So viele Menschen haben mir von der vorgeschwärmt! Von diesem unfassbaren Sternenhimmel. Natürlich wollte ich wissen, ob er so tief unten so grandios ist wie hoch oben in den Anden. Und wieder wurde ich enttäuscht: Es war Vollmond.
Nun, das hätten wir bei der Buchung ja berücksichtigen können, es war aber für meine beiden Freundinnen nur dieser eine Termin möglich. Macht nichts, die Wüstenwanderung war trotzdem ein eindrucksvolles Erlebnis!
Sie begann hinter Ouarzazate. Das ist der letzte Ort, eine große Oase, vor der Wüste. Folglich lag die gesamte Strecke laut meiner Karte in Ouarzazate. Weil sonst ja da nichts ist. Was natürlich so nicht stimmt, denn einst gab es da einige Oasen. Aber ich greife vor.
Am frühen Morgen holt uns unser Guide, Abdel, im Riad ab: Der Weg von Marrakesch über den Hohen Atlas bis nach Ouarzazate ist lang. Etliche Baustellen unterwegs sorgen dafür, dass er sich noch mehr zieht. Erst abends, kurz vor Sonnenuntergang kommen wir bei unseren Kamelen an. Die hängen hinter einem kleinen Ort hinter Ouarzazate am Ende des mit einem normalen Auto befahrbaren Weges in der Gegend rum.
Irgendwo hinter Ouarzazate
Die beiden Kamelführer, die uns die nächsten Tage begleiten werden, binden unser Gepäck auf die Kamele. Sie kommen nach, wir gehen schon mal mit Abdel vor zu unserem Zeltlager: Zwei weiße Zelte im Beduinenstil vor Palmen im warmen Licht des Sonnenuntergangs erwarten uns. In einem ist die Küche und unser Aufenthaltsraum, es ist auch Schlafplatz für den Koch und den Guide. Das andere ist – das Sch…haus. Dafür wird ein Loch in die Erde gegraben, darüber kommt das Zelt. Das Geschäft wird mit Sand bedeckt, dazu gibt es auch ein Schäufelchen. Papier kommt in eine Tüte, die mit anderen möglichen Abfällen am nächsten Morgen verbrannt wird. Vor dem Zelt steht ein mit Wasser gefüllter Teekessel, daneben Seife, zum Händewaschen. Komfort pur, also!
Erstes Lager
Abdel II, unser Koch, hat Abendessen für uns vorbereitet. Was es war, weiß ich nicht mehr, mir ist sowieso nichts in guter geschmacklicher Erinnerung geblieben. Das lag nicht an ihm. Er gab wirklich alles, um uns in der Wüste abwechslungsreich zu ernähren. Kulinarisch war Marokko einfach eine Enttäuschung, aber das hab‘ ich schon geschrieben. Abdel Guide warnt uns eindringlich davor, das Zelt oder unser Gepäck offen zu lassen: Es könnten Skorpione hineinkrabbeln. Danach kriechen wir in unser stinknormales Zelt. Ich habe panische Angst davor zu frieren, also habe ich etliche Schichten Wäsche an, drüber einen dicken Pulli. Meine Kleidung nehme ich mit in den Schlafsack und die angebotene Wärmeflasche nehme ich natürlich auch an.
Ich erfriere in dieser Nacht nicht. Und auch nicht in den folgenden.
Kamel in der Abendsonne, noch frei
Die Aufgabe der Kamelführer am nächsten Morgen ist es, das Küchenzelt und das Toilettenzelt zusammenzulegen und gemeinsam mit dem Geschirr, den Lebensmitteln und unseren Zelten und Gepäck auf die Kamele zu binden. Unsere Aufgabe ist es, unser Zelt abzubauen. Offensichtlich stellen wir uns so dämlich an, dass sie diese Aufgabe auch übernehmen: Uns helfen würde länger dauern.
Zu viert marschieren wir los. Da wir zu dritt die Reise gebucht haben, besteht unsere Gruppe auch nur aus uns drei Freundinnen und dem Guide Abdel. Später wird uns noch Ibrahim, einer der Kamelführer, mit einem Reitkamel einholen. Das hatte ich zusätzlich gebucht, eigentlich für meinen Tagesrucksack, weil ich nach einiger Zeit Tragen fürchterliche Rückenschmerzen bekomme. Die Kamele mit unserem Gepäck gehen einen anderen Weg: Sie werden auf eher festen Boden um die Dünen herumgeführt.
Wir gehen durch eine aufgelassene Oase. Es wird nicht die letzte sein… Noch stehen einige verfallene Gebäude, wir können auch die Furchen erkennen, die einst die Felder zur Bewässerung durchzogen haben. Später gehen wir über etwas, das mich an Sandstrand erinnert. „Mir fehlen die Muscheln,“ sage ich – und schon liegt eine zu meinen Füßen! Wir wandern durch ein ausgetrocknetes Flussbett. Und auch dieses ist nicht das letzte: Der Klimawandel hat Spuren in Marokko hinterlassen.
