Einmal München – Antalya, bitte

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Das Buch „Gewittersegeln“ hatte mir so gut gefallen, dass diesmal ich Susanne Guidera vom Verlag Millemari. fragte, ob ich eine Rezension von „Einmal München – Antalya, bitte“ von Thomas Käsbohrer schreiben sollte. Wieder dauerte es etwas länger, bis ich endlich die Muße dazu fand.

Autor und Buch

Nachdem Thomas Käsbohrer seinen Job verloren hat, erfüllt er sich seinen Traum und segelt ein halbes Jahr lang einhand auf den alten Handelsrouten des Mittelmeeres von Slowenien in die Türkei.

Meine Erwartung

Wer ein Buch kauft, erwartet sich etwas vom Lesen: Unterhaltung zum Beispiel, einen Wissenszuwachs oder auch eine veränderte, hilfreichere Perspektive beim Blick aufs eigene Leben. Ich wusste, dass der Autor, seinen Job verloren hatte und nun die Gelegenheit nutze, um sich seinen Traum zu erfüllen. Meine Erwartung war daher, neben Land, Leuten und Segelabenteuern auch an seinem inneren Wachstum oder der – vermuteten – Veränderung seines Blickes auf sein Leben teilnehmen zu können. Ich hoffte auf Reflexion angesichts der Natur und des Erlebten. Letztere Erwartung wurde im ersten Kapitel durchaus noch verstärkt, dann enttäuscht, und das machte es mir anfangs schwer, mich in das Buch einzulesen. Auch ging mir zu Beginn die gefühlte 100fache Wiederholung des groß geschriebenen Schiffsnamens LEVJE ziemlich auf den Wecker.

Ich glaube, hätte ich nicht ein Versprechen gegeben, so hätte ich das Buch nach wenigen Seiten weggelegt. So aber las ich weiter.

Und wurde belohnt: Inhalt

Zuerst lag das an Venedig, dann an den Menschen. Da meine Freundin in Venedig wohnt, konnten wir letztes Jahr vor dem Start unserer eigenen Reise, fast eine ganze Woche in dieser Stadt verbringen. So nahm Thomas Käsbohrer mich mit in meine Erinnerungen, an Plätze, die der Durchschnittstourist nicht kennt, in die wir uns dennoch verliebten. Und genau das macht auch den größten Zauber des Buches aus: Die Orte, von denen er erzählt, sind selten die, in die alle Welt reist. Doch oft sind sie Zeugen von vergangener Größe, von den Dauniern, den Vogelmenschen zum Beispiel, von denen wir fast nichts wissen, von den Venezianern und den Römern. Immer wieder nimmt Thomas Käsbohrer den Leser mit in die Geschichte – er ist vom Fach. Er schafft es, vergessenen Orten Erinnerung einzuhauchen.

Millemari.

Foto:. Millemari.

Und er lässt Geschichte leben, indem er Geschichten erzählt, vor allen Dingen von den Menschen am Meer, von einem Leben, das oft hart, aber nie sinnlos ist. Immer ruhig, gegenwärtig. Er beherrscht die Kunst, langsam zu reisen und zu erzählen. Er schafft es, die Zeit still stehen zu lassen, die gegenwärtige Größe einzufangen, wenn er von Slobo mit der Poliermaschine, der Ausbildung der Gondolieri, dem einsamen Seemann, der in aller Ruhe ein Holzboot repariert, von Fischern und Verkäufern, von segelnden Katzen, Mönchen in Griechenland, einer hoffnungsschwangeren jungen Türkin und vielen anderen Menschen schreibt.

Eines ist dieses Buch jedoch nicht: Ein Buch vom Segeln. Sicher, vier, fünf Kapitel sind auch dem Segeln gewidmet, doch wer ein typisches Segelbuch erwartet wird eher enttäuscht sein.

Zu guter Letzt erzählt er doch noch ein wenig von sich, von seiner Angst und von dem was diese Auszeit mit ihm gemacht hat. Davon, welche Chancen eine lange Segelreise, eröffnet: Das Wichtigste zu finden – was das für ihn ist, müsst ihr schon selbst herausfinden!

Millemari.

Foto: Millemari.

Multimedia

Das Buch ist in der PDF-Version lesetechnisch gut durchdacht, und optisch ansprechend gestaltet. Wie das erste Buch, das ich aus dem Verlag Millemari. las, beeindruckt es durch seine Fotos und „Verlinkungen“:

Fotos und Text halten sich die Waage, so ist es gleichzeitig ein Fotobuch und ein Lesebuch. Die Fotos, oft über eine halbe oder ganze Seite, zeigen das Meer, oft die Menschen oder Orte der Erzählungen. Historisches ist auch dabei. Sie haschen nicht nach Applaus, sie erzählen unaufdringlich ihre eigene Geschichte: Die vom unendlichen Blau des Meeres, von seinen Küsten, der Arbeit der Menschen am Meer, vom Glauben und vom Seinlassen.

Wieder sind es diese Fotos, die ich gerne in Print gesehen hätte, auch wenn sie m Bildschirm schöner leuchten mögen. Da bin ich einfach altmodisch!

Von den Videos sind die URLs angegeben, und da bin ich jetzt im Zwiespalt: Diesen Artikel endlich veröffentlichen oder warten, bis ich wieder so gutes Internet habe und mir die Filme ansehen kann? Ich warte: Die Videos sind eine abwechslungsreiche Ergänzung, nicht zu lang. Vermissen würde ich persönlich sie allerdings nicht.

Der Wermutstropfen

Leider wird der Lesefluss durch eine irritierende Interpunktion (z.B. Doppelpunkt vor dass), mir fremder Schreibweise von Fremdwörtern (z.B. Quvarner für Kvarner), Hinweisen auf Fotos oder Videos, wechselnde Zeiten sowie Nichtvorstellen von gelegentlichen Mitreisenden (wenn sie das denn waren) unterbrochen. Auch die Themen – Segeln, Menschen, Orte, Dinge, Geschichte, Reflexion – sind nicht homogen. Mir kommt vor, Herr Käsbohrer hat seine liebsten Blogartikel einfach zu einem Buch zusammengestellt. Leider macht ein guter Blog nicht zwangsläufig ein gutes Buch: Ohne Überarbeitung wird das einfach nicht rund.

Auch wenn Sonne und Mond rund sind, lieben wir doch auch das zackige Funkeln der Sterne!

Fazit

Gerade jetzt, da ich das Buch abschließend durchblättere, erliege ich diesem Funkeln: Was auch immer mich beim Lesen störte: Ich mag Thomas Käsbohrers Erzählungen vom Leben am Meer. Es wohnt ihnen eine stille Liebe zum Leben inne. Und das macht dieses Buch so lesenswert.

Ausgaben:

Cover Millemari.

Cover: Millemari.

Einmal München – Antalya, bitte.
Von der Kunst, langsam zu reisen
322 Seiten, eBook in allen Formaten 9,99 €
322 Seiten Buch, 24,99 €
978-3-946014-27-0
Verlag Millemari. www.millemari.de (Werbung)

Wer „Meer“ haben will: In seinem Blog www.marepiu.blogspot.de gibt Thomas Käsbohrer der vergangenen und gegenwärtigen Geschichte im Mittelmeer Gesichter. Werbung für sein Buch und den dazugehörigen Film macht er auch.

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