Was verbindet diese beiden Murals in Köln-Ehrenfeld? Was verbindet die Edelweißpiraten mit dem NSA-Abhörskandel?
Die Edelweißpiraten waren eine Gruppe Jugendlicher, die sich nicht in die Hitlerjugend integrieren wollten und gegen den braunen Strom steuerten. Die Ehrenfelder Gruppe versteckte Juden und versorgte sie mit Lebensmitteln. Als sie einen Lastwagen mit Butter kaperten, wurden sie gefasst und am 10.11.1944 in der Nähe des Murals erhängt.
Was mir Angst macht, ist, dass es heute im Falle eines totalitären oder menschenfeindlichen Regimes gar nicht mehr möglich wäre, ein schwarzes Schaf zu sein; Kinder aus einem Ghetto zu schmuggeln; Verfolgte zu verstecken oder sie mit Lebensmitteln zu versorgen. In unserer hochdigitalisierten Welt würden wir innerhalb weniger Wochen oder Tagen auffliegen. Egal, ob online oder nicht, ob Handy oder nicht, ob Siri, Alexa oder sonst wer abgeschaltet wird – es würde auffallen, der NSA oder auch dem eigenen “Inlandschutz”
Street Art macht nachdenklich, will provozieren. Sie hat eine Aussage, oft einen politischen oder gesellschaftskritischen Anspruch. All das erfahren wir bei unserer geführten Tour durch Ehrenfeld. Wir, das ist eine Gruppe Reisblogger aus NRW, die sich Ende August in Köln zum Kennenlernen und Unterstützen getroffen hat. Reiseblogger sind meist von Street Art fasziniert, Köln ist eine der Hotspots Deutschlands in der Szene: Was also liegt näher, als ein Treffen der Reiseblogger NRWs mit einer Street-Art Ehrenfeld Tour zu verbinden – selbst bezahlt wohlbemerkt!
Unsere Führerin kommt von City Leaks, einem Festival der Street Art, das alle zwei Jahre in Köln stattfindet. Das nächste wird 2019 sein. In den Anfängen, 2011, wurden noch Künstler eingeladen, heute müssen sie sich bewerben. Citiy Leaks achtet bei der Auswahl auf einen Mix aus lokalen und internationalen Künstlern. Die Materialien, von den Farben bis zu den Gerüsten werden gestiftet. Die Murals, wie die großen Wandbilder heißen, werden also legal mit dem Einverständnis der Besitzer, angebracht.
Das ist beim Graffiti eher nicht der Fall: Bei den Tags, den Writings, also den mehr oder weniger bunten Schriftzügen, die zum Beispiel entlang der Bahnstrecke an den Schallschutzwänden prangen, handelt es sich normalerweise um illegal angebrachte Farbe, zum Abgrenzen des Territoriums oder um sich selbst in der Szene einen Namen zu machen. Verstanden werden sie nur in der Szene. Street Art ist dagegen für alle da.
So ist sie manchmal auch einfach nur bunt und erheiternd, will unterhalten, verschönern, ins Reich der Träume entführen…
Doch Street Art besteht nicht nur aus Murals: Auch Post-Ups, Kunstwerke, die zu Hause auf Papier hergestellt werden und dann aufgekleistert werden gehören dazu. Oder alle kleinen Aufkleber, die nicht Werbezwecken dienen. Der Techniken sind viele: kleben, sprayen, malen, dripping, kritzeln, ritzen, waschen, stricken, häkeln, installieren. Verwendet wird neben Farbe auch oft Holz, Metall, Garn, Keramik, Papier, Aufkleber, Licht, Skulpturen oder sogar Skateboards.
All das erfahren wir bei – nein, nicht nur bei der Tour. Vieles habe ich im Internet selbst nachgelesen. Auf Wikipedia, auf der Seite des City-Leaks Festivals, auf den Seiten der Künstler selber, die Links finden sich auf der Seite von City Leaks. Es lohnt sich das zu tun!
Und jetzt nehme ich dich mit zu den Kunstwerken, die mich persönlich angesprochen haben, aber auch zu dem, was Tomy sieht, was ich sehe: Wir haben beide fotografiert, wir tun das aus verschiedenen Blickwinkeln, manchmal weil wir anders stehen, manchmal weil wir anderes sehen. Und manchmal entsteht damit ein eigenes, bescheidenes Kunstwerk.
Everybody
Der Berliner Künstler Stohead kommt aus der Graffitiszene und zitiert gerne aus Hip-hop und Punkmusik. Hier eine Detailansicht einer von zwei Stelen des Murals.
Trotzkind
Murals des Düsseldorfer Künstlers L.E.T (Les Enfants Terribles). Seine Technik ist angelehnt an die Stencils der kubanischen Revolution. Er verfremdet oft bekannte Motive und stellt sie humorvoll in einem neuen Zusammenhang. Er ist weltweit bekannt. Mehr von seinen Werken findest du hier. Mit Trotzkind will er den Schwächsten der Gesellschaft eine Stimme geben.
Wand am Bürgerzentrum
Die Mauer des BÜ-ZE in Ehrenfeld ist mit vielen Murals geschmückt, nicht alle waren in der Tour enthalten. An diesem Bild mochte ich die echten Pflanzen davor und den Übergang ins Kunstwerk.
