Olinda, Sao Bento, Bonfim, Pernambuco -
Olinda, Sao Bento, Bonfim, Pernambuco -

Oh, linda! Olinda – lohnt sich ein Besuch der schönen Stadt?

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„Oh, linda!“ soll der Stadtgründer ausgerufen haben, als er den Ort sah, an dem Olinda entstand. „Welch‘ schöner Platz um eine Stadt zu gründen!“

Ich bezweifle das: Damals, 1535, waren hier mit Atlantischem Regenwald bewachsene Berge – sicherlich wunderschön, aber auch ziemlich unübersichtlich. Zumindest von oben.

Und von oben hat man den besten Ausblick auf die unzweifelhaft schöne Stadt. Von ganz oben. Von der Caixa d’Agua. Dem Wasserturm. Besser übersetzt: Dem Wasserkasten.

Es ist mit Abstand das hässlichste Gebäude in der Altstadt von Olinda. Es ist so unglaublich hässlich und so entsetzlich fehl am Platz, dass ich darüber ausführlich schreiben muss: Dieses Gebäude schmerzt in meinen Augen!

Aber gemach, gemach – noch sind wir gerade erst angekommen. Sebastian, unser Gastgeber begrüßt uns mit einem fröhlichen „Servus“: Er kommt aus Wien. Da hab ich mal wieder einfach so und rein zufällig die richtige Unterkunft gebucht. Mir gefielen die bunt-fröhlichen Fotos auf der Website – es sah nach einem Ort aus, an dem wir uns wohlfühlen würden.

Und so war es dann auch.

Sebastian kam noch vor der Matura zum ersten Mal nach Brasilien, schlug sich im altersschwachen öffentlichen Bus gemeinsam mit Hühnern und ohne Sprachkenntnisse bis nach Olinda durch. Das gefiel ihm, es schmeckte nach Abenteuer.
Wieder daheim, lag der Vater dem Sohn in den Ohren: „Du musst deinen Weg finden!“
Sebastian erzitterte.
Instinktiv spürte er wohl, dass der Vater in dem Satz ein d mit einem m verwechselt hatte…
Er machte Matura, lernte Tischler, übte Cello, besuchte die Hotelfachschule und flog immer wieder nach Brasilien. Und eines Tages blieb er. Heute ist er Musiker und Gastgeber.
Ich behaupte, er hat seinen Weg gefunden!

Während wir nett mit Sebastian plauderen, Luni, die Straßenhündin, die mit seiner Familie ein Rudel gefunden hat, streicheln und mit seiner entzückenden Tochter „Drei gewinnt“ spielen, verwöhnt uns seine Frau mit dem besten Frühstück Brasiliens, all das mit traumhaften Blick über Olinda und Recife.

Dermaßen gestärkt machen wir uns auf den Weg, die Schöne zu erkunden, erst mal hinauf zur Praca da Se und zur Kirche des Bischofssitzes. Auf dem Platz davor tummeln sich die Souvenierverkäufer und die Tapioca Bäckerinnen. Tapioca sind so etwas wie Palatschinken oder Crepes aus Maniokmehl, kann süß gefüllt mit Früchten oder salzig, gefüllt mit Gemüse oder Käse gegessen werden. Sie gelten als Spezialität Olindas und sind lecker.

Auf der Praca da Se, links davon und nicht mehr im Bild der Kasten

Auf der Praca da Se, links davon und nicht mehr im Bild der Kasten

Und darüber wacht der Wasserkasten.

Schon 1936 entstand dieses Monstrum, wobei sein Architekt in einem Atemzug mit Le Corbusier und Oskar Niemeyer genannt wird. Das macht ihn nicht schöner. Von außen ist er mit sogenannten Cobegos verziert. Das sind quadratische Elemente aus Keramik oder Beton zum Bau von Wänden, die Luft und Licht durchlassen. Sie kommen aus Pernambuco, dem Bundestaat in dem Olinda liegt, finden aber in ganz Brasilien Einsatz. Gekonnt eingesetzt, in einem Set von – sagen wir vier bis zehn Stück, oder sogar als Zaun oder Trennwand können sie durchaus den Eindruck von feiner Spitze erwecken – ja, so könnten sie sogar schön sein.

Dieses Bild kursiert im Internet, ich kann den Urheber nicht herausfinden

Nur werden sie meist dazu verwendet, Trennwände oder direkt Kuben oder Quader zu bauen.
Kästen eben, einer Caixa do Isopor, jenen Kisten aus Styropor, in denen hier oft Getränke gekühlt werden, nicht unähnlich.
Und jetzt seht selbst:

Olinda, Caixa d'Agua

Olinda, Caixa d’Agua – hässlicher geht es kaum

Der Rest des historischen Olindas, Weltkulturerbe, besteht aus unzähligen Gassen mit bunten Häuschen im Kolonialstil und einer Menge barocker Kirchen. Die meisten Häuser sind renoviert, viele auch mit tollen Grafitti oder Wandbildern geschmückt. Ich fotografiere jedes Einzelne, da Joanna von der Chulugi mich beauftragt hat, kunsthistorische Fotos zu machen: Nun, in meinen Augen sind diese Murals Kunst, und historisch sind sie, weil sie nicht lang halten ;-) . Außerdem ist in Olinda der Übergang zwischen Kunst und Vandalismus fließend.

