Leben und leben lassen in Portugal
… Von Ijmuiden bis Baiona genügte es, sich an den Rand eines Zebrastreifens zu stellen, schon hielten die Autos. Nicht so in Portugal, da sollte ein Fußgänger schon sanften Zwang anwenden: Ein Fuß muss schon auf der Straße sein, damit die Autos halten. Kreuzungen ohne Ampel oder Fußgängerüberweg werden in den Ortschaften nach kurzem Blick links und rechts ebenso überquert: Fuß auf die Fahrbahn heißt für Auto: Anhalten. Doch plötzlich bleiben die Fußgänger vor mir alle stehen, die Autos fahren einfach weiter. Was ist los? Ein Polizist regelt den Verkehr! Mein Gott, ist das lange her, das ich das gesehen habe! Können das deutsche Polizisten überhaupt noch?
…Zugegeben, die öffentlichen Waschplätze, an denen von Hand gewaschen wird, habe ich nicht selbst gesehen, das weiß ich nur von Christine und dem Blog der Anima Mea. Die Fotos des Waschhauses und der Trockengestelle gleich neben der neuen Marina vor Porto haben mich schwer beeindruckt. Neben meinen Töchtern samt Familien vermisse ich in unserem schwimmenden Zigeunerleben nämlich nichts, außer einer Waschmaschine samt Trockner.
…Portugals Züge sind modern, die Tickets mit Barcode ausgestattet. Was den Schaffner nicht davon abhält sie wie eh und je mit der Lochzange zu entwerten… Aber es geht auch anders: Die Fahrkarten der Metro in Porto und der Verkehrsmittel in Lissabon sind digital und können wieder aufgeladen werden.
…In Portugal kann ich nicht kaufen, was ich für ein Gericht brauche, ich bereite zu, was ich kaufen kann. Sellerie zum Beispiel ist in jeder Form vollkommen unbekannt, Blumenkohl klein und selten frisch, Brokkoli, Radieschen und Frühlingszwiebeln nicht vorhanden. Doch es gibt alles andere, Zucchini, Auberginen, Salat, Kartoffeln, rote Beete, Süßkartoffeln, Zwiebeln, Kraut, Paprika, Tomaten und zur Zeit köstliche … Fisolen (Wisst ihr schon, was das ist?). Vieles davon entspricht nicht der Norm, erfüllt nicht den Anspruch, den deutsche Verbraucher an ihr Gemüse stellen: Die Tomaten sind unterschiedlich groß, nicht einheitlich rot, manchmal etwas fleckig, und das gilt auch für alles andere: Vieles davon wächst wohl noch auf kleinen Feldern, die von den jüngeren Leuten der Familie bestellt werden. Die Alten, vor allem die alten Frauen verkaufen es dann am Markt.
Die Marktfrau, bei der ich heute versucht habe, ein paar Tomaten zu erstehen, war gefühlte 80 Jahre alt. Mindestens. Außerdem reichte sie mir höchstens bis zur Brust. Energisch hantelte sie sich am Stand entlang, nahm das Sackerl mit den Tomaten entgegen, legte es auf die altmodische Waage, Ware auf einer Seite, Gewicht auf der anderen, und gab mir zu verstehen, dass das kein Kilo sei, ich solle ihr noch mehr Tomaten reichen. Meinen Protest, dass ich so viele ja gar nicht wollte, ignorierte sie beharrlich, behende ,doch sich immer wieder anlehnend, kam sie nach vorne um selbst aufzufüllen. Einen Euro wollte sie für ein ungenormtes Kilo Eiertomaten…
… Die Wellen an den Sränden von Peniche gelten als die besten in Europa. Dementsprechend ist der Ort voller junger Menschen, die zum surfen hierher kommen. Das Hostel GeekCo hat das besonderes Etwas:
… Marta und Francisco heiraten, das Fest für 300 Gäste findet in Haus und Garten des Marquês de Pombal in Oeiras statt. Wir platzen da quasi in die Vorbereitungen rein, weil der Eingang hinten im Garten offen ist, wir da rein spazieren und jemand hinter uns zusperrt. Das Personal des Caterers ist so nett und lässt uns durch den Lieferanteneingang wieder raus. Wirklich tolle Location, schön dekoriert! Mir tut die Braut an diesem Tag trotzdem leid: Abends regnet es.
…Das Patrollienschiff der Marine kommt rein. Ein Teil der Mannschaft schlingt noch die Leinen um die Klampen, da richtet ein anderer schon die Satellitenschüssel aus. Sie steht im Schirmständer an Deck.
… Im Hinterland, in den Bergen hinter Nazare, stehen nicht nur hübsche, neue Häuschen, nein, auch einige schicke Villen. Dabei ist dort nichts außer Gegend, wovon leben die dort? Oder auch – ist es dort wirklich schön genug, für eine Wochenendvilla?
… Wenn ein Mann sich mit 65 verliebt, hat er ein Problem, sagt der Portugiese auf dem Schiff neben uns. Zumindest wird es teuer: Das Holzschiff ist morsch und in einem erbärmlichen Zustand. Er wird es reparieren, für den Liebhaber des Schiffes, der es für viel zu viel Geld gekauft hat.
… Schon bei der Ansteuerung von Lissabon fallen uns im Wasser die Quallen auf, kleine und große. Sie sind auch in der Marina, heute schwebt ein besonders schönes Exemplar elegant durch das Wasser neben uns. Doch unsere Segelfreunde von der Silamaril haben etwas weniger Freude daran: Eine saugt sich vor ihrem Spülwassereingang für die Toilette fest.
… “Da geht eine Oben ohne,” erklärt Tomy erstaunt, “eine alte Dame.” Verdutzt blicke ich zur Kaimauer: Ja wirklich, da walkt eine ältere Dame in langen blauen Hose, obenrum barbusig. Zwar wird sie dort nur von wenigen gesehen, und doch scheint es ihr völlig gleichgültig zu sein, was andere von ihr denken, oder ob ihre Mitmenschen den Anblick eines nicht mehr jungen Frauenkörpers ästhetisch finden. Chapeau, Senora, außer dir selbst musst du niemanden gefallen, es niemanden recht machen!
Festland-Portugal, du has tuns mit deiner Schönheit überrascht und mit der natürlichen Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft deiner Einwohner bezaubert! Danke Schön!
Morgen geht es weiter nach Madeira!