8. November 2016
Wow, der Besuch des Museums und die Bustour über das Centre Spatial Guyanese, dem europäischen Weltraumbahnhof in Kourou, waren beeindruckend! Um ehrlich zu sein, mir schwirrt immer noch der Kopf – wie bekomme ich jetzt einen informativen und spannenden Bericht zusammen?
Sagen wir mal, ich bin – ein Satellit! Ich bin Satellit YEMANJA. In Auftrag gegeben hat mich Steffi, die in dieser kleinen Geschichte Multimillionärin ist und sich das leisten kann. Sie ist neugierig auf diese Welt und möchte ganz viel wissen: Zum Beispiel über die Lebensweise des Anden-Condor, den Kreislauf von Ebbe und Flut, sie möchte Vulkanausbrüche beobachten und die Aschewolken verfolgen, sie möchte nach Erdbeben die Hilfe koordinieren oder die Erschütterungen messen, sie möchte Überschwemmungen verfolgen und illegalen Bergbau aufstöbern, sie will wissen, wie Städte wachsen oder die Pole und die Gletscher sich verändern, wie Wüsten entstehen und Städte vermessen…
I saw a large river meandering slowly along for miles passing from one county to another without stopping. I also saw huge forests, extending across several borders. And I watched the extend of one ocean touch the shores of seperate continents. Two words leaped to my mind as I looked down on all this; commonality and interdependence. We are one world. John-David Bartoe, Kosmonaut, USA
Gut, das mag ein wenig viel sein für einen kleinen Satelliten, aber all das können meine Kollegen: JASON zum Beispiel kann die Höhe der Meereswellen bis auf den Zentimeter genau messen, NOAA wiederum wird jeder Segler kennen: Er liefert die Rohdaten für die Wettervoraussagen auf See und anderswo. Viele andere Satelliten sorgen dafür, dass du den Track von Schiffen verfolgen kannst, wir mit Satellitentelefonen auf See mit unseren Lieben daheim sprechen können oder auf Facebook posten können. (Der fiktiven Multimillionärin ist das allerdings zu teuer.)
All das erfährt meine Auftraggeberin im Museum. Natürlich weiß sie, was wir Satelliten alles können, doch hier wird ihr bewusst, wie abhängig das modere Leben doch von uns Satelliten ist!
Gut, was ich damit sagen möchte, ist, dass jeder der das nötige Kleingeld hat, also Regierungen, Universitäten, Umweltschutzorganisationen und vor Allem Televisionsgesellschaften hier auf dem europäischen Weltraumbahnhof einen Satellit ins All bringen lassen können. Zu den Kunden von Arianespace gehören außerdem indische, australische, argentinische, italienische und andere TV-stationen, natürlich Eutelsat und Intelsat und das europäische Navigationssystem Galileo.
The first couple of days we were looking out for our own countries. The third and fourth days our continents. After that we began to focus our attention more on the earth as a whole. Sultan bin Salman bin Abdulaziz Al Saud, 1. Muslimischer Astronaut, Saudi Arabia
Und jetzt wird es kompliziert: Die Europäische Raumfahrtbehörde ESA, die sich aus verschiedenen Staaten, unter anderem Österreich und der Schweiz, zusammensetzt, ist verantwortlich für die Entwicklung der Raketen Ariane, Vega und Soyuz sowie der Launchsysteme. Sie finanziert auch einen Teil des Centre Spatial Guyanais CSG, welches die Unabhängigkeit der europäischen Raumfahrt garantiert und auch mitentwickelt. CNES, die französische Raumfahrtbehörde ist der Betreiber des CSG. Arianespace ist für den eigentlichen Launch verantwortlich. So, ich hoffe, damit habe ich euch keinen Blödsinn erzählt und nicht hoffnungslos verwirrt.
Also ich bin immer noch Satellit YEMANJA. 60 Tage vor meinen Abflug beginnt der Zusammenbau meiner Trägerrakete Ariane 5. Die Teile dafür werden in Frankreich bei Airbus gefertigt.
Der erste Flug einer Ariane fand 1996 statt. Ariane 5 hat mehr als 70 erfolgreiche Starts in Reihenfolge absolviert und damit einige Rekorde gebrochen. Sie kann Cargo, auch Menschen, zur Internationalen Raumfahrtstation bringen. Sie hat eine Nutzlast von 10 Tonnen und kann somit sehr schwere oder mehrere Satelliten in eine geostationäre oder erdnahe Umlaufbahn bringen. Entsprechend teuer ist die Stationierung. Für kleinere Satelliten wurde daher die Rakete Vega entwickelt, die gerade so groß ist, wie die beiden Booster der Ariane 5. Sie flog 2012 zum ersten Mal ins All. Die russische Soyuz, mit der der erste Mensch, Juri Gagarin 1961 in All flog, kann mittelschwere Satelliten für Forschung oder Navigation, z.B. Galileo Satelliten, in den Weltraum bringen. Auch sie startet seit 2011 vom europäischen Weltraumbahnhof in Kourou aus. Natürlich gäbe es da noch sehr viel mehr oder Genaueres zu sagen, aber mehr habe ich mir nicht gemerkt!
