und es trotzdem eine Reise wert ist.
Marrakesch – ich glaube, ich hab‘ zu viel von dir erwartet! So viele Fotos habe ich im Vorfeld gesehen, so viele begeisterte Berichte gelesen. Marokko, so scheint es, war vor Corona das Traumziel schlechthin – meines war es ja auch! So war die Vorfreude groß, allein, die übliche Begeisterung und Faszination blieben zumindest in Marrakesch, aus. Vielleicht bin ich reisemüde, hab schon so viel gesehen, und vergleiche jetzt zu viel. Vielleicht lag es an der Sprache, Französisch ist ja nicht so meines, vielleicht war ich auch nicht in Stimmung.
Ich reiste mit zwei Freundinnen aus der Schulzeit. Die Reise war ein Geschenk an uns selbst zu unserem runden Geburtstag. Das letzte Mal waren wir vor zehn Jahren gemeinsam unterwegs, in Jordanien. So gut wir uns immer noch verstehen, so ähnlich unsere Interessen sind, in einer Dreierkonstellation mit Freunden, passe ich mich deren Wünschen und Ängsten an: Ich erkunde nicht so frei und mutig, wie ich es mit Tomy täte. Vielleicht war das ein Grund für die Enttäuschung.
Aber was habe ich denn erwartet?
Orientalisches Flair
Natürlich hat Marrakesch orientalisches Flair – wenn du kein anderes kennst! Die Häuser sind erdfarben gestrichen, höchstens mit weißen orientalischen Mustern verziert, das ist hübsch und sehr harmonisch fürs Auge. In den Gassen der Medina herrscht reges Gedränge: Autos (wenige), Mopeds (viele), Fahrradfahrer, Handkarren, Eselskarren und Fußgänger schlängeln sich mehr oder weniger schimpfend und geduldig aneinander vorbei. Verkauft wird eigentlich überall etwas: Von Handkarren, von der Erde, in den Geschäften. Vieles mutet exotisch an, ist unseren westlichen Augen fremd: Die halbe Kuh hängt neben dem Stand mit den Lederhandtaschen, gegenüber werden marokkanische Lampen und Teegläschen verkauft. Es gibt Datteln und süßes Gebäck. Eine alte Frau bettelt, eine andere verkauft altes Besteck aus Blech. Es gibt Schmuck und Schühchen, Kaftane, Tücher und etwas, was wir als Morgenmäntel bezeichnen würden, bei den marokkanischen Damen allerdings Straßenkleidung ist. Nur ein paar ältere Männer tragen noch Beduinenmäntel mit Kapuzen. Die jungen Männer sind westlich gekleidet, aber Kapuzen finden auch sie praktisch gegen die morgendliche Kälte. Ich bin sicher, der Trend zu Hoodies bei den Migranten kommt daher.
Der Souk ist ein Irrgarten aus Waren für Touristen, der Gauklerplatz genau das, was sein Name sagt: Ein Platz für Gaukler, Glücksritter und Touristen. Im Grunde ist die Medina, zumindest dort, wo die Touristen sind, nichts als ein riesiger, chaotischer Jahrmarkt: Wirklich orientalisch empfand ich das nicht. Da haben Istanbul oder Jordanien mehr zu bieten.
Ob da noch authentisches marokkanisches Leben herrscht, oder der Tourismus schon viel verdorben hat? Ich weiß es nicht! Dazu hatte ich zu wenig Gelegenheit, mich in dem Teil der Medina umzusehen, der von den Touristen weniger aufgesucht wird.
Einen kleinen Einblick bekommen wir aber doch: Die Gasse, in der unser Riad liegt, ist im Handwerkerviertel: Alte Männer nähen Schuhe, reparieren Kleidung oder bügeln: Es gibt viele Wäschereien dort! Auch Möbel und Türen werden hergestellt, es gibt sogar einen Zahnarzt!
Das Riad allerdings ist eine Oase, und genauso, wie ich mir das vorgestellt habe: Ein exotischer Garten, marokkanische Fliesen und Lampen, mit Diwan und Teppichen und einer Dachterrasse, ein Ort zum Erholen und um zur Ruhe zu kommen.
Wenn der höllisch laut zwitschernde Spatzenschwarm endlich schläft.
Essen
Tajine! Dieses Wort, dieser spezielle Kochtopf, lässt mir doch das Wasser im Mund zusammenlaufen! Und dann der Duft von Kreuzkümmel!
