Mittlerweile habe ich schon eine recht gute Routine im Sammeln von kleinen und großen Alltagsabenteuern: Ich mache mir tatsächlich jeden Abend entsprechende Notizen, manchmal ganz viele und manchmal muss ich sie mir aus den Fingern saugen.
Mein Alltag auf einem Schiff in der Karibik unterscheidet sich dabei sehr vom Alltag in Deutschland. Und hat doch vieles gemeinsam: Wir treffen Freunde, ärgern uns über unsere Mitmenschen, verletzen uns, waschen Wäsche, müssen einkaufen, einen Parkplatz finden oder etwas reparieren:
In Martinique treffen wir Petra, wieder, Toms Schwester – mit ihm segelten wir über den Atlantik, Petra kennen wir aus Grenada. Es ist schön, sie wiederzusehen. Wir liefern ein aus Deutschland mitgebrachtes Päckchen an die AKKA aus, fahren mit ihrer Crew in den Garten Balata und gehen lecker essen. Mit Ernst und Anna Maria von der GALATEA wandern wir an der Ostküste Martiniques. Es gibt auch ein Wiedersehen mit Leandro, dem Brasilianer, den wir aus Facebook und Bequia kennen. Wir treffen auch endlich Martina und Daniel aus der Schweiz, ihr Schiff ist die VAIREA. Lange schon haben wir per Facebook Kontakt und sind neugierig aufeinander: Martina steht dem Leben und der Welt so freundlich und offen gegenüber, wie ich – oder manchmal noch mehr. Auch die Crew der CREAM PUFF – Life is a Cream Puff, das Leben ist ein Windbeutel – kenne und schätze ich aus Facebook. Ich treffe sie in Pointe-à-Pitre. Ich meine, wer das Leben für ein Eclair oder Profiterole hält, muss doch nett sein, oder? Auch beim BBQ der PAYS-Jungs in Dominica treffen wir sehr nette Leute, Joost und Susanne aus Bergisch Gladbach. Leider haben wir einander danach aus den Augen verloren. Und beim Warten auf das Freiwerden des Wäschetrockners unterhalte ich mich mit einer ganz zauberhaften Chilenin. Die Welt ist einfach voller großartiger Menschen!
Wir haben allerdings auch unseren Entenmoment: Wird ein Enterich in seinem Territorium von einem anderen bedrängt, verteidigt er seines vehement. Und denkt dann nicht mehr an den Vorfall. Sehr schön beschreibt Eckehard Tolle das in seinem Buch Eine neue Erde. Jedenfalls gehen wir vom Fort Josephine in den Ort Bourg des Saintes zurück. Die Straße wird enger, hinter uns eines dieser Touristenelektromobile, da kommt uns ein Touribus entgegen. Wir weichen auf die Straßenbegrenzungssteine aus, links neben uns geht es recht steil einen Abhang hinunter. Es ist zu eng, um zu zweit neben uns vorbeizufahren. Trotzdem tun es die beiden Fahrzeuge, Tomy stößt im Vorbeigehen an den Seitenspiegel des Busses – durchaus absichtlich, obwohl der schon im Weg ist. Der Fahrer tobt, Tomy retour… von der Ferne. Schließlich beruhigen sich die beiden Erpel, das Entenweibchen auch und alles ist gut.
Ein paar Stunden vorher erntete Tomy Applaus: Beim Fangen der – letzten – Mooringtonne (also beim Einparken) verfängt sich der Enterhaken (echte Piraten haben so etwas natürlich an Bord) in den Bändseln und Tauen im Auge der Boje. Tomy bekommt ihn nicht los, er fällt ins Wasser. Flugs klettert er über Bord, hält sich an der Reling fest und holt ihn mit dem Fuß hoch und an Bord. Dieses Hafenkino finden die französischen Nachbarn so gut, dass sie klatschen!
Wir fragen uns natürlich: Wieso sind so viele Bändsel an dem Bojenauge? Sobald der Wind nachlässt wissen wir es: Dieses Auge schlägt an die Bordwand, es klingt, als ob es ein Loch in unser Schiff schlagen wolle und tatsächlich springt vorne neben dem Anker das Gelcoat ab. An Schlaf ist kaum zu denken. So kann ich mich mit meinen Strickkünsten, wie Tomy meinen Umgang mit jeglichem Garn, das dicker als Nähgarn ist, nennt, nützlich machen. Ich umwickle das Auge nach allen Regeln der Kunst und einigen eigenen. Danach schlägt es zwar immer noch an die Bordwand, macht aber nichts mehr kaputt.
Auch Knoten sind im März sehr nützlich. Ziemlich am Anfang des Monats verrenke ich mir das Ilioskakralgelenk. Oder die Hexe erwischt mich. Jedenfalls kann ich mich kaum bewegen, meine grandiose Ärztin und meine beiden noch grandioseren Physiotherapeutinnen sind auf der anderen Seite des Ozeans. Ich spüre die Stelle, auf die ich drücken muss, damit das Ganze sich löst sehr genau, kann aber selbst den Druck nicht ausüben und Tomy findet sie nicht. Da kommt mir die grandiose – genau, nochmals grandios – Idee, mich auf den Knoten am Ende der Fockschot zu legen. Ich muss ein bisschen rücken, dann hab ich die Stelle. Das Schaukeln des Schiffes erzeugt einen sanften Druck. Innerhalb von zwei Minuten bin ich schmerzfrei.
Merke: Ein dicker Knoten gehört in jede Hausapotheke!
Bei unserer ersten Erkundung zu Fuß von Marie Galante nehmen wir eine falsche Abzweigung, finden nicht den Wanderweg, dafür aber einen Imker, der eigenen Akazienhonig verkauft. Welch‘ ein Glück, unser Honigtopf leer!
Was war sonst noch los? Wir hatten einen Auffahrunfall mit dem Mietauto in Martinique, aber eine gute Versicherung, der Außenbordmotor ließ uns wieder im Stich und musste gereinigt werden und Tomy braucht dringend neue Treter…
Und der hier ein neues Schiff:
Darüber hinaus war der März so voller großer Abenteuer und unvergesslicher Eindrücke, dass es für ein ganzes Jahr reichen würde! Dominica, Roseau und Portsmouth, waren Höhepunkte, die Iles des Saintes wunderschön, Marie Galante aus einer anderen Zeit. Pointe-à-Pitre hat ein tolles, modernes Museum über die Geschichte der Skalven und der Sklaverei und am Steg in der Marina Le Marin leben hübsche Würmer:
Magst du mir von deinen Alltagsabenteuern erzählen? Gerne per Email oder Kommentar unter dem Artikel für alle Leser.