Der Wind, der Wind das himmlische Kind mag nicht aus der Richtung wehen, die für uns günstig ist: Aus Ost, besser noch Südost. Oder wenigstens Ostsüdost. Wenn er aus nordöstlicher Richtung weht, kommen wir kaum dahin, wo wir hin wollen: zu den in eben dieser Richtung von uns gelegenen Inseln St. Lucia und Martinique. Bis Bequia haben wir es immerhin schon geschafft. Hier warten wir jetzt gemeinsam mit der GALATEA auf das uns holde, himmlische Kind.
Damit uns nicht langweilig wird, spazieren wir über die Insel. Meiner Mutter habe ich erzählt, wir gehen wandern, worauf sie meinte, wir wären jetzt drei Tage unterwegs: In der Zeit hätten wir Bequia dreimal umrundet! Dabei folgen wir nur der praktisch einzigen Straße Richtung Nordosten, um das Old Hegg Turtle Sanctuary zu besuchen.
Die Straße ist kaum befahren, auch teilweise schattig, das Wetter durchwachsen. Der gelegentliche Regen streift uns nur, die Bäume am Straßenrand sind Schutz genug. Es ist ein hübscher Weg, vorbei an alten, gepflegten Plantagen und einer windgepeitschten, wilden Küste.
Im Old Egg Turtle Sanctuary versucht, Orton “Brother” King, ein pensionierter Taucher, die Lämmer zum Schweigen zu bringen oder besser, wenigstens eine Hawksbillturtle, Echte Karettschildkröte, zu retten. Diese gelten zwar seit 1974 als gefährdet, doch hat das niemand in der Karibik davon abgehalten, sie und ihre Eier zu verspeisen. Von ihnen stammt auch das Schildplatt, aus dem Knöpfe gemacht wurden – oder immer noch werden? Ich weiß es nicht. War jedenfalls ein Grund mehr für ihre Dezimierung.
Seit einem Jahr, erzählt uns Brother King, stehen sie wirklich unter Schutz und werden nicht mehr gegessen. Nun ja, offiziell nicht. Wer kann schon die Fischer und die Taucher alle kontrollieren! „In meiner Jugend,“ erzählt er, „gab es keine Kühlschränke. Da aßen wir, was wir fangen konnten, Schildkröten, Fische, Iguanas. Aber heute wird tonnenweise Huhn von St. Vincent auf die Inseln verschifft, die Leute sollen doch bitte das essen!“
Und am besten wäre, sie würden so wie er, Vegetarier sein!
Immerhin wird den Kindern heute in der Schule beigebracht, wie sie Schweine oder Ziegen oder auch Hühner halten können. Sie lernen auch, dass der Müll nicht achtlos weggeworfen werden soll. Aber…
„Ja, die Leute müssen etwas verdienen. Also setzen sie sich vor den Schulen auf die Straße und verkaufen Süßigkeiten in kleinen Beuteln. Die Kinder reißen sie auf, essen und lassen die Verpackung fallen. Diese Verkäufer müssten verpflichtet werden, den Müll aufzuheben!“
Brother King steigert sich hinein. „Und daheim essen sie dann nichts mehr. Das ist nicht gesund!“
Er selbst isst kein Fleisch, keinen Fisch und auch sonst kein Tier. Die kleinen Schildkröten sammelt er ein, wo sie gefährdet sind, oder sie werden ihm gebracht. In kleinen Basins wachsen sie, bis sie alt genug sind, um im Meer zu überleben, also bis sie etwa 5 bis 7 Jahre alt sind. In drei kleinen Becken schwimmt auch je eine große Schildkröte, stößtt immer wieder mit dem Kopf an den Rand. Sie sind krank und würden in freier Natur nicht überleben.
Ich persönlich bin mir nicht sicher, ob Sterben in der Schönheit des Meeres nicht Vegetieren in einem Becken von drei Metern Durchmesser vorzuziehen ist. Also ich weiß, was ich wählte!
Als ehemaliger Taucher ist er bemüht, das Meer und seine Bewohner zu schützen. Doch ganz ehrlich? Ich bin mir nicht sicher, ob er die Mittel dazu hat. Geht hin, schaut es auch an und bildet euch selbst ein Urteil!
Am Tag zuvor waren wir drüben in der Friendship Bay, im Bootsmuseum. Dort sind drei alte Walfangboote ausgestellt. Unfassbar, dass damit diese riesigen Tiere gejagt wurden – und werden! Doch auch was den traditionellen Walfang angeht, ist Mr King kritisch: „Sie schummeln!“ sagt er. Die jungen Leute fahren mit den Schnellbooten hinaus, harpunieren den Wal mit modernen Harpunen. Das verletzte und geschwächte Tier wird dann auf traditionelle Weise von einem alten Walfangboot mit Lanzen erlegt. Das widerspreche dem Walfangabkommen. Aber wer steckt es der Kommission? Ende Januar beginnt die Saison…
Wale zum Jagen sind da: GALATEA hätte auf dem Weg hierher beinahe zwei schlafende überfahren.
INFO Old Hegg Turtle Sanctuary, Bequia
Das Old Hegg Turtle Sanctuary befindet sich am Ende der einzigen Straße Richtung Norden, sind rund 4 km bis dorthin, es fährt ein Bus.
Samstag ist geschlossen, da der Betreiber Sieben-Tage-Adventist ist.
Die Schildkröten, die wir bisher überall sahen, auch die in den Tobago Cays waren alles pflanzenfressende Grüne Schildröten, erkennbar an der runden Schnauze.
Das Bootsmuseum ist in der Friendship Bay, am Ende der Straße, die an der Kreuzung nach links geht (Andere Richtung als Flughafen). Von Jack’s Bar sind es etwa 4 km, nicht stark befahren. Bis zur Kreuzung gehen Busse. Das Museum ist von außen einsehbar, von daher immer geöffnet.