, doch leider ist alles nur auf Spanisch.

Vor dem Regierungsviertel sind Straßensperren, die wohl kaum einen Wahnsinnigen abhalten können. Immerhin erinnern sie daran, dass das Land gepalten bleibt: In Oben und Unten, indigener und europäischer Abstammung, arm und reich, Si und No – und so ziemlich alles, was dazwischen liegt.

La Paz (6)

Die Häuser um den Plaza Murillo sind sehr hübsch, die Tauben ein Albtraum. Und die Irren füttern sie auch noch! Vor dem Regierungssitz stehen ein paar Colorados in roten Uniformen herum – und das war es mit den Sehenswürdigkeiten!

La Paz (1)

Doch täuscht euch nicht: Der Zauber dieser Stadt liegt in ihrem Flair! Oder in ihren Märkten.

Denn eigentlich ist das Zentrum von La Paz ein einziger riesiger Markt: Der Souvenirmarkt geht in den Blumenmarkt in der Calle Illampu über – in der sind übrigens auch jede Menge Hostels, Touranbieter und Trekkingausrüster mit Markenware. Auf der anderen Seite der San Franciso Kirche ist ebenfalls ein großer Markt, verbunden werden die beiden durch vereinzelte Kioske. Und das geht weiter bis zum Markt an der Calle Comacho. Dort gibt es alles, schön in Sektionen aufgeteilt.

Blumenmarkt am Beginn der Calle Illampu

Blumenmarkt am Beginn der Calle Illampu

Und überall gibt es etwas zu essen: köstliche Bananenchips und geröstete Bohnen, Nüsse, geschälte Kaktusfrüchte, Suppen, Fleisch mit Reis, weißes Popcorn (schmeckt nach Pappendeckel), Obstsalate und Säfte, Empanadas, Brot und gefüllte Teigtaschen.

Frau mit der typischen Haltung eines Menschen, der auf sein Handy starrt

Frau mit der typischen Haltung eines Menschen, der auf sein Handy starrt

La Paz kann man nicht besichtigen, La Paz muss man erleben!

INFO

LA PAZ

Im touristischen Zentrum rund um die Kathedrale San Francisco ist La Paz am wenigsten interessant. Dort sind die Hostels, Touranbieter, Ausrüster und Souvenierverkäufer, sprich Touristen, aber nicht La Paz.

TIPP Übernachten: Hostel in Sopocachi suchen, z.B. das A la Maison. Man bekommt sehr viel mehr von der Stadt mit, wenn man von dort ins Zentrum schlendert. Außerdem ist dort die Teleferico Amarello, mit der man nach El Alto fahren kann oder ins Vallee de la Luna.

Sehenswert:

Markt in EL Alto: Der große Markt ist sonntags, aber auch an den anderen Tagen ist bis mittags Gemüsemarkt

Markt Comache: In La Paz, riesiger Markt, auch morgens hingehen

Vallee de La Luna: bunten Microbus Nr 43 vor der Kathedrale nehmen, oder die Sicherheitskräfte nach den kleinen Bussen fragen; Fahrzeit eine gute Stunde; oder mit der Teleferico Amarello zur Talstation fahren und dort in den 43er einsteigen.

Fahrt mit der Teleferico (Amarello) nach El Alto: toller Blick, lässt sich mit dem Markt verbinden

Den Prado rauf und runterspazieren bis zum Plaza Avanca, um einen Eindruck von der Stadt zu bekommen.

