Segeln mit Yemanja

Teneguia – Puder, Schlacke und Felsen

San Antonio

Vulkan San Antonio

Ich hab euch in Facebook ein wenig an der Nase herumgeführt. Die Spanier haben nämlich eine Vorliebe dafür, Örtlichkeiten nach Palmen zu benennen – und übrigens auch nach heiligen Kreuzen, Santa Cruz. Wenn frau da nicht ganz genau ist, etwas weglässt, oder auch statt „in“ „auf“ schreibt…

Ich könnte auch sagen, ich wollte mal sehen, wer den Blog so aller liest!

Also wir sind in Santa Cruz de La Palma, nicht wundersamerweise quasi über Nacht in Palma de Mallorca, und nein, auch nicht im derzeitigen Mittelpunkt der Fahrtenseglerwelt in Las Palmas auf Gran Canaria. Dort geht bald die ARC los, dort tummeln sich die Barfußroutler, Langzeitaussteiger, und Nie-Wegsegler, in, wie wir hören, bunter Weise. Die Stimmung muss großartig sein, doch wir genießen die Ruhe auf La Palma.

Bunt sind hier nur die Häuser. Santa Cruz, die Hauptstadt, mit dreizehneinhalb tausend Einwohnern wirkt von See aus niedlich. Zwar besteht sie auf den ersten Blick aus quaderförmigen Mehrfamilienhäusern mit vielleicht 6 oder 7 Stockwerken – also nichts für spanische Verhältnisse – doch die Farbe macht sie fröhlich! Unwiderstehlichen Charme entfaltet Santa Cruz dann beim Flanieren durch die alten Gassen.

Santa Cruz de La Palma

Einst zählte diese Stadt gemeinsam mit Antwerpen und Sevilla zu den drei großen spanischen Häfen, die Handel mit den Kolonien betreiben durfte. So spazieren wir staunend über das Kopfsteinpflaster und bewundern die reichverzierten Holzbalkone, die Alkoven, den kolonialen Charme dieses Ortes. Hübsch ist er, südlich warm und ruhig, zumindest jetzt Ende Oktober. Es ist ein Ort zum Verweilen, zum Genießen.

Wir mieten ein Auto für 9 Tage um 219 Euro, inklusive Versicherung, Klimaanlage und Navi. Wir sind uns nicht sicher, wofür wir letzteres brauchen: Diese Insel ist sehr überschaubar! Aber wer weiß, welche Geheimnisse sie noch birgt?

Am blauen Himmel ziehen erste Wolken auf, hängen sich in den Bergen fest: Dort wandern wird heute nicht viel Sinn machen, also fahren wir in den Süden. Ich hoffe, dass die Wolken von den hohen Bergen im Norden aufgehalten werden.

Gewundene Straßen und enge Kurven schlängeln sich an den steilen Hängen entlang. La Palma wirkt runder und vulkanischer als Madeira, vielleicht weil hier überall schwarze Lavaasche durchschimmert. Uns begeistern die Häuser: Rein weiß sind nur wenige, wer auf La Palma einen Farbtopf in die Finger bekommt, malt damit sein Haus an: manchmal nur mit ein paar Ornamenten unter den Fenstern, manchmal als bunte Absätze um die Fenster, Türen und an den Ecken und Kanten, doch meistens gleich das ganze Haus, in sanften pudrigen Farben, in allen Schattierungen von zartgelb, über gesättigtes Ocker bis hin zu tief gebrannter Siena, mit Ausbrüchen zu grellem Orange, aber auch in allen rosa Tönen, von Haut bis Magenta, Zartlila und Veilchenfarben, sanften oder auch einem kräftigen, dunkeln Grün, hervorgehoben und betont durch die Häuser in Blau…
Davor und rundherum liegen die schönsten Sukkulenten Gärten mit all jenen Pflanzen, die Hitze und wenig Wasser lieben oder zumindest aushalten.

Meine Hoffnung erfüllt sich: in Los Canarios scheint die Sonne! Wir ziehen die Wanderschuhe an, um die jüngste Landschaft Spaniens zu erkunden! Erst geht es durch das Besucherzentrum auf den Vulkan San Antonio, der bei dem Ausbruch 1677 entstand. In seiner Caldera, der eingestürzten Kratermitte, wachsen Kiefern mit birkengrünen Nadeln. Oben schweift der Blick nach Nordwest über Weinberge und Bananenplantagen auf Lavafeldern hinauf nach Tazacorte. Im Süden liegt eine bizarre, dunkelgraue und unwirtliche Vulkanlandschaft vor uns: Der jüngste Vulkan der Insel, der Teneguia, entstand bei einem Ausbruch 1971.

Kiefern in der Caldera des Vulkans San Antonio

Dorthin wollen wir als Nächstes. Der steile Weg bergab über Vulkanasche ist anstrengend, wir geben schnell auf und fahren mit dem Auto etwas näher heran. Jetzt können wir gemütlich zwischen den herbstlich roten Weinbergen wandern. Und was für Weinberge! Malvasia, aus Kreta stammend, ist es, der hier auf der Erde kriechend wächst. Die Ernte, gebückt in der rutschigen Vulkanasche stehend muss fürchterlich anstrengend und frustrierend mager sein!

Kriechender Wein

Bald schon wächst nur mehr wenig: ein paar kleine Drachenbäume, niedriges ledriges Gestrüpp, ein paar Flechten, dazwischen wie hingeworfen Rosetten von Hauswurz. Lava ist fruchtbar, doch die Hänge sind steil, das Wasser läuft davon…

Hauswurz

Und dann erstreckt sich vor uns nur mehr ein Lavafeld, wie kürzlich erkaltet, nichts wächst mehr, nicht mal Flechten sind da. Der Weg hinauf auf den Teneguia ist kaum erkennbar. Tomy hebt einen kleinen Brocken auf, porös und glasig ist er, und überraschend leicht!

Bald wissen wir nicht mehr weiter: Da sind doch eben Leute hochgegangen! Aber wie? Ich erkenne links einen Weg, schreite forsch voran – und wäre fast in einem Abgrund gestürzt! Plötzlich geht es vor mir senkrecht in die Tiefe! Ich bin verwirrt – ich stehe doch eindeutig auf einem Weg!
Tomy geht rechts weiter, dort endet der Pfad an schroffen Felsen, über die wir wohl klettern müssen – diesmal geht es rechts steil bergab.
Nein, wir haben keine Lust auf Kraxelei über einen schmalen Grat! Wir kehren um. Schade!

Beim Zurückblicken beobachten wir die Wanderer die von der Spitze zurückkommen: Alle suchen mehr oder weniger verzweifelt nach dem besten Weg nach unten… Und noch etwas erkenne ich: Die Stelle, an der ich fast in die Tiefe gestürzt wäre, ist abgerutscht, die Abbruchkante noch frisch. Und darunter klaffen bereits neue Spalten…

Der Vulkan Teneguia entstand 1971

Später lese ich nochmal die Beschreibung der Wanderung: Von einer Kletterpartie über einen Grat ist nicht die Rede, der ursprüngliche Weg muss tatsächlich erst vor Kurzem abgerutscht sein!

Zum Abendessen verzehren wir köstliche Tapas, ich schreibe noch schnell den Bericht – ha, schön wäre es, das dauert! Um Mitternacht fallen wir beide müde ins Bett und hoffen, dass wir die laufenden Motoren der Fähren ausblenden können…

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