Sachertorte
Sachertorte

Deutsches La Palma

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Ausruhen wollen wir heute, nicht viel unternehmen. Morgens weht eine steife Brise, Regenwolken ziehen heran. Wir fahren nach Puntagorda, genauer nach El Fayal, dort soll es am Sonntag einen Bauern- und Kunsthandwerkermarkt geben.

Der Parkplatz ist g’steckt voll, woher kommen die alle? Der Markt muss ja wirklich gut sein! Auffallend: Die meisten Menschen, die zurück zu ihrem Auto streben, halten offensichtlich ein Kuchentablett in der Hand.

Verkauft wird Gemüse vom eigenen Feld, Bio-Honig, selbstgekochte Marmelade, Käse von der Insel, Oliven, Wein, Schmuck, Keramik und Textilien. Es sind viele Menschen in der kleinen Markthalle, doch nur vor einer Theke hängt eine dicke Menschentraube: Vor den Tartas Alemanas des deutschen Konditors aus Puntagorda!

Auf La Palma leben etwa 85000 Menschen, davon 9% Ausländer, darunter rund 3000 Deutsche. Und die hinterlassen ihre Spuren: Es gibt einen Sparmarkt, einen Lidl, viele Geschäfte, Herbergen und Restaurants in deutscher Hand, es gibt deutsche Ärzte und Georg, den Zahnarzt.

Erinnert ihr euch? Georg und seine „Volker von Alzey“ trafen wir in A Coruna. Georg kann wunderbar Geschichten erzählen. Er war einst bei der Marine für die Navigation zuständig. Damals gab es noch kein GPS und keine Plotter, nur Sextanten, Chronometer und Stoppuhren. Zwei Matrosen mussten immer die Zeit stoppen. Eines Tages hielt ein Matrose in einer Hand die Uhr, in der anderen einen Apfel. Gedankenverloren warf er den Apfelstumpfen über Bord…
Von da an hatten sie nur mehr eine Stoppuhr und einen abgenagten Apfel zum Navigieren zur Verfügung.

So hab‘ ich die Geschichte in Erinnerung, gerne hätte ich sie nochmal gehört. Doch Georg ist diese Woche in Deutschland, ich konnte nur ein herzerfrischend nettes Telefongespräch mit seiner Frau führen. Die beiden haben eine Ferienfinca hier, wenn ihr also Lust auf gute Geschichten und nette Menschen auf La Palma habt, macht Urlaub auf ihrer Mandelbaumfinca.

Wir hatten jetzt die Qual der Wahl: Sachertorte? Ohne Schlag? Nein! Käsekuchen, gedeckter Apfelkuchen, Topfentorte oder Schwarzwälderkirsch? Ich entschied mich für Waldfrucht-Topfentorte, Tomy zog örtliches Trockengebäck, Kokosbusserln und Mandelplätzchen, vor.

Auf dem Rückweg fahren wir an Schildern vorbei, die da verkünden: Vollkornbrot, Naturkost, Strelitzenverkauf und Dachspezialist. Wir erhaschen einen Blick auf den Platz von Argual: Nicht nur, dass dort Flohmarkt ist, nein, er sieht einladend aus. Einmal auf den Platz sind wir in einer anderen Welt: Lehmig und ungepflastert, mit Palmen bestanden, wird er von kolonialer Architektur geformt. Mit wachsenden Erstaunen gehen wir über den Flohmarkt: Hier treffen sich Aussteiger aller Art, um ein paar Kreuzer für ihr Leben in der Fremde zu verdienen.

Argual

Argual

Die meisten Stände sind in der Hand von mehr oder weniger blonden deutschen Frauen jeden Alters:

„Festtag! Ich habe heute alle meine Basilikumpflanzen verkauft! Alle sechs!“ ruft eine junge Frau der Nachbarin zu.

LP 4 a

Zurück im Auto sinnieren Tomy und ich übers Aussteigen:

Wovon steigt man oder frau aus? Und wohin? Verlässt frau nicht eine Gemeinschaft mit den ihr eigenen Normen, Werten und „Uniformen“, um in eine andere einzutreten? Tragen die typischen Aussteiger nicht auf der ganzen Welt die gleichen Uniformen: Lange Haare, Rastas, bunte Tücher am Kopf, Pumphosen, lange Röcke, Tattoos?

Und was heißt das für uns? Wo hinaus und wo hinein sind wir gestiegen?

Wir leben in einer Blase, in der es um Wind und Ausrüstung geht, um Reparaturen und Einreisebestimmungen, um Häfen und Ankerplätze. Ebola, IS, Mindestlohn und Streiks sind nicht Teil dieser Blase, dringen kaum dahin vor. Auch nicht die neuesten technischen Geräte und Spielereien, keine Filme, keine Serien, nicht die neueste Mode und auch nicht der DAX, nicht mal Weihnachten. Und doch leben wir in der Welt, in der es das alles gibt, sind davon nicht unberührt.

Letztendlich werden wir alle von den gleichen Dingen bewegt: Von Angst und Freude, von der Notwendigkeit zu essen, zu schlafen, von Liebe und Verlust, vom Lachen und Weinen, von der Sorge für und der Sehnsucht nach unseren Liebsten, von der Sehnsucht nach Erfüllung und Selbstwert.

Mögen wir alle das finden, wonach wir uns sehnen! Wo auch immer.

LP 4

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