Beim Besuch des Museu do Mar hoch oben am Largo Santo Antonio frage ich mich: Wieso war ich hier noch nicht? Wieso habe ich noch nie von Aleixo Belov, dem ersten Einhandweltumsegler unter brasilianischer Flagge, gehört?
Nun ja, das Museum gibt es erst seit 2021! Es ist neu und hat sogar eine englische Broschüre über das inspirierende Leben Aleixo Belovs. Er hatte einen Traum, klagte nicht über das, was fehlte, sondern machte sich daran, es zu lernen und zu bauen.
Aleixo – in Brasilien wird oft der Vorname verwendet – geboren am 9. Januar 1943, flüchtete am Arm seiner Mutter im Alter von 6 Monaten aus der Ukraine. Mit ihm kamen sein Vater und seine zweijährige Schwester. Die Familie versuchte in Polen, Italien und anderen europäischen Ländern Zuflucht zu finden. Als er sechs Jahre alt war, entschloss sich sein Vater nach Brasilien auszuwandern. Dimitri war Agraringenieur und erhoffte sich dort Möglichkeiten, verdiente den Lebensunterhalt dann allerdings als Mathematiklehrer. Er unterrichtete unter anderem die Kinder von Jorge Amado. Die Mutter Zinaida, war Ärztin durfte aber als solche in Brasilien nicht arbeiten und konnte sich nie richtig integrieren. Sie lehrte Aleixo Alleinsein nicht als Einsamkeit zu betrachten.
Aleixo Belov, seit 1965 brasilianischer Staatsbürger, studierte an der Universität in Salvador Bauingenieuer. Als er und sein Freund eine Taucherbrille geschenkt bekamen, eröffnete sich ihm eine neue Welt. Er träumte davon mit dem eigenen Segelboot die Ozeane der Welt zu besegeln und in ihnen zu tauchen.
Er analysierte genau, was er brauchte, um seinen Traum zu verwirklichen:
- Die Bücher, die er lesen musste
- Kenntnis mehrerer Sprachen
- Kenntnis von Astronavigation (GPS gab es noch nicht)
- Karate
- Wie man ein Hochseetaugliches Schiff baut
- Segelkenntnisse
Systematisch machte er sich daran, all das zu lernen – und sein eigenes Schiff zu bauen. Er brauchte 15 Jahre bis er am 16. März 1980, heute vor 44 Jahren, mit seinem 11m großen Schiff, der Três Marias zu seiner ersten Weltumsegelung aufbrechen konnte.
Die erste Segelerfahrung sammelte Belov an Bord eines Cargoschiffes. Er wurde fürchterlich seekrank, aber das hielt ihn nicht auf. Auf der Corvette Ipiranga lernte er Astronavigation. Vier Jahre lang half er einem Freund, dessen Segelboot Santa Maria zu renovieren. Als zweiter Offizier war er auf diesem Schiff auf dem Weg nach Norden für die Navigation zuständig. Er verließ die Santa Maria in der Karibik um mit einer multinationalen Crew an Bord der Ariels nach Frankreich zu segeln. Mit Pierre Chassin auf der Concorde segelte er von Salvador nach Kapstadt. Dabei stellte er fest, dass es besser wäre, allein zu segeln.
Belov hatte nicht viel Geld, deshalb baute er sein Schiff, die Três Marias selbst. Den Bauplan der Roberts 36 kann man heutzutage im Internet kaufen. Aleixo Belov entschied sich für einen Langkieler, damit das Schiff für Reparaturen im Sand trocken fallen konnte. Abgesehen davon ähnelte die Três Marias in den Maßen unserem Schiff, einer Aphrodite 36:
- Länge: 36 Fuß, 11,30m,
- Breite: 10 Fuß, 3,40m,
- Tiefgang 1,60m,
- Gewicht: 8 Tonnen,
- Motor: Volvo Penta mit 23 HP,
- Segel: Ulmann und Pelicano,
- Windsteueranlage: Aries,
- CQR Pfluganker 23kg;
Den Mast nahm Aleixo Belov von einem größeren Schiffswrack, er musste eingekürzt werden – nicht zum letzten Mal. Benannt ist die Três Marias nach den drei Frauen seiner Familie: Maria, seine Frau, Marúcia und Mariana, seine beiden Töchter.
