Segeln mit Yemanja

Halbzeit und mehr T-CV 4. u 5. Tag

Mittwoch, nach vier Tagen, um 14:00, als wir unser Etmal aufschreiben, haben wir genauso viele Meilen vor uns wie hinter uns. Morgens sprang die verbleibende Reisezeit auf unserem Plotter erstmals auf unter 99 Stunden, gestern Mittag waren es noch 98 Stunden bei durchschnittlich 4,5 Knoten Reisegeschwindigkeit – also genau unser bisheriger Durchschnitt. Wir könnten es also bis Sonntagmittag schaffen, in Mindelo zu sein!

Nein, die Butter ist immer noch nicht geschmolzen, doch der Wind hat auf Ostnordost gedreht, wir kommen also in den Bereich, in dem wir Richtung Karibik abbiegen könnten. Zumindest haben es so die alten Passatwindsegler gemacht. Ich aber blicke morgens früh sehnsüchtig nach Osten: Bitte Sonne, komm endlich, steige hoch und wärme mich!

Ich mag es, durch die Nacht zu segeln, über mir der Vollmond oder die Sterne. Was ich gar nicht mag ist, immer wieder aus dem Tiefschlaf gerissen aufstehen zu müssen, weil meine Wache dran ist. Nie ausschlafen zu können, obwohl ich tagsüber munter und recht fit bin. Was mich aber noch mehr stört, ist, dass mir nachts immer noch kalt draun ist. Selbst Tomy hüllt sich in der Nacht an Deck in eine Decke!

Vier oder fünf Schiffe haben wir bisher unterwegs getroffen, einen Zweimaster, offensichtlich auf den Weg zu den Kap Verden oder auch in die Karibik, die AidaCara kam uns entgegen, und zwei oder drei andere. Irgendwann schwammen portugiesische Galeeren neben uns, weiß und winzig, lila waren nur die etwas größeren. Manchmal kommen Delfine vorbei, gestern war einer dabei, der senkrecht 3 Meter in die Luft sprang. Hie und da fegt eine einzelne Seeschwalbe über die Wellen. Sie erinnert uns daran, dass das afrikanische Festland, Marokko und Mauretanien, weniger als 200 Seemeilen entfernt Richtung Osten liegt. Was aber tut sie hier? Wovon lebt sie, wie kommt sie wieder nach Hause?

Immer wieder muss ich an meine Freundin Christine denken, die nie vergisst, zu erwaehnen, dass sie nur Wasser um sich herum nicht ertragen koennte. Ich fuehle mich in diesem wogenden Graublau durchaus geborgen. Nachts plaetschert, rauscht, und gurgelt das Wasser fuenf Zentimeter von meinem Ohr entfernt, zwei Zentimeter dickes, stabiles GFK und eine Holzverschalung, liegen zwischen mir und der Tiefe. In Yemanja knarzt und knirscht und pingt und rollt und quietscht es, immer wieder mache ich Tomy auf ein neues, ungewoehnliches Geraeusch aufmerksam: Mal knarzt es irgendwo Richtung Mast, mal pingt es hinten Richtung Geraetetraeger oder Backskiste: Der Schiffsbauch ist ein grortiger Resonanzkoerper! Leider auch ein beunruhigender, doch wir koennen nie die Ursache der aufmerksam machenden Geraeusche herausfinden.

Dienstagabend war ich so verwegen, “in echt” und frisch zu kochen: Butternutkürbis, mit getrockneten Tomaten und Kapern an Spiralnudeln. Der halbe Butternut war ja vom vorgekochten Linsen-Kürbis-Eintopf des ersten Tages übrig. Ist schon eine interessante körperliche Erfahrung, sich mit einer Hand festzuhalten und mit der anderen die Pfanne über der Gasflamme zu jonglieren. Geht nur bei wenig Seegang, obwohl – Christine und so manch’ anderen würde er reichen. Und ehrlich gesagt bin ich ganz froh, dass Wind und Wellen sanft und liebevoll mit uns sind – die Erfahrung vor El Hierro und auf dem Weg nach Gran Canaria, bzw. La Gomera relativiert sich so etwas.

Heute, Donnerstag, sieht das schon wieder anders aus: Ein neue Bewegung des Schiffes läßt mich nicht einschlafen: Nach der Waschmaschine und der Wackelpetererfahrung folgt die Schiffsschaukel. Was habe ich sie als junges Mädchen im Prater geliebt! Ganz oben saß, ja stand ich, ließ mir den Wind durch die Haare wehen, gab mich der Bewegung hin. Ich schaukle immer noch gerne. Nur nicht wenn ich schlafen will: Nach einigem Herumprobieren mit Segelstellung und -größe koennen wir jetzt endlich einen recht zielführenden und flotten Vorwindkurs fahren. Das heißt aber auch, dass die Wellen, die von hinten kommen – sie sind nicht mal groß – Yemanja immer wieder in die Mangel nehmen, sie sich aufschaukelt, von einem Kippmoment zum anderen. Mittagsschlaf geht so nicht! Und das sage ich, die Königin des “Ich-kann-immer-und-in-jeder-Lebenslage-schlafen!”. Tomy probiert es gerade am Cockpitboden.

Tomy sleeping, me wrtiting

Gestern Mittag, Mittwoch, sende ich wieder eine Mail an meine Kinder. Ich vermisse es, mit ihnen zu chatten und zu skypen, ich vermisse die Fotos und Videos von unserem kleinen großen Mann, die Bussis, die er auf Mamas Handy drückt, die Bauklotzsuppe, die er kocht. Ich beklage mich hier übrigens nicht, ich hätte ja zu Hause bleiben können. Ich stelle es fest.

Diesmal bekomme ich sofort Verbindung – über die Sailmail Station Lunenburg in Canada. Tomy schaut mir über die Schulter und fragt ganz unschuldig, woher die Funke oder das Modem denn weiß wo wir sind – Ähh, weißes das denn nicht automatisch, so wie das UKW-Gerät???

Ich muss wieder mal er meine Dummheit oder Unerfahrenheit lachen! Sobald ich die Koordinaten unseres Standortes ins vorgesehene Feld eingebe, sieht die Propagation (laienhaft gesagt, die Qualität der Funkverbindung um diese Tageszeit) ganz anders aus! Belgien ist von hier aus nicht zu erreichen, zumindest nicht nachmittags! Das erklärt, warum ich mir die Tage die Finger wund gewählt habe!

Mich tröstet mein leiser Verdacht, dass es anderen aehnlich ergangen ist

Heute Nacht haben wir etwas von unserer Geschwindigkeit und Strecke verloren, durch nachlassenden Wind. Kurskorrektur und Experimenten mit der Segelstellung. Andrerseits fahren wir jetzt einen guten, relativ schnellen Kurs. Die Hoffnung Sonntag noch vor Einbruch der Dunkelheit anzukommen, bleibt also.

Wenn wir dann einmal rundherum sind, dann machen wir das noch mal, denn dann wissen wir wie was geht!

PS: Die Rezepte reiche ich demnächst nach.

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