Hier war einst eine Oase
Im Grunde führt unser Weg jeden Tag mehr oder weniger entlang eines Flussbettes und immer in Sichtweite der algerischen Grenze. Wir werden beobachtet, meint Abdel. Irgendwie ist das ein Trost: Die Grenze ist so etwas wie Zivilisation, wie Rettung in der höchsten Not, also falls Abdel und unsere Mannschaft irgendwie verschwinden sollten. Dabei ist es sowieso eine Illusion, mitten in der Wüste zu sein: Versteckt hinter einer Düne steht abends ein Jeep, der Wasser bringt. Den entdecke ich nur zufällig, denn die Veranstalter– parallel zu uns sind andere Reisegruppen unterwegs – geben sich große Mühe, uns glauben zu lassen, wir wären die einzigen Menschen unterwegs. Wir lassen uns gerne täuschen und geben uns große Mühe auch die 8 oder 9 Jeeps zu übersehen, die am letzten Tag an uns vorbeirauschen.
Die Illusion, weit weg von der Zivilisation zu sein…
Am zweiten Tag müssen wir recht früh los, der Weg zur Löwendüne, der höchsten weit und breit, ist weit. Unterwegs kommen wir an einem lila blühenden Strauch vorbei. Wir Pflanzennarren sind entzückt, ebenso wie einige Insekten.
Und das Kamel: Ibrahim geht hinter uns, reißt die Pflanze aus und hält sie dem Kamel vors Maul. Meine Freundin und ich haben einen Schock!
Das Kamel kaut stoisch an der Pflanze.
Abends campieren wir am Fuße der Düne. Wir Frauen klettern auf eine Düne und lassen uns vom Panorama und der untergehenden Sonne verzaubern. Im Hier und Jetzt bleibt die Zeit stehen, ein Hauch von Ewigkeit umgarnt uns. Es ist ehrfurchtserregend schön.
In der Zwischenzeit backen die Männer auf traditionelle Weise Fladenbrot in einem Erdofen, einer Höhle unter dem harten Sand der Oberfläche. Abdel, jetzt in seiner Beduinenkluft, klettert auf eine Düne auf der Suche nach einer Telefonverbindung. Tradition trifft Moderne.
Brot wird auf traditionelle weise gebacken
Die Kamele suchen Futter, auf drei Beinen trottend. Eines wird ihnen hochgebunden, damit sie nicht den Weibern hinterherlaufen können. Arbeitskamele sind nämlich immer männlich, die Weibchen und ihre Jungen ziehen in Herden herum. Nicht wild, nein, sie haben Besitzer und werden gehütet. Es ist erstaunlich, wie weit die männlichen Tiere trotz diesem Handicaps kommen. Und noch mehr wundern wir uns, dass die Kamelführer sie jeden Abend knapp nach Sonnenuntergang wiederfinden und ins Lager bringen. In der Nacht werden ihnen dann zwei Beine zusammengebunden. Sicher ist sicher.
Fütterung der Kamele
Am nächsten Morgen klettern, rutschen, hatschen wir auf die große Düne. Bald gehen wir barfuß durch den warmen, weichen Sand, der andernfalls sowieso in den Schuhen landen würde.* Es ist ein wunderbares Gefühl. Hie und da sehen wir Spuren von Vögeln im Sand, oft die von Mistkäfern und selten welche von anderen Wüstentieren. Außer den Mistkäfern und einer Eidechse bekommen wir aber keines zu Gesicht.
Auf der großen Düne
Später führt unsere Wanderung entlang des mächtigen Flussbettes der Draa. Sie ist natürlich ausgetrocknet. Es ist unser letzter Tag in der Wüste, also klettere ich auch auf das Kamel. Eine Stunde halte ich es aus: Das Kamel stinkt, es ist ziemlich unbequem und es kostet einige Mühe, oben zu bleiben. Aber gut, ich kann Kamelritt von meiner Löffelliste streichen. (Stand gar nicht drauf.)
Reiten war noch nie mein Ding. Foto Brigitte Koliander
Die Wanderung endet ein Stückchen hinter einem Brunnen. Wieder lagern wir malerisch zwischen den Dünen. Eine davon schirmt uns vom Lager ab und wir können duschen. Also uns Wasser aus Kanistern über den Kopf gießen. Meine Freundinnen genießen das sehr, ich verstehe es nicht: Warum soll ich mitten in der Wüste, hinter einer Düne duschen, wenn ich doch eh am nächsten Tag in einem Hotel mit Haman übernachte? Na gut, vielleicht stinke ich ja doch!
Nach der vierten Nacht in der Wüste holt uns ein Jeep ab. Nein, der war natürlich schon die ganze Nacht da, wieder versteckt. Er soll uns in den nächsten Ort und damit zu einer befestigten Straße bringen. Keine 100 Meter vom Lager entfernt bleibt er stecken. Wieder wird Gestrüpp, das es hier reichlich gibt, ausgerissen und abgebrochen und unter die Räder gelegt. Ist ein bisschen wie stecken bleiben im Schnee…
Foto Barbara Schaefer
Bald geht es weiter über einen ausgetrockneten See, vorbei an Kamelherden und eindrucksvollen Bergen. Es wird grüner, am Wegesrand blühen Graslilien. Zwei Tage haben wir noch – und keine Ahnung, welchen Bonus uns das Reisebüro verkauft hat. Wir wollten ja nur Marrakesch, Anima Garten und Wüste…
Aber natürlich hat Marokko noch mehr zu bieten!
* Das heißt in meinen nicht: Ich gehe sowieso mit Barfußschuhen, die eigentlich Socken mit Sohle sind. Nur teurer. Mit diesen Schuhen gehe ich übrigens überall hin, je unwegsamer, umso weniger schmerzen meine alten Füße.
Hier geht es zu den anderen Beiträgen über Marokko:
Wqrum ich von Marrakesch etntäuscht war
In Andre Hellers Anima Garten