Mutige können sich mit dem Mountainbike die Death Road hinunterstürzen, es gibt Angebote zum Paragliden, Bergsteigen oder man fährt ins ehemals höchste Schigebiet der Welt. Die

Touranbieter sind fast alle hinter der Kathedrale in der Calle Illampu. Dort gibt es auch Ausrüstung

Busse nach Copacabana: Diana Tours im Hotel Sagaranga in der Straße, die neben der Kathedrale hinauf geht (Calle Sagaranga). Abfahrt etwa 8 Uhr morgens, Fahrtzeit 4 Stunden, Ticket am Vortag kaufen

Busse nach Oruro: von 4:30 morgens an praktisch stündlich den ganzen Tag im Busterminal, Tickets am gleichen Tag kaufen

Zug von Oruro nach Uyuni/Tupiza/Villazon: Im Büro der FCA in der Sanchez Lima zwischen, Ticket im Voraus kaufen. Die Züge gehen viermal in der Woche, der Wara Wara Dienstag und Donnerstag, der Espreso del Sur Freitag und Sonntag. Info unter www.fca.com.bo

Alle Bolivieninfos unter Downloads & Links

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25. Februar 2016
von Steffi
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Santa Cruz de la Sierra – Erster Eindruck

„Smile!“

Der Grenzpolizist lächelt ebenfalls, als er mich auffordert lächelnd in die Kamera zu schauen.

Bolivien ist schon dabei, mein Herz zu erobern.

Die Einreise ist recht gut organisiert und auf dem neuesten Stand der Technik. Die Zollkontrolle ist strikt, jede Familie muss eine Zollerklärung abgeben und dann auf ein Knöpfchen drücken: Leuchtet es grün, darf man durch, leuchtet es rot, wird der Koffer durchsucht. Gesucht werden landwirtschaftliche Produkte wie Milchprodukte, Fleisch, Samen und Früchte. Ich meine, Drogen nach Bolivien zu schmuggeln wäre ja auch irgendwie blöd.

Der Flughafen von Santa Cruz de La Sierra ist klein, aber anständig, die Taxifahrt in die Stadt entlang der üblichen Einfallsstraßen sieht aus, wie es diese Straßen eben tun. Wirklich einladend sind sie selten, doch sie wirkt aufgeräumt und sauber.

Schnell sind wir in der Calle Bolivar, wo ich über Airbnb ein Zimmer gemietet habe. Sagen wir, es erfüllt seinen Zweck. Das Kiwi Cafe-Restaurant zu dem es gehört und seine Besitzerin sind allerdings bezaubernd:

Lucia war mit einem Diplomaten verheiratet, spricht fließend Englisch und kennt die Welt. Vor einigen Jahren entschied sie sich, nach Bolivien zurückzukehren und gemeinsam mit ihrer Schwester ein Restaurant zu eröffnen, um damit ihre Leidenschaft leben zu können: Kochen und Tanzen.

Die mexikanisch angehauchten Gerichte hier sind eine Offenbarung: Viel frisches, kurzgebratenes Gemüse, Salat und gut gewürzt! So sehr ich Brasilien liebe, auch die Küche mag – nach so langer Zeit kann ich die ewig gleichen Speisekarten in Bahia voller Frittiertem, Fleisch und Dende-öl nicht mehr sehen!

Lucia erzählt von ihrem Enkel in Paris, den sie Weihnachten besuchte. Sie brachte ihm einen großen Tukan aus Stoff mit, dessen erstes Reiseabenteuer sie fotografierte und in einem liebevoll gestalteten Fotobuch für den kleinen Max festhielt. Ihre Kinder leben alle in Paris, ein überlebensgroßes Foto von ihrer Tango tanzenden Tochter ziert die Wand hinter der Tanzfläche: Lucia lehrt den Tango.

Auch ihren Angestellten.

Santa Cruz S (2)

Es dauert nicht lange, da hat sie ihre goldenen Schuhe an, mit Absätzen, auf denen ich nicht mal stehen, geschweige denn tanzen könnte. Da gewöhnt man sich dran, sagt sie, steht auf und tanzt mit sich selbst. Später am Abend kommt ihre Freundin und gemeinsam legen sie mit den Kellnern ein paar Tänzchen auf die roten Fliesen.

Santa Cruz N (7)

Ich mag diese südamerikanische Atmosphäre, die Musik, sie berührt etwas tief in mir, eine Seite meiner Lebenslust, die ich so noch nicht kenne.

