Segeln mit Yemanja

Isla del Sol oder wie weit man mit drei Eiern, zwei Bananen und einer Handvoll Kokablättern kommt

Cha'llapampa, Isla del Sol, Titicaca See, Bolivien

Blick auf Cha'llapampa,

Liebe Mutti, liebe österreichische Freunde, liebe Segler (ihr kommt später dran),

ich weiß, irgendwie seid ihr davon überzeugt, dass wir in Bolivien wandern. Das ist eure Vorstellung von einer Rucksackreise in einem bergigen Land.

Es bedeutet allerdings nur, dass wir keinen Rollkoffer hinter uns herziehen, sondern unser Zeug in einem Rucksack transportieren. Und uns erst vor Ort eine Unterkunft suchen oder sie ein paar Tage vorher reservieren. Wir fahren mit dem Bus, mit der Bahn, dem Taxi und organisieren unsere Reise so wie es kommt. Oder wie uns andere Reisende raten.

Wanderschuhe haben wir dabei auch keine an.

Aber halt – so ganz stimmt das ja nicht. Erstens weil Tomy seine Laufschuhe wegwerfen musste und stattdessen Wanderschuhe kaufte und zweitens weil wir ja doch wandern: Gestern über die Halbinsel Copacabana und heute über die Isla del Sol.

Dorthin fahren wir, wie könnte es anders sein, mit einem Schiff.

Auf der Fahrt zur Isla del Sol

Und jetzt, liebe Segler, seid ihr dran:

Nein, ich kenne die Liegeplatzgebühren am Titicacasee nicht. Bolivien ist nämlich das einzige Land Südamerikas, das keinen Meerzugang hat und für uns per Schiff somit nicht erreichbar ist. Und das ist ein nationales Trauma, also der Meerzugang, nicht wir: Bolivien verlor seine Pazifikküste im Salpeterkrieg mit Chile im Jahre 1879, übrigens eine ziemlich komplizierte Sache, in die hauptsächlich Peru und Chile verwickelt waren. Jedenfalls liegt seitdem Boliviens Armada, immerhin die größte Seestreitmacht der Welt in einem Binnensee, im Titicacasee und wartet auf ein Wunder. Dabei hat Bolivien Freihandelsrechte über einen chilenischen Hafen. Auch hat der internationale Gerichtshof in Den Haag entschieden, das Chile mit Bolivien über einen Korridor zum Pazifik verhandeln muss. Was aber wieder Peru nicht passt…

Mar para Boliva

ist jedenfalls der Slogan schlechthin zurzeit.

Armada – Mar para Bolivia, Titicacasee

Nichtsdestotrotz kann man am Titicacasee, dem höchsten kommerziell schiffbaren See der Welt, segeln. Der erste, der mit einem See-gängigen Segelboot auf dem See segelte, war Tristan Jones auf der Sea Dart. Das muss ein ziemlich verwegener Hund gewesen sein, von dem ich euch vielleicht in einer Segelpause erzähle. Auch der bolivianische Yachtclub hat ein paar Segelschiffe, die in Huatajata liegen. Und zu guter Letzt könnte man von Puno, Peru, aus eine Hunter 31 chartern, mit Skipper.

Nachbau eines Inka-Bootes. Vielleicht kann man demnächst auch damit segeln.

Und jetzt kommen wir zu unserem heutigen Frühstück: Drei Spiegeleier und zwei Bananen, pro Person. Damit im Magen machten wir uns auf, die Wiege des Inkareiches zu erkunden.

Die liegt auf der Isla del Sol. Dort, am Pumafelsen, der in einer Version dem See seinen Namen gab, soll der Sonnengott den ersten Inka und seine Schwester, die dann praktischerweise seine Frau wurde, zur Erde gelassen haben. Von hier machten sie sich auf, gründeten Cusco und Machu Picchu, unterwarfen etliche andere Indianerstämme und organisierten ihr Reich nach dem Vorbild des älteren Reiches der Huari. Das ist wichtig, weil Huari heute das beste Bier Boliviens ist.

Der erste Inka und seine Schwesterfrau, Yumani

Wissenschaftler sind übrigens der Meinung, dass die Inka aus dem Amazonasgebiet kamen, denn nur dort soll es Pumas geben, die in der Mythologie der Inkas wichtig waren. Von dort sollen auch die Kartoffeln kommen, wobei andere wieder sagen, nee die kommen aus dem Altiplano rund um den Titicacasee, oder auch aus Chile – in jedem Wikipedia Artikel steht etwas anderes ;-), je nach Stichwort.

