Heute mal ein wenig Nostalgie, eine Erinnerung an unsere kleine Jemanja, eine Etap21i, und unseren ersten Törn in Kroatien im Jahre 2010:
„So. Ihr seid das also!“
Verdattert blickten wir unseren Tischnachbarn in der einzig offenen und völlig überfüllten Konoba auf der Insel Ist in Kroatien an. Wovon sprach er?
„Ihr seid die, die sich mit dem kleinen Scheißerchen aufs große Meer wagen.“
Taten wir ihm Leid? Weil wir uns in seinen Augen kein großes Schiff leisten konnten? Oder schwang da Bewunderung in seiner Stimme?
Das kleine Sch. ist eine Etap21i mit großem Namen: Jemanja, so wie die brasilianische Göttin des Meeres, heißt unser Bötchen und ist normalerweise in den Maasplassen in Holland zu Haus. Mein Mann Tomy, Segler seit seiner Jugend, jedoch ohne Törnerfahrung, ist der Skipper. Ich, Steffi, konnte noch nie einer Sportart etwas abgewinnen, bei der mir kalt werden könnte. Aber mein Skipper träumt nun mal davon, mit mir die Welt zu umsegeln, also muss ich ausprobieren, wie das so sein könnte.
Und so ging unser Bötchen auf seine erste große Fahrt, erst mal hinten dran am Auto. Das bedeutete allerdings nicht, dass es trocken blieb: Auf der Fahrt nach Kroatien schüttete es. Goss es. Oder wie Tomy meinte: „Wenn es noch ein kleines bisschen mehr regnete, könnten wir den Außenborder anwerfen…“
Dennoch kamen wir gut in Funtana an, ließen das Boot ins Wasser und segelten munter nach Veruda, wobei der Kurs möglichst so angelegt wurde, dass ich frierendes Wesen in der Sonne saß. In der Marina in Veruda fiel mein Blick dann auf den Baumniederholer neben uns: Er war so lang wie unser ganzer Baum, ja unsere Jemanja verschwand völlig neben den großen Charteryachten. Doch sie war jetzt für vier Wochen unser Heim, unser Schloss – unsere Yacht.
Die ungläubigen Blicke, das Schwanken zwischen Bewunderung und Mitleid, wurden jedoch schnell unsere Begleiter.
Bei der Überfahrt über den Kvarner blies der Wind teilweise mit Windstärke 7, vielleicht in Böen auch mehr. Die Fock rollten wir ziemlich schnell wieder ein, denn bei dem Wind, der uns anschob, stand sie nicht richtig. Trotzdem rauschten wir mit 6 Knoten, Tomy am Ruder bis zur Südspitze Istriens. Danach übernahm ich, es lief immer noch wunderbar. Nur dass die See keineswegs mehr – so wie angesagt – leicht bewegt war! Und obwohl mich in Holland jedes Mal Panik überfällt, wenn sich das Boot in einer Bö plötzlich auf die Seite legt, machte mir der Ritt über die Wellen nichts aus. Unsere Jemanja schaukelte wunderbar darüber. Bald steuerte wieder Tomy, ich sollte navigieren, aber nicht nur, dass mir unter Deck doch flau im Magen wurde, es schaukelte einfach zu sehr, um einen Kurs zu zeichnen. Und da wir eben doch keine Yacht haben, sondern nur ein Bötchen, das nah am Wasser ist, fegte die Gischt schon öfter mal ins Cockpit und damit am Schiebeluk des Niedergangs entlang auch ins Innere.
So kam es, dass die Blicke der acht schneidigen jungen Männer auf der großen Charteryacht neben unserer Nussschale im Hafen von Mali Lošinj, klar zu erkennen gaben, dass sie nicht wussten, was sie angesichts der nicht mehr ganz taufrischen Windbraut mit zerzausten Haaren, Schwimmweste mit Lifeline und im Ölzeug denken sollten.