Und ich mag die familiäre Stimmung hier!

Den Nachmittag an unserem Ankunftstag verbrachten wir mit der Besichtigung der wichtigsten Sehenswürdigkeiten: Santa Cruz ist überschaubar. Sehr überschaubar. Sie stehen alle um den Platz des 24. Septembers und passen samt Platz locker viermal auf den Schlossplatz vor der Hermitage in St. Petersburg. Also für die, sie schon mal dort waren.

Santa Cruz N (5)

Der Park auf dem Platz ist einladend: Unter Palmen, blühenden Frangipanis und großen tropischen Bäumen verweilen junge und alte Menschen auf den schattigen Bänken. Tische mit Schachbrettern stehen in buschigen Nischen. Rundherum haben Schuhputzer ihre Stände. Weiß livrierte Männer verkaufen Kaffee aus Thermoskannen, die sie auf kleinen Wägelchen mitführen.

Santa Cruz N (3)

Die haben Stil, die Bolivianer!

Und ein österreichisches Kaffeehaus mit einer ansehnlichen Tortenauswahl, Wiener Kaffee, geschmolzener Schokolade, die in heiße Milch gegossen wird. Dort gibt es auch einen Liter Limonensaft für 4 Euro.

Mehr ist am Samstag nicht los. Am Sonntag schon gar nicht, denn da wird gewählt. Ja oder nein?

Hat nicht geholfen: Ging ganz knapp No aus

Hat nicht geholfen: Ging ganz knapp No aus

Evo Morales, der erste indigene Präsident des Landes möchte eine dritte Amtszeit dranhängen, dafür müsste die Verfassung geändert werden. Er hat viel für sein Land getan: Das durchschnittliche Jahreseinkommen stieg von rund 800 auf über 3000 Dollar, der Anteil der Armen ging von über 50% auf unter 30% zurück. Vor allem die Indios lieben ihn. Wie viele dieser charismatischen Führungspersönlichkeiten scheint er sich allerdings in letzter Zeit von seinen eigenen Idealen zu entfernen – Das Land ist gespalten, die eine Hälfte sagt Si, die andere No! Vor ein paar Tagen gab es sogar Tote in La Paz, also dürfen am Sonntag keine Autos fahren und kein Alkohol ausgeschenkt werden.

Die Stadt ist so tot, da kannste gleich auf den Friedhof gehen!

Das tun wir auch. Er ist überraschend hübsch, die Gräber sind liebevoll gepflegt und manch eines ist luxuriöser als die Hütten der Armen…

Santa Cruz N (8)

Wir treffen dann doch noch Menschen: Radfahrer, und zwar top-ausgerüstete, mit modernsten Rädern, Helmen und Kleidung sowie Rollerbladefahrer haben die Stadt leise übernommen.

Am Abend wacht die Stadt auf: Autos fahren hupend durch die Straßen, Menschen singen, Böller werden abgefeuert. Da hat jemand gewonnen. Nur wer? Das wird erst in ein paar Tagen sicher feststehen. Es bleibt spannend.

Am Montag gehen wir auf den Markt.

Santa Cruz S (24)

Auf dem gibt es alles. ALLES! Teils fein säuberlich in Abteilungen oder Straßen geordnet, teils komplett durcheinander: Es gibt eine Zeile der Garküchen, eine mit Gemüse, Nudeln, Käse und Fleisch, eine für Haushaltswaren. Und dahinter eine Gasse, in der Nähmaschinen repariert werden.

Fußgetriebene.

Strom gibt es offensichtlich nicht überall in diesem Land!

Santa Cruz S (35)

Die Sehenswürdigkeiten von Santa Cruz haben wir also hinter uns. Morgen geht es weiter nach La Paz.

INFO

Es gibt nur zwei Gründe, um nach Santa Cruz zu fahren: Hin-und Rückflug.

Geldautomat: Am Flughafen Viru Viru im ersten Stock vor den Gates, gibt auch Dollar, und an der Plaza 24 de Sept/Calle 24 de Sept.

