Wir quälen uns um halb sieben aus den Federn, um halb acht geht die Fähre nach Santo Antão, der Insel nebenan. Nun haben wir zwar ein eigenes Schiff, doch gibt es auf Santo Antão keine Anlegemöglichkeit, nur eine einzige Ankerbucht vor einem abgeschiedenen Dorf – von dort aus könnten wir die Insel kaum erkunden. Außer unserer Rückfahrt haben wir nichts gebucht: Wir sind jetzt echte Rucksacktouristen.
Kaum verlassen wir das moderne Terminal in Porto Novo, stehen wir in einer Versteigerungshalle: Auf der Tribüne stehen die Händler, unter auf der Bühne zieht die Ware vorbei: Touristen.
Wir.
Wir werden an den am wenigsten verlangenden Aluguer-Fahrer verschachert, zumindest für die Fahrt nach Ponta do Sol.
Und was für eine Fahrt!
20 Kilometer Luftlinie sind es von Porto Novo bis Porta do Sol, auf der Straße vielleicht 40, gebraucht haben wir zwei Stunden, mit höchstens 35kmh!
Ein gepflasterter, gut befestigter Weg, gerade breit genug damit zwei schmale Autos aneinander vorbei können, windet sich hinauf in die kahlen, rotbraunen Berge. Grau verstaubte, niedrige Akazien drücken sich an den Wegesrand, darunter blühen gelbe Aloen. Wild zerfurcht sind die Schluchten. Je höher wir kommen, umso grüner und dichter werden die Akazien, bald gehen sie über in einen Eukalyptuswald. Erst dort oben stehen vereinzelt Häuser, die sich manchmal zu lockeren Ansammlungen gruppieren. Manche sind bunt angemalt, die meisten aber zementgrau und halbfertig. Bunt ist nur die Wäsche auf der Leine. Ziegen und Hühner laufen herum, auf mancher Weide stehen zwei Kühe. Esel warten angepflockt am Straßenrand auf ihren Einsatz.
Oben bleibt der Fahrer an der Cova de Paúl stehen: Unter uns liegt ein eingestürzter Krater mit Feldern und Weiden, dorthin wird uns eine der Wanderungen führen.
Der Weg, die Landschaft und die Straße bleiben spektakulär. Je weiter wir hinunter kommen, umso karger wird das Land, wieder türmen sich eindrucksvolle Bergrücken vor uns auf, durchzogen von tiefen Schluchten.
Es ist großartig! Marvailhoso! Wie gesegnet bin ich, dass ich dies sehen und erleben kann!
In Ponta do Sol lässt uns der Fahrer am Hafen aussteigen, wir zahlen knapp 9 Euro für die Fahrt. Im Hotel unserer Wahl ist kein Zimmer frei, obwohl wir eher den Eindruck haben, Madame passt unser Ansinnen gerade nicht in den Kram. Was den Tourismus angeht, ist Ponta do Sol fest in französischer Hand.
Daneben, im Por do Sol Arte fühlen wir uns sofort willkommen, die Dame lächelt freundlich, auch das Zimmer ist freundlich blau, einfach und sauber. Der Balkon liegt über der „Strandpromenade“, direkt vorm Meeresschwimmbecken. Von hier oben können wir gut das Treiben auf der Straße beobachten: In blaue Kittel gekleidete Mädchen, die fröhlich von der Schule nach Hause hüpfen; Männer beim Spiel; Hunde, in denen frau noch eine Rasse vermuten könnte, sie gehören durchaus zu bestimmten Familien ohne jedoch ins Haus zu dürfen; die Netze sortierende, fischende Dorfjugend; die heimkehrenden Fischerboote.
Wir beschließen, die Wanderung heute ausfallen zu lassen und zum Hafen zu gehen.
Gut so!
Welch‘ ein Spektakel ist die Heimkehr der Fischer!
Dem muss ich einen eigenen Artikel widmen, vermutlich im Sommer! Ich brauche Zeit, um all die Eindrücke zu verarbeiten, Berichte zu schreiben und zu posten und vor allem um die Fotos Blogtauglich zu machen.
Abends muss ich eine weiteres Vorurteil loslassen: Afrikanischstämmige Menschen haben nicht automatisch Rhythmus im Blut, sich elegant zu Musik zu bewegen, ist ihnen nicht in die Wiege gelegt: Am Fußballplatz der Grundschule wird für Karneval geprobt, die Trommeln toben. Die Vortänzerin schwingt ihren Hintern sehr eindrucksvoll, doch die farbigen Kinder bewegen sich so hölzern, wie es sonst nur Weiße können. Oder sie bleiben gleich stocksteif stehen.
Nur die Großmütter in der letzten Reihe haben sichtlich Spaß!
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