wären wir 2020 um Korsika, nach Sardinien und Sizilien, vielleicht hätten wir dort überwintert, vielleicht wären wir weiter nach Griechenland gesegelt…
Das klingt jetzt so, als hätten wir ein verkorkstes Jahr hinter uns. Manche wollen es streichen oder den Reset-Knopf drücken. Und für viele war es sicher ein sehr schwieriges Jahr, voller Ängste, Sorgen und Einschränkungen.
Wir waren in der glücklichen Lage, auch das vergangene Corona-Jahr genießen zu können. Dafür bin ich sehr dankbar. Und nicht nur das: Viel Schönes konnten wir nur erleben, weil unsere ursprünglichen Pläne nicht funktionierten. Ohne Corona hätte ich vieles so nicht erlebt. Und am Ende des Jahres habe ich sogar etwas Grundlegendes über mich selbst begriffen.
Aber der Reihe nach:
1.Tulpenfelder vor der Haustür
Ich liebe Tulpen! Im Garten, in der Vase und auch auf den Feldern in Holland. Dorthin reisen war ja im Frühling 2020 nicht möglich, aber Facebook und andere Reiseblogger entdeckten wir die Tulpenfelder in der Nähe von Grevenbroich, gleich bei uns in der Nähe. Und damit auch eine interessante Gegend, hier um die Ecke.
- Glühwürmchen
Endlich, im Juni konnten wir wieder zu unserem Schiff nach Genua und damit auch nach Neirone. In diesem Nest in den ligurischen Bergen, wo uns Füchse und Rehe Gute Nacht sagen hat unsere Freundin Paola ein Bed & Breakfast. Noch besser ist allerdings ihre hausgemachte Pasta. Eines Abends entdeckte ich dort eine leuchtende Teekanne – an diesem Abend fuhren wir durch einen funkelnden Wald zurück zum Schiff! Magisch, sag ich dir!
- Piraten kapern unsere Yemanja
Unsere älteste Tochter pokerte hoch – und gewann! Eine Woche vor Beginn ihres Urlaubs war klar, dass sie nach Korsika fahren konnte. So kam sie mit ihrer Familie wieder zu uns aufs Schiff, eine Nacht nur, aber das reichte den Enkeljungs, um das Schiff zu kapern…
- Pop-up Heurigen
Sehr zur Freude meiner knapp 94jährigen Mutter konnten wir sie alle im Sommer besuchen. Alle sind wir und unsere drei Töchter samt Familien. Wir waren zwar nicht alle gleichzeitig dort, aber immerhin mit der Familie der Enkelmädchen. Deren Vater hat viele Talente, unter anderem ist er Sternekoch. Der Plan war ein Grillfest für meine große Herkunftsfamilie, mit Abstand, im Garten. Natürlich regnete es an dem Tag, aber Mutter hat auch eine sehr große Garage. So stand dem Gelage unter dem Motto Pop-up Heuriger nichts im Wege.
Ohne Corona hätte es auch stattgefunden, da bin ich sicher. Nur dann eben ohne uns.
- Flusswanderung mit dem Enkelmädchen
Hinter Mutters Haus fließt ein kleiner Fluss. Was hatte das Enkelmädchen Spaß bei der Bachwanderung in der Schwechat! Das ist der Fluss, nach dem der Flughafen Wiens benannt wurde. Oder besser, der nach dem Ort, in dem er liegt, und dieser nach dem Bach an dem er liegt. Alles klar?
Das Enkelmädchen hätte natürlich auch ohne uns Spaß gehabt, aber ich nicht mit ihr!
- Rotterdam
Unser 39. Hochzeitstag führte uns nach Rotterdam, in ein Hotel am alten Hafen mit einem Whirlpool im Zimmer. Rotterdam hat nichts von der typischen holländischen Idylle – und ist doch so durch und durch typisch holländisch. Dafür sind natürlich die Menschen, die Holländer und ihr unkomplizierter Lebensstil verantwortlich. Moderne Architektur prägt das Stadtbild, ist nicht immer schön, aber sehenswert. Die Stadt stand ja wegen ihrer modernen Markthalle auf meiner Löffelliste. Deren Inneres, im Grunde nur Fressbuden wie auf jedem Jahrmarkt, fand ich etwas enttäuschend. Das Gebäude selbst ist eindrucksvoll. Und der riesige Markt am Samstag davor ist es erst recht.