Die Stadt ist heiß und schwül, die Sehenswürdigkeiten beschränken sich auf einen kleinen Platz.

Essen: Kiwi-Cafe, Calle Bolivar 208, mexikanisch angehaucht, hübsch. Samstagsabend wird Tango getanzt.

Kaffeehaus Picolo, Calle 21 de Mayo, Ecke Junin; mit guten Kuchen, auch Frühstück, Mittag- und Abendessen

Alle Bolivien Info unter Downloads & Links

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19. Februar 2016
von Steffi
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Es gibt immer ein Erstes Mal…

Der obige Satz hat Tradition in unserer Familie, es ist unser geflügelter Satz.

Schuld daran ist mein Frauenarzt.

Ich war schwanger. Nein, nicht zum ersten Mal.

Ich war auch nicht zum ersten Mal beim Ultraschall. Allerdings beschrieb mir der Arzt jetzt so in der 5. oder 6. Woche zum ersten Mal mein Kind:

„Sehen Sie, hier ist das Köpfchen. Es ist ganz deutlich zu erkennen.“

Stimmt.

Er maß es aus.

„Ja, es ist gut entwickelt. Und hier schlägt schon das Herz.“

Das Pulsieren war deutlich zu erkennen.

Etwas schien den Arzt zu verwirren. Er rutschte weiter mit dem glitschigen Teil auf meinem Bauch herum. Klingt unanständig, so eine Ultraschalluntersuchung, ist es aber nicht.

Und auch ich war verwirrt: Wenn das da oben der Kopf war, was war dann DAS da unten?

„Gibt es in ihrer Familie Zwillinge?“

„Nein“

„Es gibt immer ein erstes Mal!“

Seitdem gab es noch viele weitere erste Male in meinem Leben. Relevant für unsere Segelreise waren:

Unser erster langer Auslandsaufenthalt in England, denn er lehrte uns loszulassen.
Unser erster langer Auslandsaufenthalt in Brasilien, denn er gab unserem Schiff den Namen und bestimmte sozusagen den Kurs.
Unser erster langer Auslandsaufenthalt in Russland zeigte uns, was uns wirklich wichtig ist.
Mein erster Segelschein.

Mein quasi erster Segelversuch

Mein quasi erster Segelversuch

Unser erstes Segelboot, eine Etap 21i mit Namen Jemanja.

Jemanja in Veli Rat

Jemanja in Veli Rat

Das erste Mal Großmutter werden, denn es verzögerte unsere Reise um ein Jahr.
Unser erstes Mal im Ärmelkanal, vor Zeebrügge, lehrte mich mit meiner Angst umzugehen.
Unsere erste Nachtfahrt über die Biskaya, machte Mut.
Die ersten Delfine.
Mein erster Kopfsprung.

JAAAAAAAAA!

JAAAAAAAAA!

Das erste Mal in Windstärke 9.
Die erste Atlantiküberquerung.

Und jetzt liegt wieder ein erstes Mal vor uns:

Das erste Mal mit dem Rucksack, zum ersten Mal einfach drauflos, nach Bolivien, zum ersten Mal in diesem Land.

Die Crew der Yemanja backpacking in Bolivien.

Morgen geht es los. Ich werde euch davon erzählen. Demnächst hier auf diesem Blog. Und auf Facebook unter SailingWithYemanja. Oder unter sy_yemanja auf  Instagram

Huch – da war doch noch ein erstes Mal, letztes Jahr – mein erster Joint! Echt! Der allererste!

Ein paar Jahre später haben wir dann die ersten Zwillingseinhörner

Die ersten Zwillingseinhörner in der Familie – das liegt am Karneval, nicht am Joint!

