Es ist soweit.
Wir müssen uns endgültig outen: Aus uns werden keine Weltumsegler. Auch keine Karibikhängenbleiber. Wir segeln zurück nach Europa.
Dafür gibt es in etwa drei Gründe: Die langen Überfahrten mögen wir gar nicht, mit der Karibik werden wir nicht so warm, dass wir bereit sind den Preis zu zahlen und unsere Engel rufen nach Oma und Opa.
Nein, der Ruf geht anders rum!
Im Grunde fiel die Entscheidung gegen den Pazifik schon bei der Fahrt von Surinam in die Karibik: Selbst fünf Tage auf dem Schiff empfinden wir beide als Qual. Es ist langweilig, was ja auch gut ist, denn Aufregung jeglicher Art brauche ich auf See nun wirklich nicht. Nach drei Tagen weiß ich nicht mehr, wie ich sitzen oder liegen soll, es fehlt die Bewegung. Der Lärm des Windes und des Schiffes sind allerhöchster Stress für mich, ich bin innerlich ständig in Alarmbereitschaft, werde dabei aber nicht richtig wach. Tomy kann im Schiff nicht schlafen. Wir sind permanent dösig, irgendwie nicht ganz da. Und das mindestens vier Wochen lang? Und dann erst knapp halb herum sein? Nein, nicht mit uns.
Ja, wenn ich Herberts Berichte von der MAYA lese oder Thomas‘ von der OUTER RIM, oder der AKKA und der GALATEA lausche, dann wünschte ich, wir hätten das Zeug dazu. Denn ja, die Südsee muss ein Paradies sein. Ich würde auch gerne nach Hawaii segeln, bei Vancouver, nach Neuseeland und Thailand und Sansibar – Aber wir haben das Zeug dazu nicht. Punkt.
Was mir fehlen wird, ist das Unterwegs sein. Denn obwohl wir ja immer wieder lange Perioden zu Hause waren, hatte ich doch immer das Gefühl weiter zu segeln, eben unterwegs und fort von daheim zu sein. Und ja, da gäbe es in der Karibik noch viel zu sehen: DomRep, BVI, Bahamas, Kuba, Mexiko, Kolumbien, ABC, ja vielleicht hinauf durch die Inland Waterways bis in die großen Seen – Möglichkeiten für viele Jahre! Nur gibt es da diese Stürme. Dass mit denen nicht zu spaßen ist, weiß seit Irmaria wohl jeder. Also müssten wir immer wieder das Schiff für sechs Monate für viel, sehr viel Geld an Land stellen, immer wieder mit dem Risiko, dass es doch schief geht: Gegen die Gewalt von Irmaria helfen auch keine Craddles und Strapse, keine Betonanker, kein Vertäuen in den Mangroven der Hurricane Holes.
Also uns ist es das Geld nicht wert, die Versicherung kommt ja auch noch hinzu. Dafür kann ich auch so direkt nach Kuba, Kolumbien oder Mexiko fliegen. Oder in Vancouver chartern. Und der Liegeplatz in Europa ist auch noch drin.
