Afrika wir kommen, langsam aber beständig.
Wundert ihr euch über unseren Kurs?
Wir auch.
Also wir wollen zu den Kap Verden, um aber nicht in die relativ windlose Zone unterhalb der Kanaren zu kommen, wollten wir erst mal mehr südlich und dann westlich. Rein theoretisch geht das ganz gut, hat aber einen Nachteil: Wir sind bestädig auf Vorwindkurs.
Die Wellen wiegen Yemanja bisher recht sanft, doch vorm Wind in alle Richtungen. Und uns mit. Schlafen?
“Sie suchen das besondere Schlaferlebnis? Buchen sie eine Nacht auf der Segelyacht Yemanja auf Vorwindkurs zu den Kap Verden: Schlafen wie in der Waschtrommel beim Hauptwaschgang!”
Tomy will heute Morgen schon umdrehen, so geht ihm dieses Wurfgeschossdasein auf die Nerven.
Zurück in diesen verrückten Wind auf den westlichen Kanaren? Jener Wind, der wie eine Katze seinen eigenen Schwanz jagt? Mal liegt er ganz ruhig da, um im nächsten Augenblick tollwütig herumzuspringen, innezuhalten und dann den Berg hinunterjagen? Dieser Wind bricht die Masten der modernen Hanse und Bavaria quasi serienmassig wie Soletti! Erst am Wochenende hat es Georg erwischt, jenen Georg den wir in A Coruna trafen und der so schön erzählen kann. Ich wette, auf die Geschichte könnte er verzichten!
Yemanja ist zwar eine robuste Gottin von Namen und Geburt – Aphrodite hieß die Werft, doch ich bin froh, dort weg zu sein.
Schließlich werden die Ziele jetzt erst interessant! Und hoffentlich wärmer!
Vorm Ablegen schale ich mich in meine Klamotten: Unterhemd, T-shirt, Fliesunterhemd und lange Fliesunterhose, darüber die Offshore-Hose, Stiefel, für die Nacht noch ein dickes Flieshemd, dann die Offshore-Jacke, Piratentuch um Ohren und Haare. Ist mir jetzt wohlig warm?
Nein!
Aber es geht so, da der Wind mit 15 bis 10 Knoten recht moderat bläst. Auch das Meer ist recht ruhig, sitzen wir draussen, schaukelt es uns sanft. Waschmaschinen sehen von außen ja auch ruhig aus. Sissi, die Windpilotin, winkt huldvoll der Mondin zu und hält brav ihren Kurs.
So lasse ich diese Nacht meine Gedanken schweifen: Die Menschen sind so wunderbar! Liebevoll denke ich an die, die wir zurück ließen: Manni, Miri und Silvi winkten wieder mal zum Abschied, Thomas, der Segelmacher, zeigte uns Grünlingen nochmal, wie wir richtig reffen, diesmal ohne das Segel oder uns zu gefährden. Auch er drückt uns fest zum Abschied. Ich denke an Joanna und Marcel von der Chulugi, die mit Nico hoffentlich bald nachkommen, an Leentje und Patrick, die in Salvador auf uns warten, an Milan, den wir endlich in Mindelo kennenlernen werden. Ich denke an Elke und Walter in der Karibik, an Martin und Violetta, Heinz und Christine zu Hause. Ich denke an meine Kinder, meine Engel und Engelchen, meine guten Freunde und die Nachbarn, die immer ein Auge auf sie haben. Ich denke an meine Mutter, die bald 88 wird, hoffentlich kommen wir rechtzeitig an, damit ich ihr gratulieren kann. Ich denke an Onkel Bruno, der heute Nacht vielleicht diese Illusion verlasst und seine Tochter, die weinend seine Hand hält. Ich fühle mich wunderbar geborgen, getragen und geliebt.
So denke ich auch an die, die derzeit Hass und Leid säen, Pegida, IS Kampfer und vielleicht sogar jene, die diese bekämpfen: Haben sie jemals diese Geborgenheit und Liebe erfahren? Wann haben sie zuletzt dem Leben vertraut? Könnten sie die Schönheit und Liebe dieser Erde wahrnehmen und darauf vertrauen – wäre die Welt dann eine andere?
Nächte am Meer machen philosophisch!
123 Seemeilen ist unser erstes Etmal, die Strecke, die wir in 24 Stunden zuröckgelegt haben. Der Wind fällt immer wieder unter 10 Knoten, der Baum schlagt in den Wellen obwohl er gesichert ist. Die Sonne ist immer noch hinter den Wolken, wenigstens konnte ich die dicke Jacke ausziehen.
Ich werde das jetzt los schicken, per Funk deshalb ohne Umlaute und scharfen ß – im Hafen wird das berichtigt, formatiert und mit Foto verziert. Ihr könnt also gerne wiederkommen! – Erledigt! aber ohne Foto!
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