Irgendwann wäre ich auch ohne Corona dahingefahren, aber ohne Corona vermutlich nicht in 2020. Eines ist sicher: Ich komme wieder!
- Tellaro
Im September konnten wir nochmals nach Genua aufs Schiff. Diesmal wollten wir wenigstens um Korsika segeln, aber dann kam die Reisewarnung und wir blieben brav in Ligurien. Nach Lerici segelten wir, weil wir dort noch wandern wollten.
Von Lerici führt ein idyllischer Wanderweg in das Fischerdörfchen Tellaro. Die Ausblicke auf die Bucht der Poeten (mit einigen Kreuzfahrtschiffen auf Reede) und die Küste sind seelenerfrischend. Und Tellaro ist ein hübscher Ort!
- Florenz und Pisa
Unser Plan, nach Pisa zu segeln und von dort aus mit dem Bus oder Leihauto Pisa und Florenz zu erkunden, scheiterte an einer anrollenden Schlechtwetterfront. Wir schafften es gerade noch rechtzeitig zurück nach Genua, bevor für einige Tage Gewitter und Sturm über uns hereinbrachen. Mit dem Auto sind die beiden Städte aber nicht weit von Genua entfernt. Trotzdem wäre ich in einem normalen Jahr nie hingefahren: Selbst jetzt, am Ende dieses außergewöhnlichen Sommers, waren mehr als genug Touristen dort. Es muss vorher ein Horror gewesen sein…
Wir hätten uns auch nie das Hotel, ein alter Palazzo mit Innenhof und hübschen Garten, gegönnt. Ich will nicht sagen, dass wir uns die normalen Preise nicht hätten leisten können, es wäre uns die Sache nur nicht wert gewesen. So aber bekamen wir auch eine Ahnung, wieviel Grün sich hinter den mächtigen Mauern der Stadt verbergen. Übrigens: Die Hygienekonzepte der Hotels und Restaurants waren vorbildlich.
Noch etwas bescherte uns Corona: Florentiner Straßenkunst! Da uns nichts in geschlossene Räume mit doch recht vielen Menschen zog, erkundigten wir die Street-Art Szene der Stadt. Und die kann sich sehen lassen! Ich war und bin immer noch begeistert!
- Ich habe wieder eine Löffelliste!
Im Februar 2020 war ich in Marokko und war von Marrakesch ziemlich enttäuscht, warum kannst du hier lesen. Ich dachte, ich bin reisemüde. Ich vermisste meine übliche Begeisterung für die Menschen und den Ort. Hatte ich schon zu viel gesehen und erlebt? War ich verwöhnt? Am Ende dieser Reise sah ich meine Löffelliste durch: Es reizte mich so gut wie gar nichts mehr. Doch nach den letzten Monaten fast ohne Abenteuer (Eine Ausnahme war die Bildersuche im Köln Mühlheim), wächst meine Sehnsucht nach Abwechslung. Nach Anregung. Nach Herausforderung, nach dem Meistern neuer, ungewohnter Situationen. So sehr ich meine Enkelkinder liebe und genieße, so gerne ich im Garten wühle – ein Teil von mir braucht das Abenteuer. Ausgeglichen bin ich, wenn ich zwei Leben in einem Leben leben kann!
Fairerweise muss ich noch sagen, dass meine Entzugserscheinungen nicht nur am Lockdown liegen, sondern auch am Winterwetter und Tomys Humpeln. Es ist nichts Besonderes, eine durchaus nicht ungewöhnliche Alterserscheinung, aber der Fuß ist geschwollen und er kann nicht weit gehen. Fahrradfahren macht ja gerade auch keinen Spaß…
Der Frühling kommt, die ersten Winterlinge blühen, die Sonne scheint – auch dieses Jahr wird gerade wegen Corona etwas Gutes und Schönes und auch Abenteuer bringen. Und wenn es springen Hand in Hand mit dem Enkelmädchen in gefrorene Pfützen ist! Oder eine Rutschpartie im verschneiten Wald mit den Enkeljungs. Oder… ich weiß da was, aber das verrate ich nicht. Nur so viel: Es wird wunderbar!
Ulrike vom Bambooblog fragt in ihrer Blogparade, was wir ohne Corona nicht erlebt hätten. Nun, das war meine Antwort! Ich hoffe sehr, dass du dem vergangenen und auch diesem Jahr etwas Positives abgewinnen kannst.