Weitere „Erste Male“ findet ihr bei der Blogparade von Karin unter sweetsixty.de

17. Februar 2016
von Steffi
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Ein paar Gründe, um Bahia zu lieben

Ein vielleicht fünfjähriger Junge in Badehose und Flipflops geht mit seinen Eltern an der Bar vorbei, vor der wir sitzen. Eine Art weiße Duschhaube mit einem roten Federchen vorne drauf identifiziert ihn als Aladdin. In Salvadors Karneval verkleiden sich die Kinder.
Vor dem Wirt bleibt er stehen, offensichtlich kennen sie sich. Der Wirt wünscht sich ein Auto…
Am nächsten Tag ist das Kind als Superman verkleidet.

In Ribeira

Unser brasilianisches Alter Ego vor türkiser Wand – dort sitzen oft wir.

Wir sitzen in einer kleinen Gasse in Ribeira, dort, wo die Einheimischen ihr Bier trinken. Straßenhunde suchen ihr Futterglück. Ein Pärchen setzt wechselt sofort auf seinen Stammplatz unter dem Straßenschild „Rua Clovis de Almeida Maia“, als er frei wird.. Ein, zwei Bars weiter tanzt eine zwergwüchsige Frau, Bierdose in der Hand. Ihr Kittel ist alt, braun, mehr als ihn hat sie wohl kaum zum Anziehen. Doch vom Tanzen kann sie nichts abhalten.

Tanz in Ribeira

Ein Vater sitzt auf einem Surfbrett, vielleicht ist es ja auch ein spezielles Stehpaddelbrett. Neben ihm schwimmt sein Sohn, hält sich immer wieder fest, wird von seinem Vater immer liebevoll korrigiert und ermuntert weiter zu schwimmen. Schwimmunterricht vor Itaparica.

Schwimmunterricht

Schwimmunterricht

Ein paar Tage später sind wir wieder in der Bar da Maria, hinter dem Restaurant Tijupa. Heute tanzt nicht die Zwergin, heute probt ein kleines Mädchen den richtigen Hüftschwung und den dramatischen Schlussakkord ihres zukünftigen Karnevalshits: In einer Hand hält sie ein imaginäres Mikrofon, die andere streckt sie theatralisch langsam von sich, der Kopf liegt im Nacken, die Augen geschlossen. Ist sie fünf? Oder sechs? Wie in jedem (kleinen) Mädchen steckt ein Superstar in ihr.

Ein Dosensammler hält den Bus an. Dieser stoppt mit den Hinterreifen genau vor dem Mann. Er wirft seine beiden großen, gefüllten Mülltüten unter dem Bus, vor die Räder. Der Bus rollt an, zerquetscht die Dosen – es ist wieder Platz in der Tüte für mehr.

In einer Seitengasse wäscht ein Mann sein Auto. Das Auto steht dicht am Haus auf dem Gehweg. Der Mann steht am Balkon oben drüber und spritzt mit dem Schlauch von oben das Auto ab.

Meine Freundin möchte die Hunde ausführen, ein kurze, schattige Runde, denn es ist schon sehr warm. Einkaufen will sie auch. Für beides nimmt sie erstmal das Auto.
„Ah, da ist mein Gemüsemann!“
Sie parkt unter einem großen Baum und inspiziert die Waren, die Benedito auf seinem Fahrrad anpreist: Alface Americano – Eissalat, Rucola, normaler Salat, getrocknete Garnelen und eine beachtliche Menge an Gewürzen führt er auf der kleinen Fläche mit.

Benedito und sein Fahrrad

Benedito und sein Fahrrad

Es sind Momente wie diese, die ich immer wieder beobachte, die mein Herz weit für die Menschen in Salvador und Umgebung öffnen. Ihr Lachen, ihr Strahlen, ihr Kampf ums tägliche Brot, die vertrauensvolle Hilfe, die Unkompliziertheit des Lebens und Leben lassen. Die Lebensfreude.

