Land in Sicht!
Oder zu mindestens zwei helle Lichter, vielleicht Leuchttürme? Aber so hoch oben?
Wir wundern uns und lachen schließlich hell auf: Es sind zwei Sterne, die über Salvador aufgehen!
Und doch können wir bald einzelne Lichter unterscheiden…
Mit Motor, in der Geschwindigkeit wären wir um drei Uhr früh da – im Dunklem.
Da kommt Wind auf – Tomy zieht die Segel erst unwillig hoch, doch ich kann ihn überreden: Segeln heißt, dass Sissi steuert, und der Wachhabende nicht das Steuer festhalten muss.
So haben wir eine letzte ruhige Nacht, auch wenn wir alle drei Stunden halsen müssen.
Im Morgengrauen taucht die Skyline von Salvador auf: Rio Vermelho, Ondina, Barra…
Die Flut ist gegen uns, also runden wir die Banco San Antonio vor Barra südlich, dann laufen wir in die Bucht ein, vorbei am ältesten Leuchtturm auf amerikanischen Boden, vorbei an den exklusiven Hochhäusern an der Sete de Septembro, vorbei an den Favelas, die unterhalb liegen.
Und dann um die Kaimauer, vorbei am Forte – ein Schiff der Brasilianischen Marine fährt mit Blaulicht raus, hupt und winkt freundlich, ebenso der Schoner Kapitän und der der Fähre nach Motto de Sao Paulo. Ein Marineiro winkt uns an den Steg, reicht uns die Mooring-Leinen (die etwas seit 514 Jahren, also seit der Entdeckung der Allerheiligenbucht, dort liegen).
Wir sind fest – und der Bem-te-vi schmettert uns sein Willkommen entgegen: „Schön-dich-zu-sehen, bem-te-vi. bem-te-vi!“
Hier, im Centro Nautico, beobachteten wir vor 14 Jahren die Ankunft der Mini-Transat, hier nahm Tomys Hirngespinst, die Welt zu umsegeln, erste Formen an. In den folgenden Jahren war diese seine Idee DAS Symbol für den Verlust von allem, was mir wertvoll und heilig war – also eine Bedrohung meiner Existenz. Und jetzt sind wir gemeinsam hier – glaubt mir, um die Welt ist nicht weiter als der Weg von der Angst, alles zu verlieren, was frau wichtig, in die Gewissheit, dass ihr nichts genommen werden kann, weil alles, weil die Liebe, die Quelle des Seins, in ihr ist. Und diese Quelle kann nichts mir nehmen – sie ist.
Wir sind ganz schön glücklich und stolz!
Nach dem Duschen – Süßwasser!!!, melden wir uns in der Marina an und machen uns auf dem Weg zur Policia Federal. Nach einigem Fragen und freundlicher Hilfe, finden wir sie in einer Baracke im Hafen. Die Dame weiß auch ohne große Erklärungen, warum es geht, und flugs sind unsere Pässe gestempelt und wir halten den ersten Zettel mit diversen Angaben zu unserer Einreise in der Hand.
Dann gehen wir zur Receita Federal, die im Gebäude des Ministrio da Fazenda untergebracht ist. Die Sachbearbeiterin dort ist speziell: Sie bewegt sich huldvolll und die Hüften seltsam schwingend im Zeitlupentempo – soll das sexy sein?
Also wenn die im Bett auch so langsam ist…
Wir füllen die Zollerklärung am Computer aus, nur das Schiff, der Rest ist uns zu mühselig. Die Schönheit druckt einen weiteren Zettel aus, der muss vom Chef eine Etage höher unterschrieben werden. Wir warten im Vorzimmer.
„Tomy, da kommt ein Schatten langsam wie ein Faultier die Treppe heruntergeschlichen, ich glaub, das ist sie!“
Sie schleicht an uns vorbei, ohne uns eines Blickes zu würdigen. Sie legt die Hand an die Klinke der Bürotür…
Ah, langsam dreht sie sich zu uns um, königlich winkend bittet sie uns ins Büro. Eine weitere Unterschrift, und wir haben einen Zettel mehr.
Mit dem gehen wir zur Capitania, werden freundlichst aufgenommen und bald halten wir den dritten, letzten Zettel in der Hand:
Wir und Yemanja sind legal in Brasilien!
Geld haben wir auch schon, jetzt ein kühles Bier und Acaraje!
Jetzt sind wir wirklich da!
Ich bitte meine Tochter, unserer ehemaligen Raumpflegerin von unserer Ankunft zu berichten, ich weiß, dass sie in der Nähe arbeitet. Zehn Minuten später steht sie am Steg, umarmt uns glücklich! Que saudade! Endlich sind wir wieder da!
Eine Stunde später kommen Patrick und Leentje mit der Silmaril, wir fallen uns um den Hals, trinken ein Begrüßungsbier, stoßen mit Sekt an, wechseln zu Bier – ach, ist das schön, wieder mit Freunden zu sein!
Meine Engel beklagen sich, weil ich immer noch kein Internet habe, doch so einfach ist es nicht: Free Wifi gibt es nicht in den Imbissbuden rundherum, das der Marina ist (und bleibt) kaputt, ein Internetcafe wäre vielleicht im Pelourinho, in der Altstadt, doch wir brauchen Wasser – die Tanks sind doch kaputt. Ich habe Sehnsucht, aber Einreise und Wasser sind wichtig!
Während Tomy den Fehler sucht, kommt Tom mit der Cariad, wenig später Anja, Thomas und Georg auf der Robusta. Es gibt einen kalten Begrüßungstrunk, Umarmungen, Lachen, Erklärungen – und wenn ihr das lest, auch endlich Internet, zumindest zeitweise.