Als wir den Segelverstand an Land ließen

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Ihr kennt doch sicher den wichtigsten Ausrüstungsgegenstand an Bord?

Genau: Der Verstand, in seglerischen Kreisen auch gerne Seemannschaft genannt.

Ich weiß nicht genau wie es passiert ist, vielleicht einfach durch Ungeduld, jedenfalls haben wir ihn oder sie vor dem letzten Segeltörn nach Camamu irgendwo an Land vergessen. Also liebe Hafenkinokommentierer: Hiermit werfe ich uns euch zum Fraß vor!

Erster Bissen: Am Achterliek unseres Vorsegels war bei unserer Abfahrt die Naht an einer kleinen Stelle aufgegangen. Wir hätten sie ja wenigstens kleben können.

Zweiter Bissen: Die Tankstelle im Centro Nautico hatte keinen Diesel, also fuhren wir mit etwas mehr als halbem Tank los.

Dritter Bissen: Natürlich auch ohne gefüllte Reservekanister.

Vierter Bissen: Wir hätten auch in Camamu unsere Kanister auffüllen können. Hätten!

Fünter Bissen: In Unwissenheit hatten wir normales Gasolina Commun für unseren Außenbordmotor verwendet, damit läuft er aber nicht lange. Er braucht Gasolina Aditativa.

Sechster Bissen: Tomy dachte, nein rechnete, Ostwind aus 100°passt, um nach Nordosten zu kommen. Nur, so hoch am Wind läuft YEMANJA nicht.

Siebenter Bissen: Ich hätte beinahe einen Wal überfahren…

Es sprach allerdings auch einiges für uns: Wir hatten noch Bargeld, was nicht selbstverständlich ist, da die Banken streiken und die Bankomaten nicht regelmäßig nachgefüllt werden. Wir hatten Nahrung und Wasser und die alte Genua. Außerdem schnurrt der Motor wieder gut. Auch die Wellen waren meist moderat. Wir hatten einen Track zum Ankerplatz in Morro de São Paulo. Und letztendlich hätten wir immer noch umdrehen und alle Probleme in der Bucht von Camamau lösen können.

Und wie meine mittlere Tochter so schön sagt: „Mama, wenn du in Schwierigkeiten kommst, dann findest du sicher etwas, wozu es gut ist, du findest eine Perle!

Wir verließen den Ankerplatz vor Saphinho um 5:30, da dachten wir noch, wir könnten Salvador spät abends erreichen. Nun ja. Der Wind blies uns auf die Nase, wir kreuzten ein wenig, dann riss die Naht endgültig auf und der Streifen der Einfassung verhedderte sich am Radarreflektor. Gut, wir bekamen ihn leicht lose, doch damit war es aus mit Kreuzen. Mit Motor und leichter Unterstützung durch das Großsegel konnten wir so hoch an den Wind, dass wir nach Morro de São Paulo abdrehen konnten. Denn an einen Segelwechsel auf See war nicht zu denken – da wären Stagreiter besser! Hamm ma aber nicht. Und genug Diesel um nach Salvador zu kommen, auch nicht.

Irgendwann auf halben Weg blieb mir das Herz kurz stehen: Eine Bootslänge vor mir tauchte ein Wal auf! Der hat sich wohl so erschrocken wie ich, denn weg war er. Etwas später kam uns nochmal einer entgegen, schraubte sich 50 m seitlich von uns aus dem Wasser und platsch weg war er! Dass sich diese Schiffsbeobachter auch nicht an die Empfehlung halten und sich Booten auf weniger als 150 m nähern!

Um neun Uhr abends waren wir dann in Morro, an dem rolligen Ankerplatz. Doch Wind und Welle beruhigten sich, so konnten wir am nächsten Morgen um halb sieben die Genua wechseln. Danach versuchten wir ein Taxiboot anzuhalten, das war aber sinnlos. Also ruderte Tomy mich und die Reservekanister gegen Wind und Welle an den Pier. Ich nahm das Lancha Rapida, das schnelle Taxiboot, nach Atacadouro auf dem Festland. Dort sollte es eine Tankstelle geben…

Atacadouro war dann wirklich eine harte Attacke auf mein Weltbild – und gleichzeitig meine Perle, mein Abenteuer: Diese Tankstelle muss frau erlebt haben!

Über diesen hohlen Steg muss sie gehen...

Über diesen hohlen Steg muss sie gehen…

Tankstelle in Atacadoura

Tankstelle am Ende des Holzpiers unterm Sonnenschirm in Atacadoura mit Lancha traditional

Nichts als ein wackeliger, hölzerner Pier auf dem vorne eine Tanksäule hoch über dem Wasser thront.

In der kompletten Pampa. Na gut, da war noch eine Anlegestelle für die Boote, die die Touristen an Land bringen, ein Kiosk, ein Sonnenhutverkäufer und eine kaputte Tanksäule für Autos. Und Sand. Jede Menge Sand.

Die Tankstelle an Land

Die Tankstelle an Land

Der Tankwart füllte meine Kanister, brachte sie auf das Lancha traditional, das langsame Boot mit dem ich entlang an traumhaften Stränden zurückfuhr.

Atacadoura (1) Atacadoura (17)

Ich fragte den Kapitän, ob er mich am Schiff rauslassen kann: Er manövrierte sein Lancha an YEMANJA, hievte die Kanister rüber, ich sprang – ich glaube die Landratten an Bord, die ängstlich und unsicher auf das große Lancha gestiegen waren, hatten danach alle einen Schock!

Somit waren wir wieder gut gerüstet für die nächsten 35 Meilen gegen den Wind. Nach 13 Stunden, 57 Meilen und einiges an Perlen und Erfahrungen reicher waren wir um Mitternacht wieder in Salvador!

 

Seid ihr satt geworden? Lasst es uns in den Kommentaren wissen! Danke!

 

 

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