Segeln mit Yemanja

Santa Cruz de la Sierra – Erster Eindruck

„Smile!“

Der Grenzpolizist lächelt ebenfalls, als er mich auffordert lächelnd in die Kamera zu schauen.

Bolivien ist schon dabei, mein Herz zu erobern.

Die Einreise ist recht gut organisiert und auf dem neuesten Stand der Technik. Die Zollkontrolle ist strikt, jede Familie muss eine Zollerklärung abgeben und dann auf ein Knöpfchen drücken: Leuchtet es grün, darf man durch, leuchtet es rot, wird der Koffer durchsucht. Gesucht werden landwirtschaftliche Produkte wie Milchprodukte, Fleisch, Samen und Früchte. Ich meine, Drogen nach Bolivien zu schmuggeln wäre ja auch irgendwie blöd.

Der Flughafen von Santa Cruz de La Sierra ist klein, aber anständig, die Taxifahrt in die Stadt entlang der üblichen Einfallsstraßen sieht aus, wie es diese Straßen eben tun. Wirklich einladend sind sie selten, doch sie wirkt aufgeräumt und sauber.

Schnell sind wir in der Calle Bolivar, wo ich über Airbnb ein Zimmer gemietet habe. Sagen wir, es erfüllt seinen Zweck. Das Kiwi Cafe-Restaurant zu dem es gehört und seine Besitzerin sind allerdings bezaubernd:

Lucia war mit einem Diplomaten verheiratet, spricht fließend Englisch und kennt die Welt. Vor einigen Jahren entschied sie sich, nach Bolivien zurückzukehren und gemeinsam mit ihrer Schwester ein Restaurant zu eröffnen, um damit ihre Leidenschaft leben zu können: Kochen und Tanzen.

Die mexikanisch angehauchten Gerichte hier sind eine Offenbarung: Viel frisches, kurzgebratenes Gemüse, Salat und gut gewürzt! So sehr ich Brasilien liebe, auch die Küche mag – nach so langer Zeit kann ich die ewig gleichen Speisekarten in Bahia voller Frittiertem, Fleisch und Dende-öl nicht mehr sehen!

Lucia erzählt von ihrem Enkel in Paris, den sie Weihnachten besuchte. Sie brachte ihm einen großen Tukan aus Stoff mit, dessen erstes Reiseabenteuer sie fotografierte und in einem liebevoll gestalteten Fotobuch für den kleinen Max festhielt. Ihre Kinder leben alle in Paris, ein überlebensgroßes Foto von ihrer Tango tanzenden Tochter ziert die Wand hinter der Tanzfläche: Lucia lehrt den Tango.

Auch ihren Angestellten.

Es dauert nicht lange, da hat sie ihre goldenen Schuhe an, mit Absätzen, auf denen ich nicht mal stehen, geschweige denn tanzen könnte. Da gewöhnt man sich dran, sagt sie, steht auf und tanzt mit sich selbst. Später am Abend kommt ihre Freundin und gemeinsam legen sie mit den Kellnern ein paar Tänzchen auf die roten Fliesen.

Ich mag diese südamerikanische Atmosphäre, die Musik, sie berührt etwas tief in mir, eine Seite meiner Lebenslust, die ich so noch nicht kenne.

Und ich mag die familiäre Stimmung hier!

Den Nachmittag an unserem Ankunftstag verbrachten wir mit der Besichtigung der wichtigsten Sehenswürdigkeiten: Santa Cruz ist überschaubar. Sehr überschaubar. Sie stehen alle um den Platz des 24. Septembers und passen samt Platz locker viermal auf den Schlossplatz vor der Hermitage in St. Petersburg. Also für die, sie schon mal dort waren.

Der Park auf dem Platz ist einladend: Unter Palmen, blühenden Frangipanis und großen tropischen Bäumen verweilen junge und alte Menschen auf den schattigen Bänken. Tische mit Schachbrettern stehen in buschigen Nischen. Rundherum haben Schuhputzer ihre Stände. Weiß livrierte Männer verkaufen Kaffee aus Thermoskannen, die sie auf kleinen Wägelchen mitführen.

Die haben Stil, die Bolivianer!

Und ein österreichisches Kaffeehaus mit einer ansehnlichen Tortenauswahl, Wiener Kaffee, geschmolzener Schokolade, die in heiße Milch gegossen wird. Dort gibt es auch einen Liter Limonensaft für 4 Euro.

Mehr ist am Samstag nicht los. Am Sonntag schon gar nicht, denn da wird gewählt. Ja oder nein?

Hat nicht geholfen: Ging ganz knapp No aus

Evo Morales, der erste indigene Präsident des Landes möchte eine dritte Amtszeit dranhängen, dafür müsste die Verfassung geändert werden. Er hat viel für sein Land getan: Das durchschnittliche Jahreseinkommen stieg von rund 800 auf über 3000 Dollar, der Anteil der Armen ging von über 50% auf unter 30% zurück. Vor allem die Indios lieben ihn. Wie viele dieser charismatischen Führungspersönlichkeiten scheint er sich allerdings in letzter Zeit von seinen eigenen Idealen zu entfernen – Das Land ist gespalten, die eine Hälfte sagt Si, die andere No! Vor ein paar Tagen gab es sogar Tote in La Paz, also dürfen am Sonntag keine Autos fahren und kein Alkohol ausgeschenkt werden.

Die Stadt ist so tot, da kannste gleich auf den Friedhof gehen!

Das tun wir auch. Er ist überraschend hübsch, die Gräber sind liebevoll gepflegt und manch eines ist luxuriöser als die Hütten der Armen…

Wir treffen dann doch noch Menschen: Radfahrer, und zwar top-ausgerüstete, mit modernsten Rädern, Helmen und Kleidung sowie Rollerbladefahrer haben die Stadt leise übernommen.

Am Abend wacht die Stadt auf: Autos fahren hupend durch die Straßen, Menschen singen, Böller werden abgefeuert. Da hat jemand gewonnen. Nur wer? Das wird erst in ein paar Tagen sicher feststehen. Es bleibt spannend.

Am Montag gehen wir auf den Markt.

Auf dem gibt es alles. ALLES! Teils fein säuberlich in Abteilungen oder Straßen geordnet, teils komplett durcheinander: Es gibt eine Zeile der Garküchen, eine mit Gemüse, Nudeln, Käse und Fleisch, eine für Haushaltswaren. Und dahinter eine Gasse, in der Nähmaschinen repariert werden.

Fußgetriebene.

Strom gibt es offensichtlich nicht überall in diesem Land!

Die Sehenswürdigkeiten von Santa Cruz haben wir also hinter uns. Morgen geht es weiter nach La Paz.

INFO

Es gibt nur zwei Gründe, um nach Santa Cruz zu fahren: Hin-und Rückflug.

Geldautomat: Am Flughafen Viru Viru im ersten Stock vor den Gates, gibt auch Dollar, und an der Plaza 24 de Sept/Calle 24 de Sept.

Die Stadt ist heiß und schwül, die Sehenswürdigkeiten beschränken sich auf einen kleinen Platz.

Essen: Kiwi-Cafe, Calle Bolivar 208, mexikanisch angehaucht, hübsch. Samstagsabend wird Tango getanzt.

Kaffeehaus Picolo, Calle 21 de Mayo, Ecke Junin; mit guten Kuchen, auch Frühstück, Mittag- und Abendessen

Alle Bolivien Info unter Downloads & Links

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