Na gut, schwarz gehört nicht wirklich dazu, die Flagge Grenadas ist rot, gelb und grün. Doch auf schwarzer Haut kommen diese Farben besonders gut zur Geltung. (Was man von den deutschen Farben auf blasser Haut nicht gerade behaupten kann.)
Heute, am 7. Februar feiert Grenada den 43. Unabhängigkeitstag von Großbritannien. Gut, die Queen ist immer noch das Staatsoberhaupt: Der „State of Grenada“ ist eine konstitutionelle Monarchie. Außerdem ist das mit der Unabhängigkeit eine Illusion: Der Ostkaribische Dollar hängt fest am Nordamerikanischen; für die Verteidigung sind die USA zuständig; das Geld bringen die Yachties, Rentner und Touristen; Blumenkohl, Salat, Äpfel und jede Menge anderer Produkte kommen gut in Plastik verpackt und knapp über den Gefrierpunkt ebenfalls aus den USA. Müsste ich ja nicht kaufen – leider gibt es kaum einheimische Alternativen.
“Grenada, Carriacou and Petit Martinique must come first!” Keith Mitchell, Regierungschef des Staates Grenada
Wir gehen zur Parade ins „National Cricket Stadion“ Anfangs ist es noch ziemlich leer, aber nach einer Weile füllen sich die Ränge im Schatten. Vor uns ziehen diverse Abordnungen ein: Das Polizeicorps, die Coastguards, das Ambulance Corps, die Scouts und weiß der Stadionsprecher wer noch. Nach dem Einzug warten wir auf die Dignities, die Ehrwürdigen. Der Sprecher verkündet, dass die Sirenen Vorboten vom Eintreffen des Regierungschefs sind. Er fährt im schwarzen Mercedes vor, und ruiniert damit erst Mal den Rasen. Nach einer gefühlten Ewigkeit fährt die Gouverneurin vor, die Vertreterin der Queen, im weißen Mercedes.
Derweil übt sich der Rest der Truppe im Stillstehen und Nichtumfallen. In der prallen Sonne, versteht sich. Nicht jeder ist erfolgreich. Die Sanitäter haben einiges zu tun.
Die Truppen defilieren an den Ehrwürdigen vorbei, mal in quick motion, mal in slow motion, die Gouverneurin nimmt die Parade ab. Das alles scheint einzig und allein dazu zu dienen, dass die Kommandanten möglichst oft ihren Namen hören. Diese Parade aus einer längst vergangenen Zeit ist so langweilig, dass sie schon wieder lustig ist.
Die Engländer haben den Sklaven einst ihre steife, militärische Art aufgedrängt und heute fühlt sich keiner mehr mit dem, was damit rauskam wohl: Beide Seiten verloren ihre Identität. Die Menschen hier ringen immer noch um ihre als Grenadier. Sie möchten britisch sein, stehen unter amerikanischen Einfluss und haben ihr afrikanisches Erbe vergessen, zumindest die, die mit den Ausländern zu tun haben.
“Es ist einfacher zu zerstören, als aufzubauen.” Keith Mitchell in seiner Rede zum 43. Unabhängigkeitstag
Ich sehe nach, woher die Sklaven, die so gar nicht auf den Schultern ihrer Vorfahren stehen, kamen: Ein gutes Drittel waren Yoruba. Das schockiert mich noch mehr: Der alte Glaube der Yoruba an die Orixas ging hier ziemlich verloren. Vielleicht lag es daran, dass sich auf der kleinen Insel niemand verstecken konnte, um heimlich Zeremonien abzuhalten, vielleicht waren die Engländer auch nur besonders effektiv im Missionieren, oder die Yoruba, die hierher kamen, schon Moslems, als sie verschleppt wurden.
Das alles ist zumindest mein erster Eindruck. Ein paar Tage später bei der Inselrundfahrt, finde ich die Menschen etwas selbstbewusster, lockerer und authentischer – und sogar einen Orixa entdecke ich!
Der Präsident hält eine Rede. Zuallererst grüßt er seine 95 jährige Mutter, was begeistert aufgenommen wird. Dann beschwört er das Ende der ökonomischen Krise und eine glänzende Zukunft. Grenada hat übrigens gerade mal doppelt so viele Einwohner wie die Stadt, in der wir in Deutschland wohnen. Ohne Yachties, Kreuzfahrern und anderen Touristen wird es nichts mit dem wirtschaftlichen Aufschwung.
Ich sehe mir das rot-gelb-grüne Meer auf den Rängen an: Welch eine Kreativität! Vom Kopfschmuck, über Ohrringe, Halsketten, Armbänder bis hin zu den Schuhen – alles leuchtet in den Nationalfarben. Es gibt gehäkelte Kleidchen für die jüngsten, Rüschenröckchen für die Mädchen, T-shirts, Kleider, Hemden in unzähligen Variationen für die Erwachsenen, selbst die Schuhe sind rot oder gelb. Unglaublich diese Vielfalt, die den Menschen so viel besser steht, als die Uniformen, so viel authentischer wirkt! Schöner macht es sie trotzdem nicht: Wir haben selten so viele unattraktive Frauen, ja Mannsweiber mit Schultern, die Arnie das Fürchten lehren könnten, gesehen. Sie sehen so anders aus als die in Brasilien, Französisch Guyana oder Surinam. Und wieder verstehe ich nicht, woran das liegen kann – der Genpool ist doch ziemlich gleich!
Irgendwann ist die Parade zu Ende, es wird locker, eine Tanzgruppe tritt auf. Man versichert uns, der Spaß fängt gerade erst an, aber wir haben genug – durch eine menschenleere Stadt gehen wir nach Hause zum Schiff.
Ein paar Tage später fahren wir durch eine rot-gelb-grün bemalte Insel: Jeder Ort scheint drei Eimer Farbe bekommen zu haben, mit dem er bemalt hat, was geht: Autoreifen, Palmen, Steine, Zäune, Wasserleitungen, Wände, Bushäuschen, Kioske, Container… Und über allem flattern lustig rot-gelb-grüne Wimpel!
Macht fröhlich, so eine bunte Insel!