Kaum steht unser Christbaum, gerate ich in Weihnachtsstimmung. Andere brauchen dazu Kerzen und Plätzchenduft, Kinderlachen oder einen Weihnachtsmarkt – dachte ich auch lange. Aber heute merke ich: Meine Weihnachtstimmung ist das Innehalten zwischen den Jahren. Sicher, auch das Feiern mit unseren Kindern, die Kerzen, das Festessen, gleichzeitig brauche ich die Rückschau, das dankende Anerkennen dessen was war, und die Vorschau: Was will ich im Neuen Jahr erreichen, erleben, fühlen?
Manche von euch kennen meinen Weihnachtsbrief, in dem ich jedes Jahr über die Erlebnisse und Ereignisse in unserer Familie berichte. Manchmal denke ich mir: Wen interessiert das schon? Manchmal bekomme ich kritische Rückmeldungen, mir ginge es zu gut, ich könnte sowas doch nicht jemandem schicken, dem es schlecht geht. Oder ich kränke jemanden mit einer Formulierung. Da ich nicht in andere hineinschauen kann, ist das unvermeidlich. Gleichzeitig bekomme ich viel mehr positive Rückmeldungen; Nachfragen, wo denn der Weihnachtsbrief bliebe, wenn ich wieder mal spät dran bin, Dankeschöns und gute Wünsche. Und oft denke ich mir: Ach würdest du mir doch auch von deinen Wundern und Wunden erzählen! Mit anderen Worten:
Halt inne, sag Dank für das Schöne des vergangenen Jahres und schreibe das in einem Weihnachtsbrief an deine Freunde und Verwandte! Dir geht es nicht gut? Schreibe es auf, sag wie du dich fühlst, jammere dabei nicht, verzichte auf Schuldzuweisungen und schließe trotzdem mit dem Guten.
Und jetzt fehlt erst mal die Rückschau auf meine Wunder im Oktober und November:
Ich muss zugeben, es fällt auch mir nicht immer ganz leicht, im Alltag zwischen Garten, Enkelkindern und Nähmaschine, Wunder zu sehen. Vielleicht ist auch mein Anspruch zu hoch: Es soll ja jeden Tag wenigstens ein neues sein…
Dabei sind unsere Enkelkinder doch Wunder genug und geben täglich Anlass zum Staunen und Lachen. Sie sind jeden Tag aufs Neue wundervoll. Die beiden ganz Kleinen wie sie jeden Tag kommunikativer werden, immer besser auf Ansprache reagieren und es lieben, Hoppe, hoppe Reiter zu spielen. Die Kleine, wie sie Sprache täglich besser meistert, ihre Eltern in Wortwahl und Tonfall exakt kopiert. Der Mittlere sieht aus wie Michel in der Suppenschüssel und manchmal meint man, er benimmt sich auch so! Und der Große meistert die Umstellung auf den Schulalltag mit Bravour, und spielt Rollhockey. Alles nichts Besonderes, nichts, das andere Kinder nicht auch tun und können – und trotzdem ein Wunder. Jeden Tag aufs Neue!
Ein Alltagswunder ist für mich auch immer die Natur. Im Oktober ganz konkret, dass noch zehn Feigen reif wurden. Ich hatte gedacht, es ist schon viel zu kalt dafür. Aber nein, Tomys Feigenbaum trägt endlich! Außerdem fühlt sich seit letztem Sommer ein Riesenbovist sehr wohl in meinem Garten. Wunderbarerweise ist es der einzige Pilz, den ich ganz sicher als essbar identifizieren kann. Es gab also im Oktober Bovistschnitzel mit Feige zum Abendessen.
Fern vom Alltag stechen mir die Wunder doch besser ins Auge. Oder die seltsamen Zufälle. Während meines Besuches bei meiner Mutter, traf ich mich mit einem Motorbootfahrer aus Linz, der von und Segelbücher für seinen Freund übernahm. Wir hielten ein nettes Pläuschchen. Es stellte sich heraus, dass sein Vereinskollege ein Motorboot in der Karibik hat – wir lagen in einigen Buchten daneben, haben aber leider nie jemanden an Bord angetroffen.
Der November hatte auch ein Wiedersehen für uns parat: Julia ist Guide in St. Petersburg und führte uns und unsere Freunde nicht nur etliche Male durch die berühmten und Verborgenen Sehenswürdigkeiten dieser Stadt, sondern auch zu ihrer Datscha und in ihr Heim. So entstand eine jahrelange Freundschaft, die wir über die vergangenen zehn Jahre nur lose aufrechterhielten. Doch Ende November kam eine kurze Anfrage per Mail, sie und ihr Mann kämen nach Deutschland, ob sie uns besuchen können? Oh ja! Julia erzählte viel von den schlechten und guten Veränderungen in Peter, ich hab‘ jetzt wirklich Lust da wieder hin zu fahren! Es gibt so viel neues Altes zu sehen, so viele Freunde zu besuchen…
Märchenhaft war die Natur in Österreich, herbstiger schon als bei uns im Oktober, golden und rot, mit feinen Nebelfäden und einem Licht, das aus einer anderen Welt kam. In so einem Wald müssen Feen und Zauberinnen wohnen, Tiere sprechen können und allerlei wundersame Dinge geschehen. Da bin ich ganz sicher! Ich hatte nur keine Muse, sie wahrzunehmen. Nur die Rehe, die bei meinem täglichen Spaziergang durchs Unterholz brachen, entgingen mir nicht.
In der Kölner Bucht zieht dieser zauberhafte Herbst erst im November ein: Hexenringe auf den Wiesen, Pilze und Schwämme im Wald, goldenes Laub auf den Wegen. Ich kann nicht anders, als immer wieder staunen!
Über das Leben. Über den Tod. Und wie Menschen mit beiden umgehen: Wie kann es einer Frau ergehen kann, die das Schlimmste erlebt, das sich eine Mutter vorstellen kann? Barbara Pachl-Eberhards Bücher und Vorträge geben Antwort. Ich habe sie im Oktober live erlebt. Mir fehlen die Worte um zu beschreiben, wie sie den Schmerz über den Tod ihrer Kinder und ihres Mannes, in schiere Lebensfreude und Glück verwandelt hat. Das ist ein Wunder, das du nur erahnen kannst, wenn du es aus erster Hand hörst. Oder anders: Sie schafft es, ein Wissen, das wir vermutlich alle tief in uns tragen, in gefühlte Gewissheit einer ewigen Liebe und Verbundenheit zu wandeln.
Und damit entlasse ich euch in die innere Zeit zwischen den Jahren!
Frohe Weihnachten!
Tomy und Steffi