Oh ja, ich sehe den Müll auf den Straßen, die Junkies, jene, die kaum wissen, wie sie ihre Kinder satt kriegen sollen. Ich sehe die Gleichgültigkeit, das Abwenden vom Bedürftigen, die Behinderten, die Kluft zwischen arm und reich. Ich nehme Sexismus und Rassismus wahr. Ich lese von der Korruption, der Ungerechtigkeit, der Hilflosigkeit der Massen. Das Leben in Salvador ist nur für wenige einfach. Und selbst für die Superreichen ist es in vielen Bereichen nicht so leicht und unbeschwert wie es für den Durchschnittsbürger in Deutschland ist.

Aber die Menschen hier berühren mich mit ihren Schwächen und Unzulänglichkeiten; mit der Kreativität und Grandiosität mit der sie beides meistern.

Es sind die Menschen, denen wir unterwegs begegnen, die süchtig nach mehr machen. Dabei frage ich mich natürlich: Wieso gelingt es mir zu Hause nicht, so offen auf Menschen zu reagieren? Sicher, in Deutschland wird nicht ganz so viel öffentlich gelächelt, gesungen und getanzt. Doch die Schranke ist in mir:
Zu Hause kann ich die Menschen einordnen, auf Grund von Sprache oder Aussehen in Schubladen stecken: Tourist, Türke, Snob, Obdachloser, Assozialer, Neonazi, Quatschtante, Oma, genervte Mutter, Tussi … seltsam, positive Bilder sind selten dabei.
Dabei sind die Menschen zu Hause genauso großartig!
Doch etwas ist anders:
Fürchte ich mich davor, in eine Schublade gesteckt, bewertet und für nicht gut genug befunden zu werden? Komisch, dabei dachte ich, ich hätte das längst hinter mir gelassen! Die Kultur der Abgrenzung in Deutschland  trifft daheim auf ihr Gegenstück, wie ein Schlüssel ins Schloss.
Und so baue ich eine Art virtuellen Zaun um mein Herz.

Verrückt! Ob es mir gelingen wird, das zu ändern?

Wird es dir unterwegs gelingen? Erzähle mir von deinen Erfahrungen!

Mangue Secco - Dünentour

13. Februar 2016
von Steffi
4 Kommentare

Mangue Seco – auf Sand gebaut

Mangue Seco, ein Ort am Ende der Welt. Okay, am Ende Bahias. Am nördlichen. Einer, den Touristen am Leben halten und der doch so gar nicht touristisch ist.

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Es gibt Hotels, Restaurants, Internet und WiFi, zahlen kann man mit Visa, auch am Strand, und der Fernseher in der Hotelbar läuft ununterbrochen.

Mangue Seco-0407

Und es gibt Sand. Viel Sand.

Vor der Kirche in Mangue Seco

Kirchenplatz

Mangue Seco wurde bekannt durch die Verfilmung von Jorge Amados „Tieta do Agreste“: Tieta, einst vom Vater verstoßen, kehrt vermeintlich reich in ihr Heimatdorf zurück. In Wahrheit gehört ihr das beste Bordell in Sao Paulo, was für den Verlauf der Geschichte nicht nebensächlich ist. Seit dem Film kommen die Touristen und verhelfen den Einwohnern zu bunt gestrichenen, gepflegten Häuschen, einem offensichtlich recht gutem Einkommen und ein wenig Glamour:

Pousada Fantasia do Agreste, Mangue Seco

Glamour in Mangue Secco

Häuser in Mangue Seco, Bahia

Bunte Häuschen

Mangue Seco liegt am Ende einer Landzunge, an drei Seiten von Meer umgeben. Und an einer davon auch noch mit Wanderdünen. Die verschlingen zwar einerseits das Weideland, andrerseits sind sie der Reichtum des Ortes, denn die tropische Dünenlandschaft ist eine seltene From der Küste.

Außerdem: Hierhin kommt man nicht mit dem Auto oder dem Bus, nein man muss sich per Boot übersetzen lassen. Oder man fährt über eine Lehmpiste um dann im Nirgendwo das Auto stehen zu lassen und sich mit dem Buggy weiter fahren zu lassen.

