Piraten – gefürchtet oder geliebt, bewundert und herbeigeträumt?

| Keine Kommentare

Ist es nicht seltsam, wie wir zu Piraten stehen? Nicht nur wir Segler, auch „normale“ Menschen fühlen sich in ihrer Phantasie zu ihnen hingezogen, fürchten sie aber in der Realität – durchaus zu Recht!

„Der vermeintlich heldenhafte und ruhmreiche Charakter der Piraterie im herrschaftsfreien Raum der hohen See und die Vorstellung von zusammengetragenen Reichtümern haben wesentlich zur bleibenden Faszination der literarisch-medialen Figur des Piraten beigetragen. Die Darstellung der Piraten schwankt hierbei zwischen Dämonisierung und romantisch verklärter Überhöhung.“  Quelle: Wikipedia

Im Karneval verkleiden wir uns als Pirat oder wenigstens als seine Braut, wir hissen fröhlich den Jolly Roger, drucken ihn auf unsere T-shirts, wir nennen uns Pirat bei Facebook und spielen entsprechende Spiele. Es gibt sogar eine Piratenpartei in Deutschland! Die Damen (und bestimmt auch mancher Herr) träumen von einer Nacht in Captain Jack Sparrows Armen, wir strömen wie die Lemminge ins Kino, wenn Johnny Depp mal wieder in seine Rolle schlüpft. Kaum ein Segler in St. Vincent wird die Bucht mit den Filmkulissen auslassen…

Jolly Roger auf Yemanja

Jolly Roger auf Yemanja

Und da genau da treffen wir auf die harte Realität: Vor kurzem wurde dort ein deutscher Segler bei einem Überfall erschossen. Piraten sind für Segler vor allem in der Nähe Venezuelas eine ganz reale Gefahr. Und nicht nur dort, Noonsite ist voll mit Vorfällen und Warnungen. Viele Weltumsegler nehmen den vom seglerischen her gefährlicheren Seeweg ums Kap der Guten Hoffnung in Kauf, um ja nicht in die Hände von den Piraten vor dem Horn von Afrika oder im Golf von Aden zu gelangen.

Das ist Rollo Gebhard bei seiner ersten Reise passiert: Unerfahrenheit und falsches Material führte zu Übermüdung, die dazu, dass er an einer gefährlichen Küste ankerte. Es war schieres Glück, dass er mit dem Leben davon kam. Auch wurde er einmal von der albanischen Küstenwache gekapert, wieder entkam er nur durch Glück einem ungewissen Schicksal.

Und doch vereint Rollo Gebhard für mich den Segler und den romantisch verklärten Piraten zu der Person, die wir – oder zumindest die Herren unter den Lesern – vielleicht sein möchten: unerschrocken, verwegen, frei und ungebunden, den Elementen trotzend, ein Ziel fest vor Augen, Strapazen aushaltend, Wind und Wetter trotzend, wilde Küsten erkundend, Eingeborene und interessante Menschen treffend, der Damenwelt nicht abgeneigt – dabei natürlich grundehrlich und wie Fitzcarraldo Opern liebend…

All das mit einfachsten Mitteln!

Ist Rollo Gebhard ein Held, ein Vorbild für all jene, die heute mit der ARC in Booten, vier bis fünfmal so groß als seines, bis unter die Zähne mit modernster Technik, Waschmaschinen und Watermaker bewaffnet den Atlantik queren? Für diejenigen, die den stürmischen Weg um Kap Hoorn wagen? Oder gar im Norden durch die Bering-See? Was ist übrig geblieben von den verwegenen Unternehmungen vergangener Tage? Was hinterlassen wir unseren Nachkommen?

Die Botschaft, dass jeder seinen Träumen folgen sollte? Dass viel mehr möglich ist, als sich Max Mustermann vorstellen kann? Ohne Rentenversicherung und Zukunftsangst? Etwas anderes als mein Haus, mein Auto, mein Boot? Okay, letzteres brauchen wir Segler!

Hinterlassen wir Kinoträume? EBooks? Sind wir Segler ansteckend mit – Seefieber? Trotz Piraten?

