Hast du schon jemals den Namen Brennand gehört? Francisco Brennand? Ricardo Brennand? Nein?
Du hast etwas versäumt!
1820 kam der Gründer der Dynastie, der Ingenieur Edward Brennand, nach Brasilien um am Eisenbahnnetz zu arbeiten und blieb. In den folgenden zwei Jahrhunderderten entwickelten sich die Brennands zu einer der reichsten Familien Brasiliens. Heute versorgen sie das Land mit Energie, Zement und anderen Baustoffen und mit –
Kunst, Kultur und nationaler Identität.
Francisco ist der Künstler, Ricardo der Sammler, beide Cousins und 1927 geboren. Beide Genies und Wahnsinnige zugleich.
Francisco interessierte sich für Literatur, wandte sich dann der Malerei zu und hielt nicht viel von Keramik, die er nur als praktisch ansah. Erst als er in Europa auf die Arbeiten Picassos, Gaudis und anderer Künstler traf, wandte er sich dem Ton zu. Da kam es gerade recht, dass der Vater eine Ziegelei und Keramikfabrik hatte, verfallen zwar, doch Francisco baute sie wieder auf. Und machte einen verwunschenen Ort daraus: Mit hunderten Skulpturen, Alleen von Tonvögeln, Springbrunnen und Wasserflächen. Er muss ein Besessener sein, nicht nur was die Anzahl seiner Werke, viele zwischen 1980 und 2005 entstanden, betrifft, sondern auch ihr Aussehen betreffend: Seine Männer haben Riesenbrüste, er hat eine Vorliebe für runde Frauenhintern, und doch sehen seine Frauenfiguren eher phallisch aus. Vogelhälse winden sich wie Würmer oder Penise, Münder öffnen sich zum stillen Schrei.
Ich mache mir ernsthaft Gedanken über sein Kindheitstrauma.
Andrerseits: Der Mann steht kurz vor seinem 90. Geburtstag und wird der Welt einst einen Zaubergarten wie Niki Sankt Phalle hinterlassen. Nur in den Farben der Erde. Und relativ unbekannt. Es lebe sein Trauma!
Ricardo, sein Cousin muss an einem Trauma einer anderen Art leiden. Mit 12 bekam er sein erstes Taschenmesser geschenkt und sammelte von da an Blank- oder Handwaffen. Also Waffen, die ihre Wirksamkeit durch Muskelkraft entfalten im Kampf Mann gegen Mann. Seine Sammlung ist eine der größten der Welt, umfasst mittelalterliche Rüstungen, asiatische Dolche und eine beeindruckende Sammlung von Taschenmessern, das größte davon gute 15 cm breit!
Um diese Sammlung auszustellen, baute er 2002 ein Schloss im Tudorstil. Genau, in Brasilien. Wenn das nicht genial wahnsinnig ist…
Zu allem Überfluss werden in dem Schloss nicht nur Waffen und Rüstungen ausgestellt, nein, die Wände zieren alte und neue Bilder von mehr oder weniger angezogenen Damen in verschiedenen Epochen.
Es hat etwas von einem Gruselkabinett, aber eines, in dem du den Mund vor Staunen nicht mehr zubekommst!
Wenn du sein Museum besuchst, wirst du erst mal von einer riesigen Kopie von Michelangelos David begrüßt. Im Gebäude dahinter findest du das bunteste Sammelsurium an Gemälden, die dir je außerhalb des Wohnzimmers deiner Urgoßmutter begegnet sind: Blumen neben Landschaften neben nackten Frauen, neben angezogenen Frauen, neben abstrakten Blumen, Gärten und Schiffen. Das musst du gesehen haben!
In einem weiteren schlossartigen Gebäude ist der Kern der Kunstsammlung untergebracht, die Bilder des holländischen Malers Frans Post. Sie zeigen Brasilien in historischen Ansichten. Ergänzt wird diese Sammlung von anderen Bildern und Artefakten aus der Zeit, in der die Holländer in Brasilien Fuß fassen wollten, aber auch von alten Ansichten Rio de Janeiros (war noch Anfang des letzten Jahrhunderts ein Dorf!), Wandteppichen und anderen Objekten. Insofern ist ein Besuch dieses Museums für Brasilianer ein Muss! Geschichtsunterricht pur, auch für Fremde!
Ricardo, auch er lebt noch, hat außerdem eine Vorliebe für barbusige Frauenstatuen und allem, was er so in die Sammlerfinger bekam. Wirklich beeindruckt, weil ich so etwas noch nie vorher gesehen habe, war ich von einer chinesischen Schnitzerei: ein Buddhagarten aus dem Stoßzahn eines Mammuts mit feinsten Details.
In einem Punkt allerdings sind die Cousins von allen guten Geistern verlassen: Die Museen liegen im gleichen Waldgebiet, nur durch einen Fluss getrennt, etwa zwei Kilometer Luftlinie voneinander entfernt. Von dem einen zum anderen zu spazieren oder mit einem kleinen Bähnchen zu fahren, wäre eine wunderbare Möglichkeit auch gleich die Natur zu genießen. Ich könnte mir unterwegs noch einen Spielplatz vorstellen, ein Kaffeehaus oder einen kleinen Tierpark…
Aber nein, es fehlt eine Brücke. Wohl auch zwischen den beiden. So liegen mindestens 10 km Fahrt mit dem Taxi dazwischen. Und unterschiedliche Öffnungszeiten.
Aber vielleicht denke ich einfach zu europäisch…
Eines ist sicher, sowohl die Oficina Brennand als auch das Instituto Ricardo Brennand hinterlassen einen unvergesslichen Eindruck! Oder was meinst du?
INFO Brennand Museen
Anfahrt mit dem Bus von Olinda nach CDU (Universität) oder von Recife nach Varzea. Den Schaffner nach der Haltestelle zum Aussteigen fragen, Instituto Brennand oder O Castello verstehen sie. Dort ein Taxi finden, das zum Eingang bringt. Jeweils mit Taxi hin- und herfahren.
Keramik Werkstätte und Garten Oficina Brennand hat von 8:00 (wochentags) oder 10:00 (Wochenende) bis 17:00 geöffnet, Eintritt 15 Reals, Kaffeehaus
Kunstsammlung Instituto Ricardo Brennand nachmittags von 13:00 bis 17:00 Uhr, Eintritt 25 Reals, Kaffeehaus und Restaurant vor Ort
Beide MONTAGS geschlossen
Dieser Beitrag ist einer von dreien, in denen ich von Recife und Olinda berichte. Sie entstanden außerdem im Rahmen unseres Aufenthaltes in Jacare und Joao Pessoa.