3. Oktober 2016
Brasilien zu verlassen ist gar nicht so einfach. Nicht nur, weil ich dieses Land liebe und mir mittlerweile auch die Menschen in Jacare ziemlich ans Herz gewachsen sind: das Paar, dem die Caipirinabar gehört; Nicolas, der köstliche Steak brät und mit mir Gemüse für unterwegs einmacht, sein hinreißender kleiner Sohn, um den er sich so liebevoll wie er es nur kann kümmert und der doch einfach noch jemand zum Kuscheln braucht; Ardillo und Tiago zwei der Marineiros, die wirklich mehr als nur schwer in Ordnung sind; Bela, die wäscht und putzt, auch so gut sie es eben kann, und die sich um ihr Enkelkind kümmern muss…
Ich werde sie alle vermissen!
Doch nein, verlassen ist schwer, weil es dir die Behörden schwer machen!
Um kurz vor zehn Uhr morgens kommt unser Taxi um uns möglichst in einem Tag durch den Behördenmarathon zu fahren. An der Policia Federal, die unsere Ausreise im Pass bestätigen muss, kommen wir kurz vor zehn Uhr an – früher macht sie nicht auf. Die freundlich lächelnde Dame an der Rezeption bedeutet uns, dass wir ein wenig warten müssen, also machen wir es uns auf den Stühlen bequem.
In den folgenden 105 Minuten (eine Stunde und fünfundvierzig) können wir uns ein ausgiebiges Bild von der Effizienz der Beamten machen:
Die Dame nimmt gelegentlich das Telefon an oder deutet einem Neuankömmling den Weg in eines der Büros.
Die beiden Securities lungern herum
Zwei weitere Beamte lungern ebenfalls an der Rezeption und unterhalten sich gestenreich über ihre Leistenbrüche (ich möchte mir nichts Anderes vorstellen)
Alle blicken immer wieder gelangweilt auf den laufenden Fernseher (brasilianische Werbung verblödet genauso wie unsere. Die langmähnigen und ebenso langbeinigen Blondies, die immer wieder durchs Bild hüpfen machen mich aggressiv – verdammt, ihr habt mehr drauf!)
Hie und da kreuzt ein/e Beamte/r gemächlichen Schrittes von links nach rechts, oder von rechts nach links den Empfangsraum, Ziel unbekannt
Andere schleichen beiläufig zum Wasserspender, werfen ihren gebrauchten Becher weg und holen frisches Wasser in einem neuen. In den 105 Minuten wandern etwa 30 Plastikbecher in den Abfall.
Dabei lernen wir die Hymne, das Gebet, die Ethikerklärung und den Schwur der Poliçia Federal auswendig – sie hängen neben uns an der Wand. Da ist was vom Service für Brasilien die Rede, unter Einsatz des Lebens…
An Stress sterben die nicht.
Um 11:45 werden wir endlich in einen Raum voller hart arbeitender Männer gerufen: Zwei sitzen tatsächlich vor einem Computer, der Rest unterhält sich.
Unser Mann studiert unsere Pässe von der ersten bis zu letzten Seite, vergleicht jeden einzelnen Stempel, tippt etwas in den Computer, vergleicht, liest die Pässe ein, prägt sich die Pleitegeier ein, ebenso die Wappen der Bundesländer in meinem, liest nochmals ein, fragt nach den Bootspapieren, richtet den Stempel her, beginnt von vorne…
Um 12:15, eine halbe Stunde später, drückt er unter einem unhörbaren, aber dennoch tiefen Seufzer der Erleichterung meinerseits die begehrten Stempel in unsere Pässe, checkt nochmals das Datum und gibt uns die Papiere für den Zoll.
Bei dem sind wir um 12:30, bis 13:00 haben die offen…
steht an der verschlossenen Tür.
Wir warten.
Bis auf jeder Menge hübscher, bunter Tauben ist das Hafengelände verlassen. Neben dem Gebäude des Zolls steht ein Auto, das gibt uns Hoffnung.
Um 13:15 geben wir für den Tag auf.
Beim Rausgehen erfahren wir auf intensives Nachfragen, dass der Zoll heute geschlossen ist. Wieso wir dann überhaupt reingelassen wurden, mit Passierschein und so, weiß keiner.
Ob wir es schaffen werden, in den uns verbleibenden 72 Stunden auszuklarieren?
Neuer Tag, neuer Tatendrang!
Montags, um 8:30 holt uns Bernado, der „marinaeigene“ Taxifahrer ab, gestern hatte ihn ein Kollege vertreten. Um kurz vor neun sind wir an der Receita Federal, die…
heute angeblich geschlossen ist. Der, der unsere Papiere stempeln darf, hat Urlaub. Doch Bernado lässt sich nicht abwimmeln und schließlich stellt sich heraus, das doch offen ist. Nur die zweite Stempelbevollmächtigte ist nicht da.
Bernado regt sich übrigens sehr über die respektlosen Beamten auf – schließlich verbraten die seine Steuern mit schlechtem Service.
Die diensthabende Ordensträgerin kommt um 9:50, um 10:10 haben wir Unterschrift und Stempel!
Jetzt noch schnell zur Capitania in Joao Pessoa, die macht um 11:00 zu, es sind etwa 20 bis 30 Minuten Fahrt.
So. Und jetzt breche ich eine Lanze für die Jungs in der Capitania: Korrekt, höfflich, zuvorkommend, Entschuldigung, dass es lange dauert (15 Minuten) – sind eben echte Matrosen ;-)!
Noch ein Handschlag zum Abschied – dann sind wir und Yemanja offiziell ausgereist! WOW!
Eine Stunde später haben wir auch den restlichen Proviant gekauft – fehlt nur noch die Want!
Mit der wedelt mir Anna Maria am Mittwoch um halb sieben in der Früh einen Morgengruß entgegen. Morgen kann es losgehen!