Laut Wetterbericht ist heute der beste Tag, um auf den Pico Ruivo zu wandern. Wir blicken nach oben, wir schauen uns an – und beschließen an der Südküste zu bleiben. Das dunkle Grau über den Bergen ist nicht einladend, noch weniger motivierend ist das Gefühl in unseren Beinen: Tomy beschreibt es als müde, meine Haxen weigern sich schon den kleinen Hügel von der Marina hinauf zum Auto zu gehen! Pico Ruivo ist heute einfach nicht drinnen!
Also besichtigen wir erst den Botanischen Garten in Funchal. Zwar war ich schon dort, doch ich bin neugierig, ob und wie er sich in den Jahreszeiten verändert. Viel Unterschied zu Dezember kann ich nicht erkennen! Auch der Blick auf Funchal ist immer noch toll!
Ich dirigiere Tomy zur Fajã dos Padres. Fajãs sind flache Küstenstreifen, die durch das Abrutschen von Erdreich entstanden sind. Die vulkanische Erde und ein spezielles Mikroklima machen sie so fruchtbar, dass sie intensiv landwirtschaftlich genutzt werden. Früher waren sie nur vom Meer aus oder durch beschwerliche Wege erreichbar, heute führen Seilbahnen oder Aufzüge hinunter. Unten in der Fajã dos Padres laden tropische Gärten mit Maracuja, Bananen, Avocados und Papaya zum Verweilen ein, der Strand ist einer der schönsten auf Madeira, im kleinen Restaurant fühlt frau sich fast wie in Bahia am Strand!
Tomy wirft einen Blick auf den Aufzug. Er verweigert die Fahrt!
Am Cabo Girão ist der Blick in die Tiefe noch eindrucksvoller: 580 m geht es steil hinunter, unten liegen die Felder, umgeben von tiefblauen Meer. Eine gläserne Aussichtsplattform erlaubt einen waghalsigen Blick nach unten.
Wir beobachten amüsiert die Besucher: Vorsichtig, wie Katzen um den heißen Brei, schleichen sie um den gläsernen Boden. Zögerlich tasten erst Zehen, dann ein Fuß das dicke Glas ab. Langsam folgt der zweite Fuß… Sicher und fest scheint dort keiner zu stehen!
Und wir?
Wir machen es nicht anders!
Erst als wir sicher sind, springt Tomy auf der Glasplatte in die Höhe, sehr zum Schrecken der anderen Besucher.
“Hält”, sagt er.
Vom Cabo Girão schlängeln wir uns über Serpentinen hinunter in die “Höhle der Mönchsrobben”, dem Fischerdorf Câmara dos Lobos. Bunte Fischerboote liegen am Strand, mit ihnen holen die alten Fischer immer noch den hässlichen, aber köstlichen Degenfisch aus der Tiefe. Zwei Kilometer lange Leinen brauchen sie dazu. Katzenhaie trocknen wie in alten Zeiten touristisch attraktiv auf einem der Kutter. Konkurrenzfähig ist die Flotte nicht, malerisch ist der Ort damit schon!
Weiter die Küste entlang fahren wir durch das Hotelviertel Funchals Richtung Hafen. Uns läuft ein Schauer über den Rücken: Nicht dass die Hotels dramatisch hässlich wären, doch in ihrer Größe, Zahl und Anordnung geben sie ein völlig falsches Bild der Insel. Wie soll jemand, der in diesem Ghetto wohnt etwas von der Schönheit Madeiras auch nur ahnen? Im Leben möcht’ ich hier nicht abgemalt sein! Wenn ich 2011 mit Melisa hier gelandet wäre, wer weiß, ob ich je zurück gekommen wäre!
Der Hafen von Funchal wird nach dem Unwetter von 2010 renoviert und umgebaut. Die Marina ist zum Brechen voll, rundherum sind gut besuchte Restaurants. Mehr Leben als in Quinta do Lorde ist dort allemal, ob Lautstärke, Menschmenge und Baustelle angenehm sind, ist eine andere Frage.
Funchal ist ein hübscher und überschaubarer Ort, die Sehenswürdigkeiten halten sich in Grenzen. Doch der Markt ist genauso quirlig, bunt und duftend wie es sich Besucher wünschen. Die verschiedenen getrockneten Chili erfreuen das Auge, die vielen Sorten Maracuja den Gaumen und die Nase, auch die Trockenfrüchte sind appetitlich, natürlich auch alles andere! Meine Begeisterung geht mit mir durch, ich kaufe 3 Kilo Maracuja für meine Töchter, denn bald fliege ich nach Hause, ich hab’ Sehnsucht!
Wir schlendern noch durch das alte Viertel Funchals. In den kleinen Häuschen locken heute Restaurants und Bars mit kulinarischen Genüssen, doch mich lockt die Kunst: Um das Viertel aufzuwerten, bemalten vor ein paar Jahren portugiesische Künstler die alten Türen. Das ist genau nach meinem Geschmack!