Graffiti in Olinda

Kunst und Vandalismus nebeneinander

Mich stören die beschmierten Wände allerdings weniger als der Müll: Die Wände bleiben in der Stadt, der Abfall endet im Meer. Nicht nur dass der Park der Misericordia-Kirche eher einer Gstätten, einem vernachlässigten Stück Land, gleicht, nein der Abfall liegt dort überall verteilt, die Treppen hinauf, vor der Türschwelle der Kirche. Ja, der liegt auch in meinem geliebten Salvador – aber nicht vor Bonfim, nicht in den Parks, nicht in Barra oder Rio Vermelho. Nicht dort, wo sich die Stadt der Welt präsentiert. Ich begreife einfach nicht, wie Menschen ihre Stadt einerseits so schmücken und auf der anderen Seite die öffentlichen Flächen verdrecken und verkommen lassen! Kann mir das mal einer erklären?

(Siehst du Joanna, auch ich finde mal ein Haar in der Suppe!)

Viele der Häuser zieren die riesigen Puppen, die im berühmten Karneval von Olinda und Recife durch die Straßen getragen werden. Ja, richtig gelesen: Berühmt. Der Karneval von Recife wird in Brasilien gemeinsam mit dem in Rio oder Salvador genannt. Es gibt auch einen eigenen Tanz, den Frevo, ursprünglich auch ein Kampftanz mit Elementen des Capoeira. Früher wurde er mit großen, schwarzen Schirmen getanzt, die sich auch als Waffe verwenden ließen. Heute drehen und schwenken die Tänzer bunte Schirmchen. Sie dienen auch außerhalb der Karnevalszeit quasi als Logo von Olinda.

Wir schlendern durch die bunten Gassen, lassen uns von allerlei schmucken Häusern und bunten Gärten verzaubern. Das historische Zentrum Olindas lebt, anders als das Pelourinho in Salvador: Hier leben Menschen, hier wachsen Bäume, hier gehen Kinder in die Schule, studieren junge Leute und alte ziehen jeden Freitag ab zehn Uhr abends musizierend von einer Kirche zur anderen.
Sie sind irgendwie rührend.
Und jetzt verrate ich dir ein Geheimnis: Tomy übt Ukulele spielen. Ich habe ihm vorgeschlagen, er sollte die Gruppe fragen, ob er mitspielen darf: Happy Birthday kann er, wenn er das immer wieder wiederholt, so fiele sein Mitspielen gar nicht auf…

Den Sundowner am nächsten Abend verbringen wir in einer unspektakulären Bar etwas unterhalb des Bischofsitzes mit Blick auf Recife. Neben uns sitzen drei Musiker, die angenehm leise auf ihren Gitarren klimpern und dazu singen. Sie laden uns ein mitzusingen, doch wir kennen die Texte nicht. Außerdem spielt Tomy weitaus besser Ukulele, als er singt. Später erzählt uns Sebastian von der jeden zweiten Mittwoch stattfindenden Chora de Roda, einer Art Kreissingen: Jeder fällt mal ein, spielt ein Lied an, alle singen mit, denn die Lieder sind bekannt. Gemeinsam musizieren, in kleinem Kreis, nicht für die Touristen, sondern weil es Spaß macht – auch das ist Leben!Olinda-0776

Die Menschen sind von natürlicher Offenheit. Sie erkennen selbstverständlich sofort, dass wir Ausländer sind, fragen woher wir kommen, rufen zur Antwort „Alles klar“, weisen uns ungefragt den Weg, vertreiben Bettler, setzen uns in den richtigen Bus und zeigen uns, wo wir austeigen müssen.

Ich mag auch die Schwingung des Ortes: Wir können abends flanieren, es gibt ruhige Gassen und solche mit Bars und Musik, wir fühlen uns sicher. Apropos Musik: Am Samstag werden wir mit Trommeln beschallt: Von unten und von oben, die ganze Nacht bis vier Uhr früh. Am Sonntag verstummen sie um zehn Uhr abends, es folgt Totenstille bis der Bem-te-vi und andere gefiederte Sänger uns sanft aufwecken.

Okay, der Hahn nebenan war noch etwas früher.

Dann folgen die Kirchenglocken und die klingen… Wie daheim in den Alpen!

Sao Bento, Olinda

Sao Bento

Kühe gibt es keine, aber Pferde.Olinda-0920

Ja, Olinda, zwischen Pferdekarren und Luxuskarossen, zwischen bunten Häuschen und modernen Hochhäusern lohnt den Besuch, durchaus auf für ein paar Tage.

INFO Olinda

Anreise von Jacare/Joao Pessoa
Öffentlich
Mit dem Zug nach Joao Pessoa, zu Fuß zum gegenüberliegenden Rodoviaria, Busbahnhof, Busse nach Recife gehen halbstündlich von verschiedenen Busgesellschaften. In Abreu e Lima austeigen (sollte der erste Stop nach etwa eineinhalb Stunden Fahrzeit sein). Dort ein Taxi nach Olinda nehmen. Es gibt auch einen Bus.
Kosten: Bus nach Recife zwischen rund 28 und 32 Reals, zurück ist etwa 5 Reals preiswerter, weil die Busteiggebühr entfällt. Taxi von Abreu e Lima nach Olinda 50 bis 70 Reals. Fahrzeit insgesamt etwa drei Stunden.

Mietauto
Localiza ist ein guter Mietwagen-Anbieter in Brasilien, die Autos können online reserviert werden, nur portugisisich. Es gibt eine Niederlassung in Intermares, dort sind die Autos aber teils signifikant teurer als in Joao Pessoa.

Anreise von Recife
Mit dem Bus Richtung Rio Doce. Dem Schaffner bitten, vor der Haltestelle Bescheid zu sagen. Aber eigentlich ist die Haltstelle zu erkennen. Mietauto macht von Recife aus keinen Sinn, weil in Olinda ist es sinnlos bis hinderlich, wegen enger Gassen und fehlenden Parkplätzen.

Unterkunft:
Cama e Cafe Olinda

Ich erhalte von keiner der verlinkten Firmen irgendwlche Vergütung, sondern empfehle sie, weil ich sie aus persönlicher Erfahrung für gut halte.

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