Bevor wir uns Richtung Norden aufmachen, Carriacou und damit Grenada endgültig verlassen, besteigen wir noch einen Berg. Dort oben soll es eine tolle Aussicht geben. Die Initiative dazu geht von der Crew der CAPE CRUSADER aus: Jaro, in Brünn geboren und heute Kanadier, und seine Frau Vivienne. Mit von der Partie sind Anna Maria und Ernst Von der GALATEA, in jungen Jahren Kletterer und Bergsteiger, seit fast 20 Jahren Weltumsegler. Wir segelten mit ihnen von Jacare über Lencois nach Französich Guyana.
Jaro tut so, als wüsste er, wo es lang geht. Die nächste halbe Stunde frage ich mich, wieso wir wie eine Herde Schafe dem Leithammel folgen, der aber offensichtlich die Orientierung verloren hat. Aber gut, der Weg ist das Ziel – wir wollten uns bewegen!
Irgendwann finden wir einen Forstweg, doch als der wieder bergab geht, kommen uns doch echte Zweifel. Abzweigung haben wir ins Gespräch vertieften Wanderer auch nicht gefunden. Doch da kommen uns Anna Maria und Vivienne, die schneller waren, mit einem jungen Mann entgegen. Er wohnt um die Ecke, kennt den Weg und hat heute, Sonntag nichts Besseres zu tun, also ist er bereit uns zu führen.
Die Abzweigung hätten wir nie gefunden! Sie geht nämlich nach hinten weg! Den Pfad hinauf auch nicht, er ist einfach nicht überall als solcher erkenntlich. Ernst, den wir irgendwann abhängen, kommt quer durchs Gelände den Berg hochgekrochen. Nur unser Führer läuft zielstrebig vorne weg.
Daryl heißt er, wenn ich es richtig verstanden habe, und arbeitet in einer der beiden Tauchschulen in der Tyrrel Bay. Früher ging er diesen Pfad oft um zu jagen, Iguanas zum Beispiel. Während er locker in seinen Schlapfen vor uns her latscht, erspäht sein geübtes Jägerauge einige Iguanas, die in dem Geäst hocken. Wir bleiben stehen, erheben unsere starr auf dem Boden vor uns gehefteten Blicke und schauen suchend umher…
Nach ein paar Minuten finden die ersten doch tatsächlich einen verdickten Ast und endlich haben wir alle diese doch recht große und angeblich auch schmackhafte Echse entdeckt. Sie gelten hier als Schädlinge, weil sie alles fressen, was so im Garten wächst und schon mal eine ganze Ernte vernichten. Es soll Restaurants hier geben, die diese Spezialität auf dem Menü haben, doch wir sind uns einig: Diese Tiere sind zu schön und zu Besonders um sie zu essen. Wenn das die Einheimischen tun, ist das eine Sache, doch wenn die Touristen damit anfangen, gibt es bald keine Iguanas mehr! Und das würde die Karibik in einem gewissen Sinne ärmer machen.
Andrerseits: Die Lionfishes, aus dem Pazifik eingeschleppte Jäger ohne natürliche Feinde in der Karibik, bedrohen hier die Riffe. Sie schmecken vorzüglich, werden gejagt und doch nicht wirklich weniger. Ihre Stacheln sind übrigens giftig, also Vorsicht beim Schnorcheln und lasst ihn euch lieber zubereiten!
Daryl stapft weiter den Berg hinauf. Kurz vor dem Gipfel steige ich fast auf eine kleine, wunderschöne Landschildkröte. Tomy will sie fotografieren, doch sie verschwindet immer wieder flott im Gras. Dass ich sie auch immer wieder fange und zurück auf einen Stein setze, beeindruckt sie wenig.
Beeindruckt sind wir allerdings dann doch von der Aussicht auf dem Gipfel. Wir sind uns einig: Die Mühe hat sich gelohnt!
Netterweise bringt Daryl und auch wieder zurück auf den großen Forstweg. Wir folgen ihm vorbei an seinem Haus bis hinunter zur Straße. Von dort gehen wir zum Paradise Beach in der L’Esterre Bucht und weiter zur Beachbar Off the Hook gegenüber von Sandy Island. Die Bar ist künstlerisch angehaucht und sehr hübsch, nur was die Dekoration von Booten angeht, hat der Besitzer einen nicht ganz alltäglichen Geschmack.
Abends bekommt Tomy den letzten Lionfish im Lazy Turtle, während ich mich mit einem viertel Lobster begnüge. Mehr trau ich mich nicht zu essen, nachdem ich letztens in Mustique nachts die Fische gefüttert habe.
Am nächsten Tag klarieren wir aus und fahren rüber nach Sandy Island. Dort tummeln sich bestimmt 25 Pelikane. Wir sind fasziniert von diesen plump aussehenden und doch so wendigen Vögeln! Wir könnten ihnen tagelang zusehen!
Doch wir segeln weiter, nochmal in die Tobago Cays, diesmal ohne in Clifton einzuklarieren. Wir wollen nicht an Land, ich will nur einmal in diesem sagenhaften Blau, das meine Seele streichelt, ankern! Den halben Nachmittag verbringe ich an Deck liegend und ins Wasser starrend: Es heißt, wenn man stirbt geht man durch ein strahlend weißes Licht – ich wette, mein Licht hat dieses türkisblau!
Eines hoffentlich noch sehr fernen Tages werde ich es wissen. Jetzt sind wir nochmal in Bequia und fahren mit dem nächsten günstigen Wind nach St. Lucia.