Interessant finde ich nur, dass sich die Russen mit Europa um die Ukraine und anderes streiten, in der Raumfahrt aber offensichtlich gut zusammen arbeiten.
I saw the earth from space, so beautiful once the scars from national borders have disappeared.
Muhammed Ahmed Faris, Kosmonaut, Aleppo, Syrien, angeblich derzeit in Bonn lebend…
Ich, der Satellit, werde irgendwo zusammengebaut und komme 45 Tage vor dem Launch mit dem Schiff oder dem Flugzeug nach Französisch Guyana. Der Anleger für das Schiff ist übrigens direkt neben dem Ankerplatz in Kourou. Im Weltraumbahnhof CSG werde ich vorsichtig ausgepackt und die Techniker aus aller Welt kontrollieren, ob ich den Transport gut überstanden habe und alles an mir funktioniert. So werden zum Beispiel meine Sonnenpaneele ausgebreitet. Es ist unglaublich wie verletzlich ich aussehe, mit den flatternden goldenen Membranen, die wie Alufolie wirken!
Wenn alles in Ordnung ist, werden in einem Hochsicherheitstrakt meine Tanks befüllt und schließlich alle meine Teile zusammengesetzt.
15 Tage vor dem Start werde ich auf die Rakete montiert, 4 Tage vorher findet ein Probelauf des Startes statt. Einen Tag vor dem Launch wird Ariane 5 mit drei Stundenkilometern von der Montagehalle auf Schienen zur Startrampe gefahren, das dauert etwa eineinhalb Stunden.
Das Gelände des CSG ist angeblich sieben Mal so groß wie Paris, die Gebäude stehen sehr weit auseinander und sehen aus wie riesige Schuhkartons. Das liegt an den gefährlichen Brennstoffen, die verwendet werden: Wasserstoff für den Vulkanmotor und ein Festbrennstoff, für die Booster. Sollte mal etwas schiefgehen, ist so die Chance größer, dass nicht alle Gebäude in Mitleidenschaft gezogen werden.
Und dann geht es los!
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00:00:00 Die initiale Zündung erfolgt!
00:00.07 Zündung der Booster und Liftoff
00:02:22 Abstoß der leergebrannten Booster, sie fallen brennend ins Meer vor Kourou, der Vulkanmotor übernimmt
00:03:21 Die Nase und der Schutz des Satelliten fallen weg
00:09:10 Der Hauptkörper und der Vulkanmotor fallen weg, sie verbrennen beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre wie eine Sternschnuppe – oder fallen in den Atlantik.
00:25:06 Die nächste Stufe mit dem Kontrollzentrum fällt weg
00:27:59 Der erste Satellit wird abgekoppelt
00:32:28 Der zweite Satellit wird abgekoppelt – ich schwebe im All!
Nach etwas mehr als dreißig Minuten, Ariane 5 ist jetzt über Kenia, ist ihre Mission vorbei!
Leider weiß ich nicht, was genau mit ihr passiert – wird sie zu Weltraumschrott oder zu einer Sternschnuppe? Auch weiß ich nicht, ob die Abkoppelung der Satelliten an deren endgültigen Station erfolgt, oder ob die noch eine weitere Reise vor sich haben, bevor sie ihre Arbeit aufnehmen können.
Der Start der Raketen lässt sich in dafür bestimmten Gebieten am Gelände des CSG beobachten, aber auch am Strand von Kourou oder – wenn Platz frei ist – im Kontrollzentrum Jupiter.
So, und jetzt, da ihr Satellit stationiert ist, ist die Multimillionärin im Geiste im Bus auf der Tour durch das Gelände. Sie bedauert sehr, dass sie die Startrampe der Ariane 5 nicht besichtigen kann, aber in neun Tagen findet der nächste Start statt und seit dem Mittag sind die Wasserstofftanks an der Anlage befüllt – es ist zu gefährlich.