Ein Ausflugschiff bringt uns also nach Cha’llapampa, wo uns ein Guide direkt abfängt und mit uns ins Museum und zum berühmten Pumafelsen gehen will, den sowieso kein Mensch als Katze erkennt. Dann will er uns den Weg nach Süden zeigen. Wir sind misstrauisch: All das soll sich in den 4 1/2 Stunden, die wir bis zum Ablegen des Bootes Zeit haben ausgehen?

Wir machen uns selbst auf den Weg.

Und das ist gut so: Ersten können wir so von der Gruppe unbehelligt viel bessere Fotos machen, und zweitens brauchen wir schon bis zum Opferstein – eine steinerne Tischplatte – eine Stunde statt die vom Guide angekündige dreiviertel. Von dort startet der Höhenweg Richtung Süden.

Waschtag mit Eseln

Jede der drei Gemeinden auf der Insel verlangt übrigens Eintritt: Mit dem Geld werden der Weg erhalten und Schulen gebaut. Die Schule in Cha’llapampa ist wirklich ein eindrucksvolles neues Gebäude. Auch dieser Ort beherbergt viele Backpacker und Aussteiger, die am Strand ihr Zelt aufschlagen. Im Schiff hätten übrigens 90% der Passagiere unsere Kinder sein können…

Tomy zahlt Wegzoll

Schule in Cha’llapampa

Wir also auf dem Höhenweg nach Yumani, wo es von 3812 m Seespiegel auf rund 4000 m hinauf und hinunter geht. Meine Beine schmerzen vom Tag davor, die Luft ist dünn. Jetzt kommen die Kokablätter ins Spiel, von denen wir immer wieder vier, fünf Stück kauen. Sie schmecken wie – bröseliges Heu, nehme ich an (Ich habe Heu noch nie gekostet). Aber sie geben Energie, erleichtern das Atmen und vertreiben etwaiges Hungergefühl. Das Zeug wäre ideal für Nachtwachen auf der Überfahrt oder wenn die Wetterverhältnisse keinen Schlaf der Crew zulassen. Es ist in keinster Weise berauschend. Ich verstehe wirklich nicht, wieso Alkohol in Deutschland zugelassen ist, aber Kokablätter oder Kokatee für den persönlichen Gebrauch nicht. Das kann nur an den Steuern und der Wirtschaft liegen…

Gut, wir wandern nach Süden, genießen wunderschöne Ausblicke auf die Kornaten Boliviens, auf zottige Esel und Indio-Frauen in bunten Röcken.

Die Kornaten Boliviens

Die Menschen sind zurückhaltend, aber auch sehr freundlich. In Yumani angekommen staunen wir über die vielen neuen Häuser. Großen Hostals und schönen Restaurants. Leider bleibt uns dafür keine Zeit, denn unser Schiff wartet nicht. Und wir wissen nicht, wie weit es noch ist. Tatsächlich geht es vom Ortseingang noch gut 30 Minuten bergab – und das bin ich alles rauf gegangen???

Bei Yumani, Isla del Sol

Wir wollen die Treppe des Inkas runtergehen, finden oben den Eingang nicht. Unten grüßen uns nochmal der erste Inka und seine Schwester-Frau und dann geht es wieder heim – am nächsten Tag zurück nach La Paz.

Die Treppe des Inka in Yumani

Und tschüß!

INFO

Die Ausflugschiffe fahren alle um 8:30 in Copacabana los, Tickets gibt es in den Buden am Strand oder bei Andes Amazonia auf dem Weg dorthin. Sie sind um 11 Uhr in Cha’llapampa, fahren dort um ein Uhr los und um 15:30 von Yumani. Das Museum besteht aus einem Raum, ist also überschaubar. Allerdings bleibt der Guide vor jeder Vitrine stehen…

TIPP

Wer Zeit hat sollte ein oder zwei Tage auf der Isal del Sol verbringen, entweder im eigenen Zelt am Strand von Cha’llapampa oder in einem der schönen Hostals in Yumani. Die Restaurants oben am Berg wären schon wegen des Blickes einen Besuch wert.

Man kann natürlich nur nach Yumani hin- und retour fahren, dann hätte man genug Zeit für eine Mahlzeit dort – nur geht es seeeeeeeeeeehr lange und noch steiler bergauf!

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