Segeln mit Yemanja

Atemlos in Santo Antao

Die Berge? Die Steigung? Die Lebensbedingungen? Was raubt mir den Atem?

Während wir frühstücken, hält ein Aluger vor der Tür, der Fahrer blickt uns freundlich lächelnd und fragend an. Was die Fahrt nach Cruzinha da Garça kosten würde, frage ich ihn.
3.500 Escudos, etwa 30 Euro. Das erscheint uns viel.
Von dort, erklärt er den Preis, kann er niemanden zurück nehmen.

Er hat vergessen, die Straße zu erwähnen!

Ribeira Grande

Von Ribeira Grande führt wieder eine gepflasterte Straße, hinauf in die Berge.Es sind diese Berge, die mich zum ersten Mal an diesem Tag, nach Luft schnappen lassen. Steil aufgerichtet, mit Zacken und Zinnen, lange Rücken, hinter jeder Biegung eine neue grandiose Aussicht auf ein Tal, Terrassen oder eine Siedlung – es ist eine der schönsten Berglandschaften, die ich je gesehen habe! Mir fehlen die Worte, sie zu beschreiben, auch Fotos können nur eingeschränkt einen Eindruck vermitteln.

Atemberaubend schön!

Im Flusstal schlagen Männer Kiesel klein, für Sand, um weiter bauen zu können. Daneben weiden die Kühe, suchen die Hühner nach Korn – was uns exotisch, ärmlich oder hart erscheint, ist hier vielleicht ein fettes Leben? Wir werden sehen…

Gravel making

Irgendwann wird aus dem Pflasterweg doch tatsächlich eine asphaltierte Straße!

Die abrupt an einem breiteren Feldweg endet.

Doch die Fahrt geht weiter.

Der nächste Ort ist überraschend gepflegt, mit bunt bemalten Häusern, Blumen davor und einen gepflasterten Dorfplatz. Ist das Tal fruchtbar genug, für bescheidenen – extrem bescheidenen – Wohlstand? Ist es die Ecolodge am Ende des Dorfes? Wir wissen es nicht.

Cruzinha

Hinter dem Ort wird der Weg abenteuerlicher, eng und steil gewunden geht es über Flusskiesel hinauf nach Cruzinha. Ich kann kaum glauben, dass Jorge Miguel, unser sympathischer Fahrer seinen kostbarsten Besitz, das Auto, diesen Strapazen aussetzt! Doch er setzt uns brav am Dorfende ab.

Wir folgen dem gepflasterten und wieder aufwändig mit Steinmäuerchen gesicherten Weg entlang der Küste. Er ist anfangs wenig spektakulär, doch durchaus konditionell anspruchsvoll. In den Schluchten unterwegs stehen Wasserbehälter, von dort wird das Regenwasser wieder hinauf gepumpt, wohin können wir nicht sehen. Nach zweieinhalb Stunden geht es bergauf in ein Dorf: Fünf Häuser, vielleicht gibt es noch ein paar in den Bergen dahinter, eine Grundschule mit Fußballplatz. Etwa 50 Menschen leben hier in diesem Ort, der nur über den Klippenpfad erreichbar ist. Die Stromleitung folgt eben diesem Pfad, auch der dicke Wasserschlauch. Es gibt ein paar Ziegen und einige Hühner. Drei Jungs sitzen mitten auf dem Weg, flicken Netze, zwei Männer lösen Bohnen aus.

Nix da Supermarkt!

Und doch gibt es in Forminguinhas zwei Bars, die auch Mahlzeiten anbieten. Wir entscheiden uns für ein Getränk in der Bar „Erleuchtung durch Andreas Köppke“. Die junge Frau winkt mich in ihre Küche, öffnet den Kühlschrank und lässt mich wählen: Cola für mich, Bier für Tomy, all das für 230 Escudos, grad mal zwei Euro. Ich glaube, sie spricht nur Kriolu, kein Portugiesich.

Enlightment through Andreas Köppke

Uff. Auch das schnürt mir die Kehle zu.

Und macht mich unglaublich dankbar! Was geht es uns gut!

Ein paar Wegbiegungen und Höhenmeter weiter liegt Corvo in einem fruchtbaren Tal, auch hier sind die Lebensbedingungen nicht anders. Zum Arzt, weil das Kind hustet oder Fieber hat? In die Schule? Die höhere Schule ist in Ribera Grande, wie ich von den heimkehrenden Schulkindern erfahre. Sie haben einen Zettel in der Hand, bitten die Wanderer um Geld, damit sie in die Schule gehen können, denn die kostet. Oder die Bücher. Oder auch für den Bus dahin, ab Fontainhas oder Ponta do Sol, bis dahin müssen sie laufen – über die Berge, vielleicht eine Stunde oder auch mehr! Vielleicht bringen sie auch Fisch dafür nach Hause, was soll’s mit vollem Bauch lernt es sich leichter. Ich hoffe nur, dass ihnen irgendwann jemand beibringt, den Müll nicht einfach die Klippen hinunter zu werfen…

 

Auch der Müll beengt meine Brust, macht mich traurig.

Hier kann es nicht um Leben, nur um Überleben gehen. Aber wer weiß, vielleicht ist das auch nur ein Vorurteil? Da gibt es diese Geschichte von dem armen Fischer, den ein reicher Mann einreden will, mehr Fisch zu fangen, damit er dann irgendwann in der Sonne liegen könne. „Das tue ich jetzt schon!“ sagt der Fischer…

Wirklich atemlos werde ich beim Anstieg über den Grat. Was die Schulkinder mühelos jeden Tag bewältigen, kostet mich einige Anstrengung: Seit November habe ich meine Kondition sträflich vernachlässigt, das spüre ich jetzt gewaltig! Doch stetig setze ich Fuß vor Fuß, ab Fontainhas, das wie ein buntes Adlernest am Fels klebt, geht es nur mehr bergab.

Fontainhas

Aus der Ferne sehen wir Gruften, oder einen Friedhof, zumindest halten wir die grauen Zellen dafür. Erst kurz davor hören wir das Grunzen: Schweineställe sind es, weit außerhalb der Ortschaft, damit der Gestank nicht ganz Ponta do Sol den Atem raubt!

Schweineställe

Wir nehmen den Trampelpfad, der zu den Ställen führt. Ein richtiger Fußballplatz, ein paar Häuschen, die wie Favelas anmuten, ein paar Villen, ein paar kleine Reihenhütten, bunt und gepflegt, schon sind wir unten am Meer!

Eine Dusche! Abendessen! Bett – mir war kalt die letzte Nacht, ich fühle mich etwas grippig. Was wird das morgen werden?

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Dieser Beitrag nimmt an der Blogweltreise von Auswandern für Anfänger teil

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