Ich aber ließ mich erst mal verführen: Vom Blick zurück auf Mali Lošinj, einer der schönsten auf dieser Welt; dem blauen und grünen und doch so klarem Wasser in der Čikatbucht; bei einem Spaziergang durch die Macchia auf Illovik, einem üppigen Fest für alle Sinne: Die Sonne wärmte, hunderte Eidechsen huschten über den Weg, die Blumen der Macchia dufteten süß, die Samenstände der Wolfsmilch um uns explodierten mit einem kleinen Knall. In den Gärten des Ortes blühten Teppiche mit handtellergroßen, pinkfarbenen Mittagsblumen, sowie Margaritenbäume, grellrosa Löwenmäulchen und rote Geranien und Amaryllis. Bald danach dümpelten wir vergleichsweise langsam, dafür sehr entspannt nach Veli Rat, vorbei an Inselchen, die wie Drachenschwanzzacken aussehen. Überhaupt liegen die Inseln alle sanft gerundet und doch spitz, wie die Rundungen einer sinnlichen Frau hingebungsvoll im Meer. Finde ich, Steffi, nicht Tomy, obwohl er mir zustimmt.
In Brbinj sagen sich Fuchs und Has’ Gute Nacht! Auf der Suche nach einem kühlen Bier und einem Gasthaus überquerten wir einen kleinen Hügel und gelangten in die nächste Bucht, Lučina, in der Mooringtonnen ausliegen. Ja, für ein Beiboot fehlt es unserer Etap21i doch an Größe! Da mussten also schon mal die Füße herhalten.
Wir fanden die einzige Konoba, das Bife Šjor Bepo. Waren wir jetzt beim Peppi oder beim Schorsch? Wie auch immer, jedenfalls kredenzte er uns im Blaumann und sehr freundlich unser kaltes Bier, später übernahm seine Frau das Kellnern – im Jogginganzug und Schlappen. Er stand, immer noch im Blaumann, aber mit Schürze in der Küche und briet für uns köstliche Kalamari. Ja, es war einfach, aber wir hatten schon in besseren Gastronomiebetrieben viel schlechter gegessen. Und lang nicht so schön gesessen: Der Garten war liebevoll, einfach, aber mit Muscheln und Treibgut verziert, der Blick auf die Bucht dahinter ein Traum. Wir waren soooo weit weg, mitten am Land, in der Einfachheit, in der Natur.
Also weiter nach Telašćica, dem Naturpark am südlichen Ende der langen Insel, Dugi Otok!
Vor dem Boot tauchte plötzlich ein merkwürdiges Stück Holz auf, denn es verhielt sich nicht wie Holz im unbewegten Wasser. Es verschwand nämlich immer wieder. Aufgeregt sprang ich auf und sah gerade noch eine Schildkröte, eine Meeresschildkröte in freier Wildbahn wohlgemerkt, in der Tiefe versinken. Später schwammen wir im südseefarbenem, glasklarem und vollkommen stillem Wasser. Am Abend ging der Vollmond über dem Hügel im Süden auf, während hinter uns ein Gewitter tobte. Bald streichelte der Wind die Bäume und mich – Kroatien ein gesegnetes Land für alle Sinne und doch oft nur für die, die mit dem Herzen gut sehen können – oder außerhalb der Hauptsaison kommen.
Nicht nur mancher Hinterhof ließe sich leicht mit verwahrlost beschreiben. Bei weitem nicht alle baulichen Maßnahmen sind so durchdacht und gelungen, wie Molat mit seinem modernen Hafenbüro im alten Steinhaus. Im Meer schwimmt nicht nur versehentlich über Bord gegangenes, sondern auch breite Müllstraßen, wohl absichtlich von großen Schiffen hinterlassen. Das Leben auf den Inseln ist hart, nur etwas fürs Wochenende. Internet gibt es selten und wenn, dann funktioniert es nicht, auch Bargeld sollte man dabei haben, denn südlich von Lošinj sind Geldautomaten seltener als Steckmuscheln. Die Preise sind mittlerweile europäisch, doch für 6,50 Meter Schiffslänge gut zu bezahlen. Wie sonst, wenn nicht über den Preis, ließe sich der Ansturm, um nicht Angriff zu sagen, der Katamarane und Yachten im vermutlich schönsten Segelrevier Europas steuern?
In dieser magischen Nacht am Rande der Kornaten schlich sich der Segeltraum meines Mannes in meine Träume ein, zart und fast unmerklich. Ich begann zu schweben: Im Schaukeln des Bootes und im Halbschlaf verlor ich die Orientierung, wusste ich nicht wo vorne, wo hinten, wo links, wo rechts war. Ich lauschte dem Ruf der Käuzchen, dem Knarren der Leinen und genoss den schwerelosen Zustand, bis ich endgültig einschlief.