Wir wollen doch alle unbeschadet durchs Leben gehen – warum verklären wir dann die Piraten vergangener Zeiten so? Es waren Mörder, Kidnapper, Erpresser und Diebe, genauso wie diejenigen, die heute ihr Unwesen treiben!

„Die altrömischen Staatsmänner nannten den Piraten den “Feind aller”. Für viele Somalier aber sind nicht die Piraten der Feind, sondern die ausländischen Fischer, die der somalischen Küste mit ihren Booten immer näher kommen. Die Ausländer bedienen sich in den Gewässern. Keine Ordnungsmacht schützt die Küste, und so begannen die Somalier vor etwa zehn Jahren, die fremden Schiffe anzugreifen. Sie merkten schnell, dass es ein gutes Geschäft war, die Besatzung als Geiseln zu nehmen und Lösegeld zu verlangen – einträglicher, als weiter fischen zu gehen.“ Quelle: Die Zeit

Sicher, irgendwie haftet ihnen etwas Robin-Hood-haftes an, auch heute noch: Die Armen holen sich, was die Reichen ihnen vorenthalten…

„An Bord, sagt Salaax, hätten sie viel über Frauen gesprochen. Bei denen kämen Piraten gut an. Piraten würden in Somalia janale genannt, wie früher die Arbeiter, die aus Saudi-Arabien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten zurückkamen, gut gekleidet, mit dicken Bäuchen. Jeder Vater wolle seine Tochter einem janale zur Frau geben. In Somalia ist ein Pirat einer, der es geschafft hat.“ Quelle: Die Zeit

Rollo Gebhard fuhr unbekümmert los, er überlebte Kaperung und Piraterie mit viel Glück – ich möchte niemals in seine Lage kommen!

Deshalb beschäftigt mich noch etwas anderes: Wenn all das wächst, dem wir Aufmerksamkeit und damit Energie schenken, inwieweit nehmen dann Überfälle durch moderne Piraten zu, indem wir ihre Vorfahren und ihren Status verklären? Was genau „träumen“ wir da ins Leben?

Was genau ziehen wir in unser Leben mit unserer Angst? Oder sorgt die spielerische Auseinandersetzung für Sicherheit? Immerhin gab es 2015 vor Somalia keinen Piratenangriff mehr. (Der Spiegel)

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass meine Angst sich ausdrücken muss: Wovor auch immer ich große Angst habe, es tritt etwas Beängstigendes eint. Da ich gleichzeitig vollkommen von meiner Sicherheit überzeugt bin, verläuft das immer gimpflich. Trotzdem achte ich darauf, meinen Angst- oder Schmerzkörper nicht zu nähren. Das heißt, mir meiner Gefühle und Gedanken bewusst zu sein ohne mich von ihnen überwältigen zu lassen: Hier und jetzt bin ich immer sicher.

Damit höre ich jetzt auf und beschäftige mich wieder mit unserer Sicherheit und den angenehmen Dingen des Lebens. Mit meinem festen Glauben an das Gute im Menschen. Mit Vertrauen. Vertrauen in meine Sicherheit, ins Leben, ins Universum, darin, dass das Beste für alle geschieht. Schließlich fahren tausende Segler sicher über die Meere, wunderbare Menschen und Gemeinschaften treffend!

Und zu den angenehmen Dingen des Lebens gehören Rollo Gebhard und Captain Jack Sparrow. Und mein Pirat. Vielleicht ein Tänzchen?

Wie stehst du zu modernen, historischen und fiktiven Piraten? Und was hälst du von dem manchmal naiven und doch so verwegenen Segler Rollo Gebhard?

INFO

Buch Rollo Gebhard: Seefieber, Verlag Millemari

Hier geht es zu weiteren  Teilnehmern der Blogroll

Weitere Bücher von Millemari

Für diese Rezension/Blogroll wurde mir ein Exemplar des Buches von Millemari zur Verfügung gestellt.

Quellen:

Wikipedia

http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/keine-piraten-uebergriffe-vor-somalia-im-jahr-2015-14047726.html

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/horn-von-afrika-was-wurde-aus-den-piraten-von-somalia-a-985982.html

http://www.zeit.de/2016/04/piraterie-asylbewerber-somalia-verdacht

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.