Ich liebe Kreuzkümmel…
Leider bedeutet Tajine oder als Alternative Couscous auch, dass das Gemüse zu Brei gekocht wird. Ganz ehrlich? Das würden sogar meine damals 8 Monate alten Enkelkinder ausspucken! Salz und Pfeffer, oder meinetwegen Harissa fehlen auch. Neiderfüllt sah ich in einem Restaurant zum Nachbartisch: Der Mann, offensichtlich ein Freund des Wirtes, bekam einen tollen Vorspeisenteller. Der steht nur auf keiner Karte, die Fremde in die Hand bekommen! Der Suppe, Hariri, ziehe ich sogar das Frühstück meiner 93jährigen Mutter – Haferflockensuppe – vor! Apropos Frühstück: Es gab Brot, Palatschinken oder Pfannkuchen mit Marmelade oder Honig, im schlimmsten Fall auch noch mit Rosenwasser verfeinert. Außer Brot mag ich nichts davon. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen: Ich habe schon Maden gegessen und gegrillte Grillen und ehrlich, ich hätte zumindest letztere vorgezogen.
Die Berber essen angeblich Brot mit Olivenöl zum Frühstück. Das habe ich mir dann auch geben lassen. Und hab dabei vom jordanischen Frühstück geträumt. Von Oliven, Gurken und Schafskäse. Gibt es Schafskäse in Marokko? Wir aßen Gouda und Butterkäse, sah sehr importiert aus…
Aber natürlich gibt es auch in Marokko Schmackhaftes: himmlische Datteln, frischen Orangensaft, Brot, vor allem wenn es frisch und gefüllt mit Salat ist.
Man kann übrigens lange von Datteln leben.
Moscheen
In Marokko dürfen Nicht-Muslime nicht in Moscheen. Das wusste ich zwar vorher, mir war aber nicht klar, wie sehr sie mir fehlen würden. Ein großer Teil der Kultur und der Sehenswürdigkeiten der Stadt, der Orient schlechthin, fällt durch dieses Verbot weg. Wenigstens bleibt der Ruf des Muezzins.
Majorelle-Garten
Was, bitte, berechtigt den Hype um den Majorelle-Garten? Zwei Dutzend grellgelb und leuchtendblau angemalte Blumentöpfe und ein – zugegebenermaßen – blitzblaues und hübsch verziertes Haus? Es gibt ein paar schöne Kaktusse, der Rest sind Palmen und Bäume und einfach nur Schatten. Das ist weder botanisch noch gestalterisch aufregend! Klimatisch und auch wassertechnisch ginge da mehr! Und überall stehen Touristen herum, Influencersternchen räkeln sich vor den Töpfen und den schönen Verzierungen des Hauses und machen sich in meinen alten Augen lächerlich…
Wett machte die Enttäuschung der Zugang zum Privatgarten von Yves St. Laurent. Der Garten ist etwas abwechslungsreicher gestaltet, sein Haus sehr eindrucksvoll von der Ferne anzusehen. Wirklich toll ist jedoch die Zitrusfrüchtesammlung: 60 verschiedene Zitrusfrüchte wachsen dort relativ unbehelligt von vor Begeisterung kreischenden Touristinnen.
Agdal Gärten
Die älteste Parkanlage in Marrakesch ist das Ensemble der Agdal Gärten. Auch sie gehören zum Weltkulturerbe, so wie die Medina. In ihnen hätten wir Orangenbäume und Granatäpfel bewundern können, auch drei Wasserbecken, aber es hat nicht sein sollen. Nach einem langen, interessanten Spaziergang vorbei am königlichen Palast, erklärte uns ein netter Guard, dass die Gärten in dieser Woche geschlossen sind. Irgendwas mit König, war die Ursache…
Bahia Palast
Der ist ohne Zweifel hübsch. Begrünte Innenhöfe, jede Menge schöner Fliesen und tolle Decken laden zum Staunen ein. Fensterläden und Türen sind fast alpenländisch bemalt. Aber…
Ich war im Topkapi.
Blöd, dieses Vergleichen. Ich habe trotzdem rund 200 Fotos gemacht.
Mein Highligt: Palast el Badi
Okay, es ist nur eine Ruine. Eine aus Lehm, erdbraun und unaufgeregt. Eine riesige, in der sich die relativ wenigen Touristen verlieren. Es muss einmal ein unglaublich eindrucksvoller Palast gewesen sein!
Heute faszinieren die relative Ruhe, die Wuchtigkeit der Mauern und die Störche, die auf den Mauern nisten. Irgendwie sind sie tröstend.
Sie lassen mich vergessen, dass ich auch nur Touristin bin, die zwar Geld nach Marrakesch bringt, aber ansonsten dazu beiträgt, dass die Medina nicht mehr die Medina von einst und das Essen fürchterlich ist.
Und jetzt raus aus Marrakesch, zum wahren Grund unserer Reise, dem Anima-Garten und der Wüste!
Demnächst auf diesem Blog!
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