Eine Welle! Laute Frauenstimmen! Was ist passiert? Legt das Fährschiff wieder an? Jetzt um Mitternacht? Selbst in Sali, der Hauptstadt der Insel Dugi Otok, wo wir für eine Nacht anlegten, hatte ich diese Betriebsamkeit nicht erwartet. Doch nein, ein großer Katamaran, der mit Vollgas im Hafenbecken gedreht hatte, drängte sich just in die Lücke zwischen uns und dem nächsten Boot. Platz war da schon, aber nur für eine normale Yacht, vielleicht auch für zwei, aber nicht für diese Krake. An Board waren hauptsächlich betrunkene, lärmende Frauen, die keine Ahnung hatten, was sie tun sollten! Was hatte doch der Hafenmeister gesagt?
„Legt euch dahin, ganz an den Rand, damit euch die anderen Boote nicht quetschen!“
Ich schimpfte wie ein Rohrspatz!
Und ging baden!
Allerdings erst am nächsten Morgen und nicht ganz freiwillig: Beim Ablegen sank die Mooringleine nicht schnell genug zu Boden, bzw. wurde von unserer Motorschraube angezogen und wickelte sich um diese. Der Motor starb ab, unser Schiffchen trieb auf die Steine des Wellenbrechers zu. Während Tomy die Schraube befreite und hektisch versuchte den Motor wieder anzubekommen, blieb mir nichts anderes übrig, als ins – saubere! – Wasser zu springen und Jemanja von den Steinen wegzudrücken. Nachdem der Gang draußen war, sprang der Motor wieder an, ich kletterte an Land und Tomy nahm mich an der gegenüberliegenden Mole wieder auf.
Der Motor, unser zuverlässlich schnurrendes Kätzchen…
verließ uns in der Hafeneinfahrt von Mali Lošinj. Ich steuerte, entspannte, freute mich aufs Ankommen, da setzte der Motor aus und ließ sich nicht mehr anwerfen. Also kreuzten wir in den Hafen hinein und hatten Glück im Unglück: Der Hafen war schon ziemlich voll, hinter uns kam eine ganze Armada von offensichtlich zusammengehörigen Yachten. Für diese war ein ganzer Steg freigehalten worden, so konnten wir stressfrei längsseits gehen und unser Schiff wieder an eine Mooring in der Ecke verholen. Zehn Minuten später lag die Friedensflotte Mirno Morje mit je fünf Yachten aus Österreich und aus Bayern neben uns. Mirno Morje – Friedliches Meer – wurde 1993 von einem Österreicher gegründet, um Kinder aus dem ehemaligen Kriegsgebiet friedlich zusammenzubringen. Heute wird Menschen mit „Besonderen Bedürfnissen“ die Möglichkeit gegeben, ihre Grenzen zu erweitern, neue Freundschaften zu schließen und einfach Spaß zu haben.
Unsere Bedürfnisse beschränkten sich auf guten Wind über den Kvarner und weiter die Küste hinauf. Der Wind war günstig, er blies aus Südwest, uns also genau nach Fažana – und in den Regen! Also kreuzten wir zwei Stunden vor Brijuni hin- und her, immer in der Sonne, beobachten dabei die Regenwolken. Wohin? Nach Pula, in die Stadt, nach Fažana in den Regen, ohne zu wissen, ob man dort anlegen kann, oder direkt noch drei Stunden nach Rovinj? Die Wolken blieben hängen, dort wo wir hinwollten, egal was wir wählten. Also nach Fažana, auf gut Glück! Wir wurden nass, kamen ins Gewitter, doch wir fanden einen Platz an der Mole vor der Fähre nach Brijuni.
Dass uns das nur keiner nachmacht: Denn außer für einen Winzling, wie unsere Jemanja, ist dort kein Platz.
Und so erwiderte ich dem verwunderten Skipper und dessen plötzlich neidisch dreinblickenden Frau in Ist: „Ja unser Schiff ist klein, aber wir können jedes Wochenende damit in Holland, jeden Sommer irgendwo in Europas Meeren segeln und anlegen, wo die Großen nicht hinkommen. Wir sind flexibel!“
Und eines Tages, in nicht allzu ferner Zukunft, wird aus unserem Bötchen eine große, seetaugliche Yacht, die uns im Namen der Meeresgöttin hinaus auf das wahrhaft große Meer bringt!
PS: Manchmal trauere ich dem kleinen Sch. immer noch nach…
2 Kommentare
Schreibe einen Kommentar →