Oder… Die Welt ist auch abseits der Küsten schön! Meine Reise-Löffelliste ist lang, sehr lang…
Hinzu kommt: Wir können uns nicht so recht für die Karibik begeistern. Die Segler hier sind oft Charter-Segler, die jeden Preis bezahlen und damit die Latte für die Langfahrtsegler und die, die hier auf den Schiffen leben, hoch legen. Die nordamerikanischen und britischen Lebensabendsegler bleiben unter sich. Der typische Langfahrtzusammenhalt kommt kaum zustande, man grüßt sich nicht, spricht einander kaum an, man weiß ja nie, wen man vor sich hat. Den Zusammenhalt den wir seit Camaret-sur-Mer, A Coruna, von den Kanaren und Kap Verden, erst recht aus Brasilien und Surinam kennen, ist hier nicht ganz einfach zu finden. Ja, man trifft sich wieder, das ist ganz wunderbar, aber kaum jemand Neuen, es sein denn man kennt sich schon aus Facebook. Oder man segelt zurück, dann kommen die Langfahrer wieder aus den Buchten und rotten sich zusammen. Die Inseln sehen irgendwie alle gleich aus – viel Raum für neue Entdeckungen ist da nicht. Nein, ich möchte keinen Moment missen, es war toll und ja, es gibt märchenhaft schöne Ecken: Carriacou und Sandy Island, die Tobago Cays, Dominica, Iles des Saintes, auch Guadeloupe hat was. Aber nochmal müssen wir da erst mal nicht hin. Gerade auf den ärmeren Inseln wird für alles und jedes Geld verlangt, unverhältnismäßig viel Geld. Mir fehlt mein Enthusiasmus, die bunte Vielfalt dieser Welt, mich lockt Anderes – die Luft ist raus. Vielleicht liegt es an uns und du machst hier andere Erfahrungen: Ich wünsche es dir von Herzen!
Theoretisch könnten wir wie so viele andere ja auch am Schiff bleiben und den Stürmen davonsegeln – wenn wir die Karibik lieben würden und da nicht die Töchter wären! Und die Engelskinder. Selbst Tomy flippt aus, wenn das kleine Mäuschen in die Kamera strahlt. Nein, ich muss immer wieder nach Hause, nicht nur nach Deutschland sondern auch zu meiner Herkunftsfamilie und meiner 91jährigen Mutter, zu meinen Freunden. Es ist so. Und es ist gut so.
Nein, falsch, es ist nicht nur gut – es ist ein unglaublich reiches und erfülltes Leben, das ich führen darf, eines voller Nähe und Verbundenheit und doch voller Abenteuer! Dafür bin ich unendlich dankbar! Diese Segeljahre sind eine unglaubliche Bereicherung, sowohl für Tomy als auch für mich: Er „zwingt“ mich zu segeln, ich „zwinge“ ihn zu Landausflügen und sozialem Leben, Dingen die er von sich aus nicht machen, woran er kaum teilnehmen würde.
Schließlich habe ich nie geglaubt, dass ich über Dover hinaus komme, ich, die Nicht-Seglerin! Und jetzt bin ich in der Karibik und war noch nie mit dem Schiff in England! Es gibt also noch einige Herausforderungen – ich muss nur einen Weg finden, mich warm zu halten. Und vielleicht doch segeln zu mögen? Ich war auch noch nie in Griechenland…
Möglichkeiten gibt es also viele, auch genug, weiterhin unterwegs zu sein:
- Wir könnten immer noch nach Portugal, Spanien und Marokko, dann langsam durchs Mittelmeer und ins Schwarze Meer.
- Oder über Spaniens Rias hinauf nach Bordeaux und in die Bretagne, England erkunden, und in die Ostsee. Oder über den Rhein-Main-Donau Kanal ins Schwarze Meer und Mittelmeer.
- Oder direkt zurück nach Holland, nochmal die Stande Maast Route fahren, in die Ostsee, ein wenig Schärensegeln und dann nach St. Petersburg. Am liebsten würde ich dann über die Flüsse und Kanäle ins Schwarze Meer.
- Oder wir kaufen einfach ein Schiff in Neuseeland und segeln von dort in die Südsee. Sowohl die MAYA als auch die OUTER RIM stehend dort zum Verkauf…
Gut, das eine oder andere davon beinhaltet Kälte und anspruchsvolles Segeln, beides nicht mein Ding. Aber vor allem müssen wir erst zurück. Aus der Karibik zu den Azoren segeln. Über den Nordatlantik. Nein, mir ist nicht wohl bei dem Gedanken. Gar nicht wohl. Schon seit Monaten nicht. Aber gut, haben andere auch geschafft, werden wir auch.
Drückt mir die Daumen, dass es sehr, sehr langweilig wird!
Am Donnerstag geht es los!