Segeln mit Yemanja

Porto Santo

Es ist nicht alles Wüste, das kahl und trocken ist.

Ja, Porto Santo überrascht: Die auf dem ersten Blick unwirtlich und menschenleer wirkende Insel entpuppt sich als ein wunderhübsches, gepflegtes Inselchen voller Villen, Blumen und großartiger Ausblicke. Doch der Reihe nach.

Als wir ankommen, sind wir erst mal landkrank: Der Stuhl schwankt unter meinem Popo, die Tischplatte bewegt sich und wir können kaum geradeaus gehen. Wenn ich den Kopf zu sehr über die Tastatur beuge, wird mir schlecht. Ich poste und chatte schnell, dass es uns gut geht. Dann gehen wir auf Erkundungstour: Kontrolliertes Bewegen bringt unsere aufgewühlten Gleichgewichtskügelchen am schnellsten zur Ruhe.

Wir spazieren entlang der Hauptstraße in den Ort. Was fürchterlich klingt, ist beschaulich: Autos fahren hier praktisch nur, wenn die Fähre kommt oder geht. Links liegt der Strand, bald stehen auf beiden Seiten hübsche, gepflegte Häuschen in blühenden Gärten. Vom Strand in der Ortsmitte geht ein Pier ins Meer hinaus, davor ist ein Festplatz, ein Spielplatz, ein gut sortierter Supermarkt – wie ich später erfahre, der einzige auf der Insel – und ein paar Imbiss- und Souvenir-Standeln. Der Duft von Bolos de Caco, einer lokalen Brotspezialität, steigt in unsere Nase. Wir haben Hunger so kaufe ich zwei, je eines mit Chorico und eines mit Knoblauchbutter, für insgesamt 4 Euro. Wir erwarten einen kleinen Imbiss und bekommen das Abendessen gleich mit: Das Chorico Brot essen wir vor Ort, dann sind wir erst mal satt. Das zweite Brot wird dick mit Knoblauchbutter beschmiert, ich schätze mindestens die Menge, die in einer Meggle Packung ist. Wir nehmen es mit nach Hause, nochmal kurz geröstet ist es gemeinsam mit Tomatensalat ein köstliches Mal.

Am nächsten Morgen quäle ich mich um halb acht aus dem Bett. Offensichtlich bin ich nach den vier Nachtwachen doch erschöpfter als gedacht. Doch ich muss auf, denn Melle, unsere Älteste, hat nur um Acht hier, Neun in Deutschland, Zeit zum Skypen. Während Tomy leckere Brötchen* holt, plaudere ich mit Melle und sehe Lian bei der Nahrungsaufnahme und Nahrungsabgabe zu. Danach rutscht er munter durchs Wohnzimmer, zieht sich hoch, greift nach dem Telefonkabel, versucht es aus der Wand zu ziehen, läuft eine paar Schritte…

Melle meint, ich soll froh sein, dass ich ihn nicht rieche ;-)!

Welch wunderbare Art und Weise einen Tag zu beginnen!

Bevor ich zurück zum Schiff gehe, stutze ich – sind das heimatliche Klänge, die da an mein Ohr dringen? Ich quatsche die Herren am Nachbartisch – für Internet muss ich ins Cafe – an. Ja, er ist tatsächlich aus Österreich und wird als Crew mit 9 anderen nach Argentinien segeln. Auch der Skipper sitzt dabei, es ergibt sich ein interessantes Gespräch, das meine Sehnsucht nach Südamerika nährt.

Nach dem Frühstück bin ich wieder verabredet, diesmal mit unseren Zwillingen, welche es sich mit Tessa und Mussja, also Hund und Katz, zum Skypen auf dem Sofa bequem gemacht haben. Auch das Plauderstündchen mit den Beiden genieße ich sehr.

