Die Göttin ist mit uns!
Ja, ja, ich könnte die Tatsache, dass wir ein hochseetüchtiges Segelboot haben, auch weniger dramatisch ausdrücken!
Falsch ist es nicht:
Unser Schiff ist eine 23 Jahre alte Aphrodite 36. Außerdem wird sie nach der brasilianischen Meeresgöttin Yemanja heißen.
Die Schiffe der Werft Aphrodite ähneln einer Hallberg Rassy oder einer Najad. Tomy träumte immer von einer alten HR: Ihre Schönheit und ihre Qualität sind einfach unübertroffen, gleiches bieten nur Najads oder eben die Aphrodites. Eine Najad ist schwer zu bekommen, HR gibt es recht viele auf dem Markt, doch meist sind sie teuer und die Raumaufteilung ist nicht ideal.
Heute sind wir zum dritten Mal auf unserem Schiff. Anfangs, gleich nach der Übergabe, war alles so fremd! Es war einfach nicht unser Boot, nicht meines, da war so viel Fremdes an Bord!
Doch mit jedem Schapp, das wir entrümpeln und säubern, mit jedem Teil, das wir von Staub befreien, wegwerfen oder durch eigenes ersetzen, nimmt es unsere Schwingungen an, wird es unser Heim – vielleicht einmal für sehr lange Zeit!
Nun, bevor hier ein falscher Eindruck entsteht: Wir kauften ein eignergepflegtes Boot, mit Pott und Pann. Auf gut deutsch soll das heißen: Der Eigner war ein Bastler und hat alles selbst gemacht, außerdem muss es erst mal entrümpelt werden.
In unserem Fall heißt das: Die Eigner liebten ihr Boot, sie pflegten es sorgfältigst, hielten es peinlichst sauber. Sie statteten es mit unzähligen, erstklassigen Extras aus, was auch immer sie selbst einbauten oder einbauen ließen, ist fachmännisch gemacht. Immer wieder staunen wir über Kleinigkeiten, an die wir nie gedacht hätten, die aber den Komfort an Bord ungemein erhöhen. Ja, entrümpeln mussten wir schon auch: Seekarten, zum Beispiel, aus dem vorigen Jahrhundert. Doch die Wahrheit ist: Der überwiegende Teil der Ausrüstung ist fast neu bis neu und von bester Qualität. Allein das Werkzeug an Bord ist es wert, dass wir mehr bezahlt haben, als ursprünglich in unserem Budget veranschlagt.
Danke!
Unsere Freunde sind beeindruckt von der Größe unserer Yacht. Möglich, dass sie auf den Fotos größer aussieht, als sie ist. Mir jedenfalls klingt das Wort „Yacht“ ein bisschen hochgestochen, für mich ist es immer noch ein Boot, oder meinetwegen ein Schiff. Doch ich muss zugeben: Ein Schiff ist ein Symbol für Reichtum und Freiheit.
Reichtum? Freiheit?
Wir haben jetzt die Freiheit, zu wählen: Dienen wir den Mücken als Nahrung, oder schmoren wir sie mit der elektrischen Fliegenklappe? Gehen wir auf die eher unbequeme Bordtoilette oder 100m bis zur Toilette mit Campingplatzflair in der Marina?
Jedes Mal, wenn ich Teller aus dem Schapp nehmen will, muss ich erst die Gewürze zur Seite räumen, denn Platz ist knapp. Will ich an meinen Kleiderschrank, muss ich erst die Tür der Kajüte schließen, brauche ich etwas aus den Backskisten, muss ich erst Polster oder Matratzen zur Seite legen. Die Duschen in der Marina sind sauber, aber dennoch öffentlich, wie auf dem Campingplatz oder im Schwimmbad eben. Das Spülbecken ist winzig, nach dem Abwasch steht die halbe Kombüse unter Wasser…
Ich merke schon: Ohne meine Fähigkeit, mich selbst nicht immer ernst zu nehmen, wird das nichts!