Irgendwie dachte ich immer, der Kondor lebt hoch oben in den Anden, also mindestens auf 4000m Höhe. Aber nein, er fliegt hier in der Nähe von Samaipata herum auf läppischen 2000m. Eines ist trotzdem richtig: Wer ihn sehen will, muss Mühen und Strapazen auf sich nehmen.
Um 6:30 holt uns Michael, unser Guide, vorm Hotel ab. Zwei Stunden fahren wir durch wunderschöne Täler, vorbei an Geisterdörfern, deren Bewohner längst in der Stadt ihr Glück suchten; wir überqueren Fuhrten und überholen Rinder. Eine Sau liegt mitten auf der Piste und säugt ihre Ferkel. Ich will sie fotografieren, doch sie verschwindet mit ihrem Nachwuchs im Dickicht. Tja, hier gibt es noch glückliche Kühe und Schweine, zumindest oberflächlich betrachtet. Sie sind frei, sich ihr Futter auf den Weiden zu suchen, gemeinsam mit ihren Jungtieren. Andrerseits ist das Gras in den Tropen von minderer Qualität, es fehlt ihm an Nährstoffen und Vitaminen, Parasiten machen ihnen zu schaffen. In den Tierarzt wird nur investiert, wenn das Tier sehr starke Schmerzen hat. Dann bekommt es Diclofenac.
Und das ist eine der größten Gefahren für Aas fressende Vögel wie den Kondor. Es reichert sich in den Geiervögeln an und führt zu Nierenversagen. Fast die gesamte Geierpopulation Indiens und Pakistans ist dem erlegen. Noch geht es den Tieren hier gut, auch den anderen Aasfressern, aber sie stehen unter Beobachtung. Wobei – viel weiß man nicht über sie, nicht mal in Wikipedia.
Aber noch fahren wir zum Ausgangspunkt der Beobachtungstour. Michael hat zwar auch einen deutschen Nachnahmen, aber eigentlich kommt er aus Argentinien. Dorthin wanderten seine Großeltern im ersten Weltkrieg aus. Grundkenntnisse in Deutsch lernte er von seiner österreichischen Mutter aus Völkamarkt, die sein Vater, ein Koch, bei einem Aufenthalt in Deutschland kennen lernte. Mit neun Monaten überquerte er den Atlantik auf einem Schiff, von Lissabon, nach Afrika, Salvador nach Buenos Aires. Auf einer Reise kam Michael nach Bolivien, hier konnte er tun, was er wollte: Guides ausbilden, Nationalparks erkunden und selber Touren führen. Seine Kunden brachten ihm dann an Deutsch bei, was ihm noch fehlte.
Nach ein paar kritischen Stellen wie unterspülter Piste, gelangen wir an eine einsame Hütte im Wald, wo ein alter Mann und seine Tochter leben. Der älteste Sohn darf studieren, oder muss, ob er will oder nicht, ein Kind muss daheim bei den alten Eltern bleiben. Die dazwischen liegenden Kinder haben wohl die Chance ihre Vorstellung vom Leben zu verwirklichen…
Es – in unserem Falle, er – könnte zum Beispiel über die Berge wandern, ins nächste Tal und dort eine Braut finden. Die besucht er öfter und dabei beobachtet er die Kondore. Das erzählt er den Guides in Samaipata – und die machen daraus eine neue Tour!
So geschehen.
Das heißt allerdings auch, dass sie die Wege mit der Machete freischlagen und anlegen und die wenigen Bewohner dafür bezahlen, damit sie die Piste reparieren.
Wir parken das Auto und machen uns auf den beschwerlichen Aufstieg: Vor allem der Anfang ist steil und geht außerdem noch über rutschigen Schotter. Doch auch in weiterer Folge wird der Weg nur abschnittsweise besser. Es ist heiß, die Sonne brennt, ich bin froh um meinen neuen Strohhut…
Ich hab mir ja bei Copacabana schon einmal saftigen Sonnenbrand geholt, jetzt ziehe ich Verschleierung a la Tania Blixen vor.
Michael und Tomy gehen vor. Michael, eigentlich Biologe, zeigt uns Tarantel-tötende Wespen, die die Tarantel erst mal nur einschläfern, ihre Larven fressen diese dann bei lebendigen Leib auf; giftige Pflanzen, von denen sich die schönen Monarch-Falter ernähren, beide Männer vertreiben eine giftige Korallenschlange, die sich am Weg sonnt. Die Orchidee am Wegesrand entdecke ich, ebenso Verbenen, Kakteen und andere „Topfpflanzen“, aber davon ein anderes Mal.
Irgendwann sind wir oben. Die Kondore brüten weit entfernt gegenüber in einer schroffen Felswand. Ein Kondor legt ein Ei vorsichtig an einem Felsvorsprung ab. Ist die Schale zu weich bricht es, und genau das bewirkt Blei aus Schrotkugeln. Das gefährdet wiederum die Wieder-Auswilderung des kalifornischen Kondors.
Ist alles gut gegangen, liegt das Ei schutzlos an der kahlen Wand, auch das Jungtier verbringt dort ein ganzes Jahr bevor es richtig flügge ist und selbst nach Aas suchen kann. Jungtiere sind braun, erst ab dem fünften Jahr werden sie schwarz mit den charakteristischen weißen Flügelspitzen. Drei Meter beträgt ihre Flügelspannweite, bis über 12 Kilo werden sie schwer. Sie fliegen übrigens nicht wirklich, sie gleiten mit dem Wind.
Wir sitzen und warten. Millionen von blassblauen Schmetterlingen flattern und schweben über uns hinweg. Wie kleine Taschentücher tanzen sie im Wind. Sie begleiteten schon unseren Aufstieg. Jetzt fliegen sie weiter nach Süden, wer weiß wohin. Seltsam, dass selbst diese zarten kleinen Flatterwesen hunderte Kilometer weit ziehen!
Ein Schwarm grüner Papageien fliegt vorbei, zu schnell, um die Kamera hochzureißen, ebenso ein oder zwei Hühnergeier, nur der Kondor lasst auf sich warten.
Da – endlich ein Jungtier!
Wir gehen weiter zur Trinkstelle der Kondore, dort wollen wir unser Picknick halten. Michael packt sein Riesenobjektiv aus, denn dort sollen die Tiere manchmal so nahe kommen, dass man die Luft zwischen ihren Flügelfedern rauschen hört.
Aber nicht heute. Der eine oder andere Kondor lässt sich zwar blicken, doch schweben sie alle viel zu hoch über uns!
Schad, aber es war trotzdem sehr schön! Die Tour lohnt sich auf jeden Fall, mit und ohne Kondor!
Hast du schon mal einen Kondor gesehen? Oder ein anderes seltenes Tier? Erzähle mir davon!
INFO
Touranbieter:
Michael Blendinger, Calle Bolivar, Biologe, weiß viel über Vögel und manches über Pflanzen; deutsch, englisch, spanisch
Kaleidoscope Travel, Calle Campero 217; deutsch, englisch, spanisch, niederländisch
TIPP: Die Wege sind anspruchsvoll! Es geht steil hinauf und hinunter, über Geröll, druch die Sonne und durch Matsch. Sonnenhut, alte Schuhe und Kleidung anziehen, am besten lange Hosen und Ärmel, wegen dem Gestrüpp und Matsch.
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