Es regnet!
Der Regen ist den Menschen willkommen, blieb er doch 2014 ganz aus. An Wandern ist nicht zu denken, wir bitten Jorge, uns nach O Curral zu fahren, damit wir wenigstens etwas sehen. Im Grunde ist mir das ganz recht, denn trotz meiner nächtlichen geistigen Lichtduschen, um wieder gesund zu werden, bin ich etwas schlapp.
Wenn es regnet, kommen die Berge in Bewegung: Immer wieder muss Jorge Steinen, ja ganzen Felsen ausweichen, die nachts auf die Straße fielen. Ich rede mir halt ein, dass die nur nachts fallen – Autofahren ist um einiges gefährlicher als Segeln!
Die Küstenstraße, kunstvoll gepflastert, windet sich um die Berge, immer wieder gehen rechts in den Fels gehauene Trampelpfade hinauf in die Berge. Da oben wohnen Menschen, gibt es Dörfer, erzählt Jorge, doch mit dem Auto sind sie nicht erreichbar, nur diese Wege führen dort hinauf.
Vila das Pombas liegt am Ende des Paúl-Tales, in einer schönen weiten Bucht. Karibisch soll es hier sein – wenn es nicht regnet. Von hier führt der Weg hinauf nach Cova de Paúl. Trotz Wolken, Nebel und Regen sind die Berge wieder beeindruckend, schroffe Spitzen, senkrechte Wände, hoch oben thronen sattgrüne Agaven, alles, was halbwegs flach ist, ist mit Zuckerrohr bewachsen – hier wird daraus noch Sprit für durstige Kehlen destilliert.
Was soll ich sagen? Ich liebe diese tropischen Berge! Sie berühren etwas in mir, es ist als gehörte ich in diese Landschaft.
Jorge lässt uns in O Curral austeigen, wir bitten ihn unten auf uns zu warten. Wir wandern die Straße hinunter, vorbei an üppiger tropischer Vegetation: Bananen, Mangos, Papaya, Kokospalmen und Brotfruchtbäume säumen das Ufer des kleinen Flusses. Er ist kunstvoll durch kleine Steindämme reguliert: Das Wasser fließt in der Hauptrinne in der Mitte schnell zu Tal, von dort wird es immer wieder in kleine Becken voller mir unbekannter Nutzpflanzen abgeleitet. Immer wieder stehen kleine, weißgetünchte und mit Zuckerrohrstroh gedeckte Hütten an seinen Ufern, ja selbst mitten drin, wieder umsichtig in den Lauf des Flusses gebaut. Darin leben tatsächlich noch Menschen, ja ganze Familien!
Und obwohl die Menschen am Bach wohnen ist Wasser kostbar: Regenwasser wird mit der Schaufel gesammelt, aufbewahrt für jene Wochen, an denen der Regen ausbleibt und die Bohnen auf den Feldern vertrocknen.
Heute feiern die Kinder Karneval, sie haben Schulfrei. Trommelnd stehen sie am Straßenrand, manche richtig verkleidet, andere mit bemalten Papiermasken. Die Trommeln haben sie selbst gebaut, aus 5-l-Konservendosen – es reicht, um damit Krach zu machen. Die Jungs necken die Mädchen, versuchen ihnen Angst zu machen… Kinder halt!
Das Leben hier ist sicher hart, ohne die Annehmlichkeiten modernen Lebens und doch auch wieder nicht: Die Männer können sicher zupacken, wenn es sein muss, und doch haben wir hier keinen gesehen, der sich überarbeitet, auch nicht die, die Arbeit haben: Ihre Aufgabe besteht größtenteils darin irgendwo herumzulungern, rund um den Dorffernseher zu sitzen, Kicker oder Oril zu spielen, während die Frauen wenigstens noch die Kinder herumschleppen.
Daran, den Müll wegzuräumen, Ordnung zu machen, ihre Umgebung zu pflegen, denkt hier keiner. Ich will darüber nicht urteilen, ich wundere mich nur immer wieder, dass das die Menschen nicht stört, also rein optisch, von Umweltschutz rede ich schon gar nicht. Das gilt übrigens durchaus auch in Deutschland, auch da fällt nur wenigen ein, den Müll, den andere vor ihrer Tür fallen ließen aufzuheben… Sinn für Schönheit ist ja durchaus vorhanden: Sobald das Geld reicht werden die Häuser bunt angemalt, mit farblich abgesetzten Türen und Simsen. Gar manches Haus ist ein wahres Juwel!
So grau die Orte im Moment aussehen, die düsteren Rohbauten bedeuten doch, dass gebaut wird, dass Hoffnung auf ein angenehmeres Leben besteht: Eines Tages werden sie bunt sein, werden die Wege, die zu ihnen führen, gepflastert sein.
Ich wünsch es den wunderbaren, freundlichen Menschen von Santo Antão!
[ready_google_map id=’4′]