Wer nach Maraú (Mara-u) und zum Wasserfall von Tremembé will, muss durch nicht vermessenes Wasser. In der Mitte des Flusses Maraú sollen wir uns halten, da wäre es tief genug. Es ist nur nicht ganz so einfach die Mitte zu finden. Buchten weiten und schließen sich. Woher kommt der Fluss? Wohin fließt er? Wohin auch immer wir schauen, um uns herum ist alles grün, Palmen, etwas Weideland, Buschwerk, und blau, Wasser und Himmel, vielleicht mit einem weißen Tupfer Wolke 7. Ein oder zwei Fischer sehen wir, vielleicht vier oder fünf kleine, gepflegte Häuschen am Ufer. Das hier ist ein Paradies. Ein nicht vermessenes Paradies. Natur pur.
In Europa wäre es der Himmel für Wassersportler. Vermessen, ausgelotet, ausgebaggert, von Steinen befreit und erschlossen bis in den letzten Winkel.
Nun, da hätten wir ja gleich zu Hause bleiben können.
Die Antennenmasten von Maraú sind fast ein Schock. Wie Lanzen stecken sie in dem Land, reißen Wunden in den weichen Hügel über dem Städtchen. Ach ja, ich will wenigstens eine SMS an meine Töchter schreiben können, auch wenn ich selten Antwort bekomme: Sie vergessen meist, dass ich Text über Internet versendet, nicht empfangen kann.
Ein wenig scheuen wir den Ort, vielleicht auch die Anhäufung Menschen und alles was dazugehört: Musik, Autos, Handel, Schule, Geschäftigkeit. Dabei brauchen wir wieder Trinkwasser, Bier und Obst. Doch für heute reicht es, das Städtchen vom anderen Ufer aus zu betrachten.
Wir ankern gegenüber Maraú, neben dem blauen Segelschiff vor einem hölzernen Steg. Kaum hält der Anker, sind wir auch schon eingeladen, SILMARIL auch.
„Echt? Dürfen wir kommen?“
„Was heißt dürfen, ihr müsst einfach!“
Ich glaube, der ältere Herr in dem kleinen Fischerboot mit dem Sonnenhut tief im Gesicht freut sich darauf, wieder deutsch sprechen zu können.
Es wurde ein sechssprachiger Abend aus fünf Nationen. An einem Ort, von dem zu träumen ich mich kaum wage.
Jens, Deutscher, und Blanca, Peruanerin, kamen mit dem Segelschiff, entdeckten, dass sie hier Wald kaufen konnten – unerschwinglich in Deutschland – und blieben. Hinterm Mangrovensumpf auf den bewaldeten Sanddünen gegenüber von Maraú. Jens rodete den Dschungel, vertrieb Gürteltiere und Boas, baute ein steinernes Haus und einen hölzernen Pier, sank seine ABEMA mit dem Kiel in den Schlamm, legte Treppen an, pflanzte Bäume und Blumen, baute einen Waschplatz für Mensch und Kleidung, gespeist aus der Trinkwasserquelle. Gemüse anbauen klappte nicht, was die Ameisen übrig ließen, fraßen die Guaiamum, die großen blauen Krebse. Andere Segler kamen, gingen, manche blieben eine Weile. Deren Kinder bauten Baumhäuser und Schaukeln, halfen beim Bau des Sommerhauses: Vielleicht 50 m² Raum für Küche, Tisch und Bänke, darüber ein Hochbett, an Ort und Stelle gehalten von halbhohen Wänden und umgeben von einer kleinen Terrasse. Morgens früh flattern Kolibris übern Bett. Die Fledermäuse ziehen den Garten vor, die Affen werden von den Hunden ferngehalten. Strom gibt es erst seit einigen Jahren.
Die Segler zogen weiter, umrundeten die Welt, auch dort, wo andere, weniger Mutige oder Leicht-Frierende nicht hin wollen. Sie begriffen, was Extremsegler brachen und bauen heute Schiffe aus Aluminium. Gute Schiffe. Boreal. Kinder von Abenteurern oder meinetwegen Aussteigern, die eine Art Karriere machten.
Jens und Blanca blieben, träumen davon noch einmal los zu segeln. Viel Zeit bleibt ihnen nimmer, liegen doch die Jahre, in denen der moderne, der Gehirnwäsche der Medien ausgesetzte Deutsche – auch der Österreicher – daran denkt, sich eine Barriere freie Wohnung zuzulegen, längst hinter ihnen. Ach was, in dem Alter, in dem zu Hause die Menschen daran denken sich einen Rollator zu kaufen, nur so für alle Fälle und weil es im Knie ziept, begann Jens mit der Rodung seines Anwesens. Und klettert heute immer noch in sein Hochbett, auch wenn die Beine krumm sind.
Der Mensch begreift einiges unterwegs.
Auch sich auf Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch und Flämisch gleichzeitig zu unterhalten. In irgendeiner Sprache fällt einem das Wort schon ein. Untermalt mit Blancas südamerikanisch temperamentvollen Gesten ist kein Unverständnis mehr möglich. Nur mehr Lachen und Vertrauen.
Eta prawda.
INFO: Einfach bis kurz vor Maraú in der Mitte des Flusses halten, dann in sehr spitzen Winkel (Felsen) entweder Maraú oder ABEMA anlaufen. Demnächst mehr unter Infos, Downloads oder in der Sidebar
Mit wem hast du dich schon mal in mehr als zwei Sprachen unterhalten? Wo? Bitte erzähle uns davon im Kommentar.
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