Familienfest

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Ich soll mehr von meinem Leben daheim erzählen, sagt einer meiner Leser. Na gut, dann erzähle ich euch eben von meinem letzten Aufenthalt in der Heimat.

Heimat: Das ist die Gegend, in der ich aufgewachsen bin, der Ort, an dem ich die prägendsten Jahre meines Lebens verbracht habe. Die meisten Menschen erzählen gern und lange von ihrer Kindheit und Jugend, vielleicht weil sie instinktiv wissen, dass die Erlebnisse in diesen Jahren, die Weichen für ihr Leben stellen. Das was sie verlieren, ist allerdings die Gewissheit, dass sie die Weichen und die Weichensteller in einem sind, und auch der Zug und der Passagier– sie können jederzeit fahren wohin sie wollen.
Ich schweife wieder ab! Heimat, das ist das Lebensgefühl der Jugend, das sind die Familie und die Freunde von damals.

Bei mir sind das die Gegend um Baden bei Wien, meine Kernfamilie, ein Haufen Heimatvertriebener und Dorli, Michi, Monika, Bigi, Barbara, Maria, Gerhard, Walter, Günther, Regina und ein paar „Verlorene“.
Die ersten paar Abende verbrachte ich mit meinen Freunden aus der guten alten Zeit, tief verbunden erinnerten wir uns an damals, erzählten von den guten und nicht so guten Zeiten dazwischen, davon, wie es uns jetzt geht und planten grandiose Erlebnisse in der Zukunft. Auch so kann Sein im Hier und Jetzt aussehen.

Darauf folgten vier geballte Tage mit der engeren Familie, vor allem mit meiner Mutter: Das Fest ihres 90. Geburtstages, der Grund für unsere Versammlung, stand bevor. Und es wurde eine legendäre Feier:
Mehr als 160 Gäste, alt und jung, der weitaus überwiegende Großteil davon, Nachkommen eines Haufens Vertriebener, alle Mitglieder einer großen Familie, die im August 1945 an der Grenze zu Österreich von einem Anhänger purzelten. Mit anderen Worten – mit gut 140 der Anwesenden war und bin ich verwandt. Und die meisten davon konnte ich sogar zuordnen!

Doch das Legendäre dieses Festes war meine Mutter: Sie hielt mit 90 Jahren die erste Rede ihres Lebens, frei aus dem Kopf, klar artikuliert, ohne zu stocken, spannend und fesselnd: Etwa 10 Minuten lang betrachtete sie das einschneidenste Erlebnis ihres Lebens, die Vertreibung, die schwierige Situation danach – und das blühende Leben im Saal vor ihr heute. Nur vergessen sollen wir nicht.

Werden wir nicht. Oder vielleicht doch, denn viele der Jungen wissen nicht mehr viel davon. Und wisst ihr was: Es ist gut so. Schnee von gestern. Sicher, Wasser, das heute unsere Pflanzen wachsen lässt. Aber wir dürfen das auch hinter uns lassen. Loslassen. Denn für uns Junge, ja auch für meine Eltern und Verwandten, hatte das neue Heim viel Freude und Wohlstand parat. Nur eine kleine Silbe fehlte, doch ich schuf sie mir neu, die Heimat. Und dann eine für meine Töchter, wieder in einem fremden Land. Und jetzt können wir alle in der Gegenwart unsere Zukunft gestalten und die Heimat unserer Kinder. Der Zeitpunkt der Macht ist jetzt, heißt es im Huna-Schamanismus – mögen wir liebevoll die Weichen stellen, Harmonie und Verbundenheit, Wohlstand und Wohlbefinden schaffen!

Und jetzt wünsche ich mir noch viele Jahre mit meiner Mutter, deren Knochen schmerzen, deren Augen nicht mehr viel sehen, doch deren Verstand erst mit ihr vergehen wird. Möge ihre liebende Hand noch lange bei uns bleiben. Und ihr wünsche ich noch viele Jahre mit uns, ihren Kindern, Enkeln und Urenkeln und viel Freude mit Clemtinchen (Wer das ist, verrate ich euch in ein paar Wochen)!

Wie schön, dass du geboren bist, Mutti, heute, den siebten Februar, vor 90 Jahren.
Ich hätte dich sonst sehr vermisst!

Witzig – so steht meine Mutter heute noch da!

Tu ich übrigens gerade! Die Karibik ist weit weg von Tribuswinkel!
Von meinem Großvater könnt ihr hier lesen! Der wäre vor ein paar Tagen 119 gewesen!

Was ist deine Definition von Heimat oder Zuhause? Ist es für dich dasselbe? Wo bist du daheim?

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