Auf dem Rückweg zum Schiff treffe ich Malou und Camille. Die beiden charmanten Mädchen, 11 und 7 Jahre alt, malen mit ihrem Opa das Logo ihres Schiffes auf die Kaimauer. Ich frage das Grüppchen auf Englisch, wo sie die Farbe gekauft hätten. Malou, die Ältere, antwortet ganz natürlich und selbstverständlich in fließenden Englisch. Auch ihre kleine Schwester quasselt munter auf Englisch drauflos, nicht alles richtig, doch alles ausdrückend. Die beiden werden von den Eltern unterrichtet und segeln jetzt um die Welt. Sie erklären mir noch den internationalen Hintergrund ihrer Patchworkfamilie, während der Opa weiter malt. Die beiden bezaubern mich völlig – ich finde keine Worte für den Eindruck, den sie hinterlassen haben: Eine Elfjährige, vollkommen in sich ruhend, von innen natürlich strahlend, so wie kleine Kinder das tun und doch so erwachsen – ein reifer Mensch eben.

Andrerseits – wie oft habe ich bisher ein elfjähriges Kind als ebenbürtig angesehen? Es so ernst wie einen Erwachsenen genommen? Sind es nicht wir Erwachsenen, die sie wie Kinder behandeln und klein und in gewissen Sinne dumm halten? Sind nicht wir es, die ihnen nichts zutrauen? Ich glaube, Malou hat mich mehr gelehrt, als ich ihr je lehren könnte!

Malou und Camille – möget ihr auf euern Weg durchs Leben immer gesegnet sein!

Am Nachmittag fahren wir mit dem offenen Touristenbus rund um die Insel. Links ist der Strand hinter den kleinen Dünen mit Strandbars und schönen Hotelanlagen. Im Pestana Porto Santo kann man sicher gut Urlaub machen! Am westlichen Ende liegt ein romantischer Strand mit Felsen, Steinen, Sand und kleinen Pools. Es geht zurück und diesmal fallen uns mehr die Villen und Häuschen auf der Landseite auf. Bald biegen wir links ab, hinauf auf den Berg, vorbei an weißen Häuschen mit Bougainvilleen, Hibiskus, Oleander, Kakteen, Strelitzen und anderen Blüten. Auf der Ebene oben liegen Felder, abgeteilt mit Steinmauern aus Lavastein, errichtet wohl auch, um das Wasser zu halten. Denn überall dort, wo keines ist, liegt Mutter Erde nackt und ungeschützt da, um nicht zu sagen: verletzt. Porto Santo war einst so dicht mit Drachenbäumen bewachsen, dass die Entdecker nicht mal an Land gehen konnten! So brachten sie Schweine mit, die erst mal das Unterholz begehbar machten. Heute ist die Insel blankgerodet und wird mühsamst wieder aufgeforstet und begrünt.

 

Der Flughafen mit modernsten Gebäude und Tower trennt die Insel in eine West- und eine Osthälfte. Mit dem Flughafen kam wohl auch ein gewisser Wohlstand hierher: Dort landen quasi die Euros, verborgen in den Taschen und Kreditkarten der Touristen.

Weiter geht es hinauf auf die Berge, in einen kleinen Pinienwals mit großartiger Aussicht. Es gibt eine Grillstation hier oben, am Samstagnachmittag treffen sich die Familien zum Picknick.

Am Ende der Tour fahren wir zu den drei letzten Windmühlen am Berg über der Marina: Tief unter uns liegt Yemanja, in der Ferne lockt Madeira…

Marina Porto Santo

Wir sind überrascht über dieses kleine, auf den ersten Blick so verletzt wirkende Stück Erde: Porto Santo ist entzückend! Und es ist eine Freude zu sehen, was Menschen bewirken können, wenn sie miteinander an einem Ziel arbeiten: Einen harmonischen Ort, an dem Menschen sich wohlfühlen können.

Auf Wiedersehen, Porto Santo, es war uns eine Freude, dich besucht zu haben!

 

*(Die Bäcker sind ein junges Paar aus Madeira, die Brötchen und Kuchen sind die besten seit wir Frankreich verlassen haben)

PS: Ich bin für viele Blickwinkel: Einen kritischeren BLick auf Porto Santo wirft die Crew der Chulugi hier.

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