Wir haben unsere Wegbeschreibung im Schiff vergessen und so finden wir den Weg zum Bootsanleger nicht. Wir fahren dreimal die Straße auf und ab, wohl nicht weit genug, dann nehmen wir den Abzweig „Mangue Seco passeio via Buggy“.

Nach fünfzehn Kilometern Lehmpiste ist Tomy nicht amüsiert, als ein Schild auftaucht, welches uns weitere 15 Km ankündigt. Dabei ist die Gegend schön: Große Farmen mit einigem Bestand an Vieh oder Kokospalmen säumen es, kleine Gewässer beleben es und rechts verschlingen die Dünen die Palmen. Ein Äffchen sitzt auf der Straße, die so breit ist, wie eine Schnellstraße.
Nur holpriger.

Wir haben keine Ahnung, wo sie hinführt, nur eine Hoffnung…

Auf einem sandigen Platz endet sie. Rechts steht ein Haus, mitten auf dem Platz parken drei Autos. Gegenüber, hinter dem Fußballfeld großem Terrain stehen auch ein paar Häuser. Dazwischen deutet eine Sandpiste ein Weiterkommen an.
Nur nicht mit unserem Auto.

Vor dem Haus rechts steht eine junge Frau, ich frage sie nach dem Weg. Sie erklärt mir, dass es von hier aus nur mit „Bugi“ – genauso ausgesprochen – weitergeht und bietet an, einen zu rufen. Ein paar Minuten später ist Adriano mit seinem roten Bugi zur Stelle. Für 120 Reals, immerhin 30 Euro, will er uns nach Mangue Seco fahren.

Unser Auto im Nirgenswo

Unser Auto im Nirgenswo

Auf ins Abenteuer!

Er verlädt unsere Rucksäcke auf dem Vordersitz und bedeutet uns hinten auf der Haube Platz zu nehmen und uns gut am Überrollbügel festzuhalten. Und dann geht es los.

Ein sandiges Dorf, komplett mit Hund, Hühnern und bunter Wäsche, lassen wir schnell hinter uns. Jetzt geht es wieder durch eine von Dünen begrenzte Weidelandschaft. Ein schlafender Hund auf der Piste wird langsam umfahren, Kühe, Pferde und Ziegen lassen uns mehr oder weniger zögerlich vorbei. Weiße Knochen liegen neben einen Gebüsch. Ein Pferd? Eine Kuh?
Über uns schweben die Geier.

Gelegentlich kommt uns ein Buggy entgegen. Tomy rätselt, wo die die VW-Boxermotoren herbekommen. Gebaut werden sie nicht mehr.

Des Rätsels Lösung?

Des Rätsels Lösung?

Und er zweifelt, ob wir je unser geliehenes Auto wiederfinden.

Nach vielleicht zwanzig Minuten kommen wir wieder nach Mangue Secco, doch die Fahrspur ist von der Flut überspült, wir müssen zu Fuß weiter durch den Sand. Adriano zeigt uns den Weg und legt uns gleich eine Bugi-Tour für den nächsten Tag ans Herz. Doch wir sind erst mal nur froh, da zu sein:

Unter einem Flammenbaum liegen ein paar ältere Damen in der Hängematte und halten ihr Spätnachmittags-Schwätzchen. Bunte Wäsche trocknet in der Sonne, Kühe liegen träge unter einem anderen Baum. Ein paar Pferde stoben über den Dorfplatz. Stolze Hähne scharen ihre Hühner um sich und ein Äffchen klettert flink über dem Eingang der Pousada.

Über den Ort liegt eine ansteckende Trägheit.

Und drunter Sand. Ich kann es nicht oft genug erwähnen.

Wenn ich Sand nicht so hasste, würde ich hier meine Memoiren schreiben.

Der junge Mann an der Rezeption findet nach einigem Suchen unsere Buchung. Ich hatte per Booking.com reserviert, doch weder meine noch Tomys Kreditkarte wurde angenommen. Auch jetzt klappte die Bezahlung nur unter dem Schatten spendenden Baum am Dorfplatz vor der Tür.