Hase
Street Art des belgischen Künstlers ROA, einem Virtousen der Sprühdose. Mit seinen typisch morbiden Tieren will er uns zeigen wie pervertiert unsere Einstellung zu Tieren geworden ist. Er zeigt mit “Hase” die Kehrseite des Fleischessens.
Das Mural sorgte für einige Aufregung im Viertel, vor allem Eltern von Kindern sorgten sich um die Wirkung, die dieses Bild auf die Kleinen haben könnte. Der Eigentümer des Hauses entschied, dass das Bild bleibt. Es ist mittlerweile eines der bekanntesten Murals in Köln und ein Touristenmagnet.
Edelweißpiraten
Auftragsarbeit der Bezirksregierung Köln-Ehrenfeld; verwirklicht von Captain Borderline, Goodlack-Art und anderen Künstlern. Zu sehen sind hier nur Ausschnitte, das Kunstwerk ist viel größer.
Fünf Jungs im Alter von 16, 17 Jahren unter der Führung von Hans Steinbrück wurden erwischt, als sie einen Lastwagen mit Butter kaperten, um damit versteckte Juden zu versorgen. Sie wurden am 10. 11. 1944 unweit dieser Stelle hingerichtet.
Kurz davor, am 25. 10. 1944 wurden einige russische und polnische Zwangsarbeiter, die ebenfalls mit den Edelweißpiraten in Verbindung waren, hingerichtet.
Ehrenfelder Bahnhof
Der Ehrenfelder Bahnhof wird zur Zeit im Auftrag der Deutschen Bahn Goodlack-Art und Kollegen gestaltet. Einer der beiden Durchgänge erinnert an die industrielle Vergangenheit Ehrenfelds, die keineswegs unbedeutend war. Ganz im Gegenteil! Die Geschichte Ehrenfelds ist so interessant, dass ich ihr irgendwann einmal einen eigenen Post widmen möchte.
Hier Tomys fast surreales Foto eines Aufgangs
Im zweiten Durchgang entsteht eine surreale Landschaft, die zum Träumen einlädt und den Reisenden zum Lächeln bringen soll. An dem Foto von mir gefällt mir allerdings besonders, dass das Fahrrad unserer Tochter davor steht.
Es gibt dort noch sehr viel mehr zu sehen: Reisender kommst du nach Köln, dann schau auch am Ehrenfelder Bahnhof vorbei!
Rastafari
Diesmal war ich so sehr damit beschäftigt, auch das Umfeld des Murals zu fotografieren, dass ich nicht mitbekommen habe, wie es wirklich heißt. Es ist ein Werk der Künstler Layla Xing & Huami, und soll erfreuen. Es ist auch ein Werk, in dem viele Techniken der Street Art angewandt wurden: Schabloniertechnick, Dripping, es ist gemalt und gesprüht. Und wie man hier deutlich sieht: Street Art ist nicht unbedingt für die Ewigkeit gemacht.
Verloren in der Stadt
Dieses Mural des Basken Xabier Xtrm spricht mich gar nicht an, doch es enthält abgebröckelten Putz als Stilelement. Ansonsten ist es eher untypisch für diesen Künslter, der gerne auch Nägel, Schnüre, Holz und eigens gestaltete Skateboards in seinen Werken verwendet.
Surveillance of the fittest
Dieses schon oben angesprochene Mural ist riesig! Es besteht aus drei Teilen: Links und rechts wird Energiegewinnung gezeigt, die die Natur zerstört und die Energie für die Überwachung erzeugt.
In der Mitte ist ein riesiger Adler zu sehen, der die Schafe überwacht und die schwarzen Schafe mit Drohnen, Kameras und Augen überall ausspioniert. Mein Tip: Hingehen, selber ansehen! Wo? Am Parkplatz hinterm Penny beim Ehrenfelder Bahnhof.
Nach der Schwere etwas zu Schmunzeln abseits der Tour:
Da ich die Gabe besitze, aus Sch… Gold zu machen, hier mein Lieblingsbild:
Stau
Der Künstler El PEZ, ein Spanier, will mit seinem Wimmelbild vom Stau mit zahlreichen Zitaten und Hinweisen auf Comicfiguren, andere Künstler oder Gestalten aus Computerspielen fröhlich stimmen. Seine Figuren haben fischartige Züge und sein Tag ist – ein Fisch!
Natürlich haben wir noch viel mehr gesehen und erfahren! Ich will dich jedoch neugierig lassen, damit du bei meinen Bloggerkollegen vorbeischaust und deren Artikel liest, oder direkt selbst eine Tour durch Ehrenfels, Nippes oder an anderen Hotspots in Köln machst. Es gibt viele Anbieter, doch nur bei den Touren von City Leaks kommt der Erlös den Künstlern, bzw. dem Festival zu Gute. Natürlich kannst du auch alleine mal rund um den Ehrenfelder Bahnhof schlendern: Es wäre auch ein lohnendes Ausflugsziel fürs Wochenende. Katja von Wellspa-portal fragt in ihrer Blogparade danach.
Hier die Links zu den Artikeln über die Street-Art Ehrenfeld Tour der anderen Teilnehmer:
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