Dafür sieht sie einige Filme vom Start. Natürlich haben wir die alle schon mal gesehen, aber vor Ort werden sie realer und viel beeindruckender! Wir haben jetzt bei den Videos vom Start ein viel größeres Bild im Kopf, sehen quasi noch, was links und rechts davon ist, oder dahinter. Wir können uns alles viel besser vorstellen, vor Allem nachdem wir die Soyuz Abschussrampe gesehen haben. Die Soyuz wird im Gegensatz zur Ariane 5 liegend zusammengebaut, und an der Rampe aufgerichtet. Die Rampe kann dafür verschoben werden. Große blaue Zangen halten die Soyuz über dem Startloch fest. Ja, unter der Rampe ist ein großes Loch, quasi der Auspuff, der den Ausstoß der Hitze und der Gase lenkt. Sehr beeindruckend, das Ganze! Die vier „Strommasten“ die um die Abschussrampe herum stehen sind übrigens Blitzableiter.
Das gesamte Areal wird umwelttechnisch überwacht, die Auswirkungen der Starts sind nur einen Kilometer weit spürbar. Die restliche Natur ist völlig intakt. Da nicht gejagt wird, soll es voller Jaguare und Schlangen sein! Lachen muss ich jedoch, als ich im Guyana-Führer lese, dass die Starts und Raketenrückstände keinerlei Gefahr für das Ökosystem darstellen, aber „vous n’êtes pas obligé de le croire!“ – Sie müssen das nicht glauben…
We are all children of the earth. Whatever country you come from, we are al children of the same earth and we should treat her as we would a mother. Alexander Alexandrov, Astronaut, Russia
Es gibt auch einen Ingenieur, der bei den Starts für die Sicherheit der Natur verantwortlich ist: Bei Gefahr kann er den Start abbrechen. Es gibt noch drei weitere Verantwortliche, die das können, einer bei Gefährdung von Menschen, die anderen beiden haben vermutlich eher die Technik im Auge.
Das erfahren wir alles bei dem Besuch des Kontrollzentrums. Wie schon an der Startrampe finde ich das alles sehr beeindruckend! Nicht umsonst wollte ich unbedingt hierher, ich meine so wahnsinnig viele Weltraumbahnhöfe in dem normalen Touristen zugänglichen Ländern gibt es ja nicht: Dreizehn gibt es, in China, Japan, USA, Indien, Russland, Kasachstan, Israel und eben hier. Außerdem soll der Weltraumbahnhof in Kourou der Beste der Welt sein: In der Nähe zum Äquator ist die rotation der Erde schneller, so bekommen die Raketen einen extra Schub, das spart Treibstoff und macht das Stationieren der Satelliten preiswerter. Von hier aus können Satelliten in eine geostationäre, sonnensynchrone oder erdnahe Umlaufbahn gebracht oder auf eine Reise in den Weltraum entsandt werden.
Übrigens: Die Tour ist auf Französisch, allerdings konnten unsere beiden Guides auch Englisch, Niederländisch und Deutsch. Jedoch bekamen wir nur das Nötigste übersetzt, aber dank unseres exzellenten Schulfranzösisches, Filmen, Schautafeln im Museum, diversen Prospekten in Englisch und natürlich Wikipedia konnte ich doch einen, wie ich hoffe, verständlichen Artikel schreiben.
Ab in den Weltraum und zu euch damit. Oder waren das dann doch Glasfaserkabel auf dem Grund des Atlantiks?
INFO Weltraumbahnhof Kourou (CSG)
Das Space-Museum ist von Montag bis Freitag von 08:00 bis 18:00 Uhr, samstags von 14:00 bis 18:00 geöffnet.
Für die Bustour muss man sich telefonisch oder per Email (englisch) mindestens 48 Stunden vorher anmelden unter visites.csg@wanadoo.fr. Touren sind wochentags täglich um 08:00 und 13:00 Uhr, freitags nur morgens und kosten nichts!
Um einen Start auf dem Gelände zu beobachten, braucht man eine Einladung, die man unter www.cnes.csg.fr oder csg-accuell@cnes.fr bekommt. Es gibt drei Möglichkeiten: „Agami“ ist 7,5 km weit weg, „Ibis“ und „Venus“ sind 12 km entfernt. Es gibt Altersbeschränkungen von 16 bzw 12 Jahren aufwärts. Wenn noch ein Platz frei ist, kann man auch im Kontrollcenter „Jupiter“ den Start beobachten.
Die Starts können auch am Platz „Carapa“ außerhalb des Geländes beobachtet werden. Dort haben 1450 Menschen Platz, man soll mindestens eine Stunde vorher da sein. Auch am Strand von Kourou kann man den Start beobachten und in Cayenne gibt es auch Plätze mit Videoübertragen.
Seht euch unbedingt die Seite von Arianespace mit vielen Infos zu den Satelliten und Raketen an. Unter Gallery findet ihr ein Video des letzten Starts. Ich nehme an, sie übertragen die Starts auch Live!
Die – weltweiten – Startzeiten findet ihr unter spaceflightinsider.com