Segeln mit Yemanja

Holland und das Wasser

Spiegelglatt!

Platt, platter, am plattesten!

Keine Welle, ein zarter Windhauch kommt von vorne, selbst die leichtesten Genuas flattern lustlos herum!

Zeit, den Holländern meine tiefste Hochachtung für ihr Zusammenleben mit dem Wasser, aber auch dem Wind, der Sonne und dem Land  auszusprechen.

Die kreativen, technischen und menschlichen Lösungen, um Wasser zu überbrücken, Land trockenzulegen, den Wasserstand zu kontrollieren, dabei den Wind und die Sonne zu nutzen bringen mich immer wieder zum Staunen, innehalten und bewundern.

Da sind die Dämme, die das Land vor Überschwemmung schützen, ein ausgeklügeltes System von Kanälen, die nebeneinander und doch unterschiedlich hoch oder tief liegen, reguliert durch Pumpen, betrieben im weitesten Sinne durch den Wind: Was früher Hollands Windmühlen leisteten, geschieht heute durch Elektrizität, oft gewonnen durch Windräder. Kleinräumig, auf Leuchtbojen etwa, wird der Strom durch Solaranlagen erzeugt.

Auch Schleusen, solche zum Abschotten des Landes, aber auch solche, um Schiffe auf unterschiedliches Niveau zu heben oder senken gehören dazu. Straßen, Wege laufen oft doppelspurig, mal vor, mal hinter der Schleuse, je nachdem welches Tor geöffnet wird. Brücken, manchmal etliche Kilometer lang, überspannen die Gewässer. Bewegliche Brücken aller Art, Ziehbrücken, Hebebrücken, Drehbrücken, ermöglichen den gigantischen Warenverkehr und den nicht minder wichtigen Freizeitschiffsverkehr auf den Kanälen und Wasserstraßen. Und oft genug sehen diese Brücken auch noch schön aus! Und der Landverkehr, Autos, Trucks, selbst auf Autobahnen, auch Fahrräder und Fußgänger, wartet geduldig!

Überhaupt – von Land aus, kann man sich dieses komplexe System der Dämme, Schleusen, Brücken, Bojen, des Hebens und Senkens, des Windes und der Sonne gar nicht vorstellen!

Doch das Unglaublichste ist: All das Öffnen und Schleusen ist für den Benutzer kostenfrei! Sicher, es wird so etwas wie Kurtaxe erhoben, aber die ist lächerlich im Vergleich zu dem Service, den Holland den Wassersportlern aller Art bietet. Und ja, genau das, was so viele Ressourcen verschlingt, ist andrerseits auch der Grund, warum so viele Menschen dieses Land gerne besuchen und lieben! Was wäre Holland ohne Windmühlen und Ziehbrücken?

Doch Holland und das Wasser, heißt Holland und die Flut!

All die Wasserwege, die Brücken, Deiche, selbst das Land, all der Charme, der Wassersport, die Hausboote wären nicht, wenn die Niederen Lande nicht zu einem Viertel unter dem Meeresspiegel liegen würden – und wenn es die großen Fluten nicht gegeben hätte. Und sie waren zahlreich…

So entstand die Zuidersee aufgrund von mehreren Fluten zwischen 1164 und 1228. (Auch  der Jadebusen, oder Vorstufen davon, entstand damals). Später wurde sie durch Eindeichen zum IJsselmeer.

Durch die Elisabethenfluten im 13. Jahrhundert entstand das Hollands Diep und das heutige Naturschutzgebiet de Biesboschen. Das ist lange her…

Doch 1953 ereignete sich die größte Flutkatastrophe unseres Zeitalters an der Nordsee. Fast ganz Zeeland stand unter Wasser, bis weit hinter Dordrecht reichten die Fluten – unvorstellbar! Eine Art Sintflut…

Doch wie so oft ändern Naturkatastrophen nicht nur die Landschaft, sondern auch das menschliche Bewusstsein: Feinde werden Freunde, die Menschen arbeiten plötzlich zusammen, neue Ideen und Technologien entstehen – das Unmögliche wird möglich:

Die Wettervorhersagen wurden verbessert, die Nordseeanrainer arbeiten seitdem gemeinsam an Warnsystemen und Holland verwirklichte den Deltaplan:

Dämme, Schleusen und Wehren schützen heute Zeeland vor den Sturmfluten der Nordsee. Dieses gigantische Projekt ist die Grundlage für ein blühendes Land.

Man könnte auch sagen, die Fluten, die so viel zerstörten, so viele Leben kosteten, waren es, durch die neues Leben und neuer Wohlstand entstehen konnten.

 

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PS: Von Middelburg fuhren wir nach Zieriksee, blieben zwei Tage, heute ging es weiter über eine See ohne Horizont nach Herkingen.

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