Drei Jahre brauchte er für den Bau. Der Rumpf ist aus Holz, das er in monatelanger Arbeit laminierte und schleifte. Hilfe hatte er nur von einem Zimmermann. Er baute in seiner Freizeit. Geld war nicht viel da, doch er verfolgte unerbittlich seinen Traum, fand so immer wieder Wege, um Geld zu verdienen. Am Bauende war sein Konto in den roten Zahlen, Freunde schleppten sein Schiff an die Küste und ließen es zu Wasser.
Am 16. März 1980 stach Aleixo vom Mercado Modelo in Salvador in See zu seiner – und Brasiliens – erster Einhandweltumsegelung. Er setzte Kurs nach Norden, Richtung Recife und die Karibik, doch schon in Itapuan wurde er seekrank. Er holte die Segel ein, übergab sich, ruhte sich kurz aus – und setzte wieder Segel.
14 Monate war er unterwegs, nur 17 Häfen lief er an, denn Geld hatte er ja immer noch nicht viel. Das änderte sich nach seiner Rückkehr. 1981 gründete er die Belov Engenharia Ltd, eine Baufirma für Unterwasseranlagen. Für seine zweite Weltumsegelung, bei der er auch Verwandte in der Ukraine besuchte, entließ er alle Mitarbeiter und legte die Firma still. Nach seiner Rückkehr stellte er alle Mitarbeiter wieder ein und beschloss einen Stellvertreter einzusetzen, wenn er zu dritten Mal um die Welt segelte. 14 Jahre brauchte er, um einen aufzubauen.
Die Belov Engenharia baute und unterhielt in der Folge unter Anderem Hafenanlagen, Ölplattformen und andere Offshore Services. In der Werft in Salvador lief 2023 das weltweit erste Batteriegetriebene Pushboot für flache Gewässer vom Stapel.
Für die dritte Weltumsegelung hatte Belov auch genug Geld, um seine Familie, mittlerweile 5 Kinder, ein Enkelkind und seine zweite Frau in den Marquesas zu treffen und dort mit allen zu segeln. Weitere Treffen fanden in Indonesien und Südafrika statt.
In einer seiner Werften wurde sein zweites Schiff, die Fraternidade, gebaut. Es ist ein Segelschulschiff für eine Crew von 12 Leuten. Aleixos Ziel war es, jungen Menschen unabhängig von Herkunft oder Geld, Segeln und die Welt näher zu bringen. Auch mit der Fraternidade segelte er um die Welt, in die Antarktis und 2016 hinauf nach Alaska. Anfang 2022 warf er die Leinen los um mit dem Schiff die Nordwestpassage zu bezwingen. Am 11.11. 2022 kehrte er mit knapp 80 Jahren zurück nach Salvador, als erster Brasilianer, der die diese Reise unternommen hatte.
Seine Freunde schlugen ihm vor, die Três Marias als Denkmal öffentlich zugänglich zu machen. Einen Standort im Freien lehnte Belov aus Angst vor Vandalismus ab. Er fand das Haus am Largo de Santo Antônio Além do Carmo, hoch über der Bucht Baia dos Todos os Santos. Es wurde renoviert, wieder transportierten seine Freunde die Três Marias an ihren endgültigen Standort. Wie, ist mir bei den engen Gassen in der Altstadt von Salvador ein Rätsel. Doch die Três Marias steht da oben, allerdings mit weiter eingekürzten Mast. Was Meer und Wind nicht geschafft hatten, erledigte der Denkmalschutz: Er erlaubte nicht, dass der Mast durch den Giebel stach!