Kennt ihr noch das Nibelungenlied? Die Geschichte von Siegfried, dem Drachentöter, der unverwundbar wurde, als er im Blut des von ihm getöteten Drachens badete? Nur nebenbei: Ich habe auch in Drachenblut gebadet, bin deshalb unverwundbar, zumindest können die Schwerter, Stöcke und Gewehre der Nachbarskinder mir nichts anhaben ;-)
Also Drachenblut macht tatsächlich unverwundbar, zumindest dann, wenn frau aus Holz ist. Zur Imprägnierung von Fenstern und Türen, von Holz, wurde es früher verwendet. Davon bekam das es auch eine charakteristische tief rot-braune, dunkle Farbe. Auch die Stradivaris, so heißt es, wurden damit behandelt. Und Menschen, denn das rote Harz wurde auch als Allheilmittel eingesetzt – und als Engelmacher!
Und wie das so ist: Um Blut zu geben, muss der Drache verwundet werden. Oder gleich sterben.
Genau das ist mit den Kanarischen Drachenbäumen geschehen, denn sie sind es, die bluten, die ein dunkelrotes, imprägnierendes und desinfizierendes Harz abgeben, wenn sie verwundet werden. Entweder sie wurden zu stark angeritzt, bluteten aus, oder sie wurden gleich gefällt. Und so gibt es heute nur mehr in La Palmas abgelegenen Nordwesten, unterhalb von Las Tricias, ein paar alte, wilde Drachenbäume.
In den Nordwesten von La Palma führen drei Wege: Endlose Serpentinen an der Nordküste, unendlich viele Serpentinen über den Rand der Caldera de Taburiente, oder Serpentinen hinauf auf den Cumbre Vieja, dann durch den Tunnel drunter durch, und nach Los Llanos, dann Serpentinen tief in den Baranco de Las Angustias, also die Schlucht hinein und auf der anderen Seite wieder hinauf. Seht euch mal die Luftaufnahme von La Palma an, dann bekommt ihr eine Vorstellung davon, wie riesig und tief diese Schlucht ist, die aus und als einziger Zugang in die Caldera de Taburiente führt! Schwer beeindruckend!
Drachenbäume sind interessant: Es sind nämlich gar keine Bäume, sondern baumförmige Pflanzen. Sie bilden nämlich keine Jahresringe, ihr Inneres ist schwammartig. Es sind Spargelgewächse, wer hätte das gedacht! Lange wächst nur ein Stamm in die Höhe, nach etwa 10 Jahren blüht die Pflanze zum ersten Mal, von da an verzweigt sie sich immer nach der Blüte – alle 15 Jahre. Sie eignen sich übrigens auch als Zimmerpflanzen. Ich wette, fast jeder von euch hat es schon mal mit einer Dracaena im Topf versucht! Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass Drachenblut auch aus anderen Pflanzen gewonnen wird.
Vom Kirchenplatz in Las Tricias wandern wir hinunter zu den Drachenbäumen. Der Weg ist gesäumt mit Mandelbäumen! Wunderschön muss es hier sein, wenn sie blühen! Dazwischen verstreut liegen ein paar kleine Bauernhäuschen, manch ein halbverfallenes wird von Aussteigern wieder bewohnbar gemacht. Im Schatten der Drachenbäume finden sie, was ihr Herz begehrt: Saubere Luft, fruchtbares Land, um sich selbst zu versorgen, ein scheinbar selbstbestimmteres Leben in einem Paradies mit Baumhäusern, Sonnenkollektoren, Feuerstellen und üppiger Natur.
Scheinbar – was unsere Grenzen bestimmt, entscheiden immer wir selbst, auch wenn es nicht immer so aussieht und oft schwer glaubhaft ist. Es gibt immer einen anderen Weg, aber wollen wir ihn gehen?
Wir wollen heute nicht weiter gehen, zu tief sind wir schon unten, wir müssen ja wieder hinauf! Zogen beim Abstieg abwechselnd der steinige Weg und der Blick über das Meer und die Drachenbäume unsere Aufmerksamkeit auf sich, so ist es jetzt der Wegesrand. Genauer, das was dort wächst und in brach liegenden Feldern nicht geerntet wird: Mandeln, Orangen und Kaktusfrüchte. Der moderne Mensch kauft lieber, als dass er erntet, vor allem, wenn er das Geerntete erst noch knacken oder entdornen muss…
Nahrung gibt es jedenfalls genug hier!
So, und jetzt fangen wir den Ausflug von vorne an: In Los Llanos Aridane, dem größten Ort der Insel. Dort waren wir heute Morgen, vor der Wanderung. Er ist überraschend hübsch, voller netter Geschäfte, alter Gassen, einen entzückenden Garten und beeindruckenden Wandbildern. Dem Garten und der Kunst gebührt ein eigener Blog, kommt nächste Woche.
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