Bezahlen per Kreditkarte geht nur unter dem Baum vor der Türe

Bezahlen per Kreditkarte geht nur unter dem Baum vor der Türe

Kurze Zeit später suchen wir ein Restaurant, werden direkt gegenüber fündig. Es ist nur eine bessere Strandbar. Kulinarische Hochgenüsse werden wir wohl hier kaum erleben.* Verhungern werden wir auch nicht. Höchstens vor Langeweile sterben.

Aber das werden meine Kamera, Lightroom, der Kindle und der Tolino schon verhindern!

Am nächsten Tag holt Adriano uns zur Bugi-Tour. Erst zieht er sein Rennleiberl an, ein langärmliges T-Shirt mit schnittigem Aufdruck, das darauf hinweist, dass er im Dienst ist. Er grüßt jeden, hat er doch früher in Mangue Seco gearbeitet. Fünfzehn Jahre lang ging er täglich eine gute Stunde von Coqueiro zu Fuß zur Arbeit. Als Bugi-Besitzer verdient er sein Geld sicher einfacher und mit mehr Spaß!

Er gibt Acht auf uns: Ob ich mich genügend eingecremt hätte? Hab ich – trotzdem sehen meine Hände heute aus, wie ein gekochter Hummer. Adriano hilft der alten Dame – mir – in und aus dem Buggy, achtet darauf die Sitzfläche aus der Sonne zu klappen und macht typische Touristenfotos von uns.

Wir müssen die Palmen stemmen

Wir müssen die Palmen stemmen

Die Tour geht durch die Dünen, am Strand entlang, nach Coqueiro, an unserem Auto vorbei, durch Weideland zu den Barracas am Strand: Palmgedeckte Unterstände mit Hängematten darunter laden dazu ein, nichts zu tun.

Nun denn, wenn es sein muss!

*Das erwies sich als Irrtum: Im örtlichen Hostel aß ich den kreativsten und besten Salat Bahias, der konnte doch glatt mit den Kreationen in Südafrika mithalten! Die Pizza dort ist auch ordentlich!

INFO

Anfahrt von Salvador mit dem Auto auf der B099 und B 100 bis Pontal, Abzweig hinter Indiaroba, dann per Boot übersetzen
Anfahrt über die B099 bis  Abzweig Costa Azul, hinter km 172, dann 32 km Lehmpiste, ab Coqueiro per Buggy weiter.
Mit dem Bus bis Estancia, mit dem Taxi bis Pontal und dann mit dem Boot.
Mehr auf der Website des Hostels.
SEGLER: Mit einem Katamaran und genügend Abenteuerlust kannst du vermutlich auch in den Rio Real, der die Landzunge vom Land trennt, segeln. Keine Vermessung. Also wir haben welche gesehen, die es getan haben.

Viele Pousadas, auch das Hostel, holen in Salvador am Flughafen ab. Websites auf Englisch

Übernachten:
Pousada Fantasia do Agreste ist nett und direkt im Ort, gutes Frühstück
Pousada do Forte liegt hintern dem Ort, der in 5 Minuten zu Fuß über die Dünen erreichbar ist. Sie liegt direkt an einer kleinen Bucht. Diese Lage würde ich bevorzugen. Sie holen auch am Flughafen ab. http://www.pousadaoforte.com

Essen:
Restaurant Na Cajazeira im Hostel auf dem Weg zur Kirche, fast neben der Pousada Fantasia do Agreste

Atlantikstrand:
Man kann sich mit dem Buggy hinfahren lassen.
Oder man geht ca 25 Minuten zu Fuß: Links hinter der Kirche hinauf in die Dünen, Richtung Leuchtturm, dann den breiten Sandweg zwischen den Zäunen hinunter in die Bucht (~7 min), am Strand entlang nach rechts bis zur Pousada do Forte (~1 min). Von da der Sand/Lehmpiste folgen (~15min)

Moskitospray für abends mitbringen!